Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.nach der gesunden Vernunfft raisoniren, und sich hüten solten nichts was dieser Weil ich mir vorgenommen hauptfächlich derer Gelehrten übermäßigen Indessen finden sich wiederum andere Geistliche, welche vor gelehrten Es giebt viele Dorff- und andere Pfarrer, die mehr als eine Kirche und Ge-
nach der geſunden Vernunfft raiſoniren, und ſich huͤten ſolten nichts was dieſer Weil ich mir vorgenommen hauptfaͤchlich derer Gelehrten uͤbermaͤßigen Indeſſen finden ſich wiederum andere Geiſtliche, welche vor gelehrten Es giebt viele Dorff- und andere Pfarrer, die mehr als eine Kirche und Ge-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="4"/> nach der geſunden Vernunfft <hi rendition="#aq">raiſoni</hi>ren, und ſich huͤten ſolten nichts was dieſer<lb/> zu wider vorzubringen; <hi rendition="#aq">au contrai</hi>re, durch deren Staͤrcke, einen Koͤnig, oder<lb/> Fuͤrſten, von der Wahrheit deſſen, was ſie behaupten und reden wollen uͤber-<lb/> zeugen ſolten, machen ſie es wie der naͤrriſche, mehr-erwehnte, <hi rendition="#aq">Cardinal Beſſa-<lb/> rion. Diſcuri</hi>ren ſie uͤber etwas, das doch die natuͤrliche Billigkeit betrifft, beruf-<lb/> fen ſie ſich auf das <hi rendition="#aq">Corpus Juris,</hi> auf die darinnen enthaltenen <hi rendition="#aq">Inſtitutiones</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">Pandect</hi>en, auf den <hi rendition="#aq">Codicem &c.</hi> item auf das <hi rendition="#aq">Jus Canonicum.</hi> Faͤllet der<lb/><hi rendition="#aq">Discurs</hi> auf andere Dinge unterlaͤſſet man nicht, vor denen Ohren groſſer<lb/> Potentaten viele ſich auf die <hi rendition="#aq">Materie</hi> nicht reimende <hi rendition="#aq"><choice><sic>Paſlagen</sic><corr>Paſſagen</corr></choice></hi> aus ſolchen <hi rendition="#aq">Scri-<lb/> ben</hi>ten anzufuͤhren, und deren Namen dabey zu nennen, die vor ein, zwey und<lb/> mehr tauſend Jahren geſtorben ſind. <hi rendition="#aq">Rouli</hi>ren aber die <hi rendition="#aq">Raiſonnements</hi> auf die<lb/> Hiſtorie ſo ermangelt man ebenfalls nicht, ein halbes Dutzent und noch mehr<lb/><hi rendition="#aq">Autores.</hi> die von dieſer oder jener Sache geſchrieben, zu <hi rendition="#aq">allegi</hi>ren. O Eitel-<lb/> keit! O Thorheit! O gelehrte Narrheit! Gleichwohl meynet ein ſolcher Ge-<lb/> lehrter, der dieſes thut, es beſtehe ſein groͤſter Ruhm darinnen, und er weiß<lb/> ſich deswegen nicht wenig zu bruͤſten.</p><lb/> <p>Weil ich mir vorgenommen hauptfaͤchlich derer Gelehrten uͤbermaͤßigen<lb/> Stoltz, und ihren auf eine wahre Narrheit hinaus lauffenden Hochmuth anzu-<lb/> fechten ingleichen die Tummheit und Einfalt, in welche viele andere Gelehrte<lb/> durch die <hi rendition="#aq">Studia</hi> verfallen, zu zeigen wolte ich wuͤnſchen, daß die Herren Geiſt-<lb/> lichen nicht mitgetroffen, ſondern gaͤntzlich verſchonet bleiben moͤchten. Allein<lb/> es iſt bekannt, daß der Stoltz und Hochmuth auch uͤber dieſen Stand ſeine<lb/> Herrſchafft gewaltig <hi rendition="#aq">exerci</hi>ret; bey dem doch nichts als die Demuth ſtatt fin-<lb/> den und regieren ſolte. viele zwar wandeln in der Demuth, und es iſt von<lb/> ihnen aller gelehrter Stoltz und Hochmuth verbannet, weil ſie mit <hi rendition="#aq">Paulo</hi> wiſſen<lb/> und bekennen, daß alle Gelehrſamkeit und Wiſſenſchafften Stuͤckwerck iſt. Ja,<lb/> ſie ruͤhmen ſich weiter nichts, als deſſen, was ſich <hi rendition="#aq">Paulus</hi> geruͤhmet, da er ſpricht:<lb/><hi rendition="#fr">Ich ruͤhme mich nicht, daß ich etwas wuͤſte, ohne allein ꝛc.</hi> Derglei-<lb/> chen Geiſtliche nun ſind hundertfacher Ehren werth.</p><lb/> <p>Indeſſen finden ſich wiederum andere Geiſtliche, welche vor gelehrten<lb/> Stoltz und Hochmuth ſtincken, mithin allen andern Menſchen gantz unertraͤg-<lb/> lich fallen. Davon wiſſen gewiſſe Staͤdte Flecken und Doͤrffer, die der Him-<lb/> mel mit hochmuͤthigen Geiſtlichen geſtraffet, ein Lied zu ſingen; und ich will<lb/> gleich allhier nur ein einziges Exempel anfuͤhren.</p><lb/> <p>Es giebt viele Dorff- und andere Pfarrer, die mehr als eine Kirche und<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [4/0048]
nach der geſunden Vernunfft raiſoniren, und ſich huͤten ſolten nichts was dieſer
zu wider vorzubringen; au contraire, durch deren Staͤrcke, einen Koͤnig, oder
Fuͤrſten, von der Wahrheit deſſen, was ſie behaupten und reden wollen uͤber-
zeugen ſolten, machen ſie es wie der naͤrriſche, mehr-erwehnte, Cardinal Beſſa-
rion. Diſcuriren ſie uͤber etwas, das doch die natuͤrliche Billigkeit betrifft, beruf-
fen ſie ſich auf das Corpus Juris, auf die darinnen enthaltenen Inſtitutiones und
Pandecