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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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und die übrigen Völcker von andern alten Helden herführen. Lachens-wür-
dig ist hiernechst, daß der Spanier Frantz Sandoval Kaysers Caroli V, der
Engeländer Statyer Jacobi I. Königs von Engeland, und Johann Messenius
derer Könige von Schweden Geschlechter, von Adam her, biß auf unsere
Zeit, in unzertrennter Ordnung erzehlen wollen. Was von denenjenigen zu
halten, welche vor wenig Jahren die Stamm-Tafeln einiger Hohen Europaei-
schen Häupter so eingerichtet, daß sie mit der Heil. Jungfrauen Maria und
dem Heil. Joseph verwandt seyn müsten? solches ist leicht zu erachten.

Die Logica und Metaphisica sind gantz unstreitig, nach dem Zeugniß vie-
ler vortrefflichen gelehrten Männer, welche zu gleicher Zeit darüber bittere
re Klage führen, grossen Theils mit Thorheiten angefüllet. Wer kan wohl
die vielen wichtigen Streit-Fragen mit ruhigem Gemüthe anhören, von denen
Förmlichkeiten, Selbheiten, Gegenwürffen, Innerlichkeiten, Was-
heiten, Zweck, Zielungen, Unverwerfflichkeiten,
und vielen andern der-
gleichen tiefsinnigen Subtilitaeten, gegen welche selbst die spitzfindigen Einfälle
des Cleanthes und Chrysippus einfältig scheinen, und die listigen Redens-Ar-
ten des Daphitas, Euthydemus und Dionisiodorus zu Schanden gemachet
werden solten? Denn ob wir gleich gar wohl wissen, daß die Schulfüchsi-
schen und auf Schrauben gestelten Fragen derer Scholastischen Lehrer vor-
längst ausgepeitschet, da man nemlich mit einander gestritten, ob GOtt
der HErr im Firmament, gehöre in ein
Praedicament? oder ob es
besser seye, wann ich einen unser Meister, oder Meister unser
heisse?
So kommen doch von Zeit, zu Zeit immer andere närrische Strei-
tigkeiten auf die Bahn. Man fraget, nemlich: Was der Haupt-Grund
der Untheilbarkeit seye? Ob sich ein Ding gegen GOtt und die
Creaturen, gegen ein selbst-ständiges und zufälliges Wesen über-
einstimmig, oder zweydeutig, oder auch gleichförmig verhalte?
Ob der Gegenwurff der Natur-L[e]hre ein bewegliches Ding oder
unbeweglicher Cörper seye? und wann das letztere, ob es solches
seye, so weit es beweglich, oder in so weit es natürlich ist? Ob der
Stoff aller Dinge, eine bloße lauterer Krafft seye? Ob dieser
Stoff ein wirckliches Thun seye? Wie die Beraubung die natür-
lichen Cörper machen helffe? Ob zwischen dem Stoff und der Ge-

stalt
D d 3

und die uͤbrigen Voͤlcker von andern alten Helden herfuͤhren. Lachens-wuͤr-
dig iſt hiernechſt, daß der Spanier Frantz Sandoval Kayſers Caroli V, der
Engelaͤnder Statyer Jacobi I. Koͤnigs von Engeland, und Johann Meſſenius
derer Koͤnige von Schweden Geſchlechter, von Adam her, biß auf unſere
Zeit, in unzertrennter Ordnung erzehlen wollen. Was von denenjenigen zu
halten, welche vor wenig Jahren die Stamm-Tafeln einiger Hohen Europæi-
ſchen Haͤupter ſo eingerichtet, daß ſie mit der Heil. Jungfrauen Maria und
dem Heil. Joſeph verwandt ſeyn muͤſten? ſolches iſt leicht zu erachten.

Die Logica und Metaphiſica ſind gantz unſtreitig, nach dem Zeugniß vie-
ler vortrefflichen gelehrten Maͤnner, welche zu gleicher Zeit daruͤber bittere
re Klage fuͤhren, groſſen Theils mit Thorheiten angefuͤllet. Wer kan wohl
die vielen wichtigen Streit-Fragen mit ruhigem Gemuͤthe anhoͤren, von denen
Foͤrmlichkeiten, Selbheiten, Gegenwuͤrffen, Innerlichkeiten, Was-
heiten, Zweck, Zielungen, Unverwerfflichkeiten,
und vielen andern der-
gleichen tiefſinnigen Subtilitæten, gegen welche ſelbſt die ſpitzfindigen Einfaͤlle
des Cleanthes und Chryſippus einfaͤltig ſcheinen, und die liſtigen Redens-Ar-
ten des Daphitas, Euthydemus und Dioniſiodorus zu Schanden gemachet
werden ſolten? Denn ob wir gleich gar wohl wiſſen, daß die Schulfuͤchſi-
ſchen und auf Schrauben geſtelten Fragen derer Scholaſtiſchen Lehrer vor-
laͤngſt ausgepeitſchet, da man nemlich mit einander geſtritten, ob GOtt
der HErr im Firmament, gehoͤre in ein
Prædicament? oder ob es
beſſer ſeye, wann ich einen unſer Meiſter, oder Meiſter unſer
heiſſe?
So kommen doch von Zeit, zu Zeit immer andere naͤrriſche Strei-
tigkeiten auf die Bahn. Man fraget, nemlich: Was der Haupt-Grund
der Untheilbarkeit ſeye? Ob ſich ein Ding gegen GOtt und die
Creaturen, gegen ein ſelbſt-ſtaͤndiges und zufaͤlliges Weſen uͤber-
einſtimmig, oder zweydeutig, oder auch gleichfoͤrmig verhalte?
Ob der Gegenwurff der Natur-L[e]hre ein bewegliches Ding oder
unbeweglicher Coͤrper ſeye? und wann das letztere, ob es ſolches
ſeye, ſo weit es beweglich, oder in ſo weit es natuͤrlich iſt? Ob der
Stoff aller Dinge, eine bloße lauterer Krafft ſeye? Ob dieſer
Stoff ein wirckliches Thun ſeye? Wie die Beraubung die natuͤr-
lichen Coͤrper machen helffe? Ob zwiſchen dem Stoff und der Ge-

ſtalt
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[213/0257] und die uͤbrigen Voͤlcker von andern alten Helden herfuͤhren. Lachens-wuͤr- dig iſt hiernechſt, daß der Spanier Frantz Sandoval Kayſers Caroli V, der Engelaͤnder Statyer Jacobi I. Koͤnigs von Engeland, und Johann Meſſenius derer Koͤnige von Schweden Geſchlechter, von Adam her, biß auf unſere Zeit, in unzertrennter Ordnung erzehlen wollen. Was von denenjenigen zu halten, welche vor wenig Jahren die Stamm-Tafeln einiger Hohen Europæi- ſchen Haͤupter ſo eingerichtet, daß ſie mit der Heil. Jungfrauen Maria und dem Heil. Joſeph verwandt ſeyn muͤſten? ſolches iſt leicht zu erachten. Die Logica und Metaphiſica ſind gantz unſtreitig, nach dem Zeugniß vie- ler vortrefflichen gelehrten Maͤnner, welche zu gleicher Zeit daruͤber bittere re Klage fuͤhren, groſſen Theils mit Thorheiten angefuͤllet. Wer kan wohl die vielen wichtigen Streit-Fragen mit ruhigem Gemuͤthe anhoͤren, von denen Foͤrmlichkeiten, Selbheiten, Gegenwuͤrffen, Innerlichkeiten, Was- heiten, Zweck, Zielungen, Unverwerfflichkeiten, und vielen andern der- gleichen tiefſinnigen Subtilitæten, gegen welche ſelbſt die ſpitzfindigen Einfaͤlle des Cleanthes und Chryſippus einfaͤltig ſcheinen, und die liſtigen Redens-Ar- ten des Daphitas, Euthydemus und Dioniſiodorus zu Schanden gemachet werden ſolten? Denn ob wir gleich gar wohl wiſſen, daß die Schulfuͤchſi- ſchen und auf Schrauben geſtelten Fragen derer Scholaſtiſchen Lehrer vor- laͤngſt ausgepeitſchet, da man nemlich mit einander geſtritten, ob GOtt der HErr im Firmament, gehoͤre in ein Prædicament? oder ob es beſſer ſeye, wann ich einen unſer Meiſter, oder Meiſter unſer heiſſe? So kommen doch von Zeit, zu Zeit immer andere naͤrriſche Strei- tigkeiten auf die Bahn. Man fraget, nemlich: Was der Haupt-Grund der Untheilbarkeit ſeye? Ob ſich ein Ding gegen GOtt und die Creaturen, gegen ein ſelbſt-ſtaͤndiges und zufaͤlliges Weſen uͤber- einſtimmig, oder zweydeutig, oder auch gleichfoͤrmig verhalte? Ob der Gegenwurff der Natur-Lehre ein bewegliches Ding oder unbeweglicher Coͤrper ſeye? und wann das letztere, ob es ſolches ſeye, ſo weit es beweglich, oder in ſo weit es natuͤrlich iſt? Ob der Stoff aller Dinge, eine bloße lauterer Krafft ſeye? Ob dieſer Stoff ein wirckliches Thun ſeye? Wie die Beraubung die natuͤr- lichen Coͤrper machen helffe? Ob zwiſchen dem Stoff und der Ge- ſtalt D d 3

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/257>, abgerufen am 24.11.2024.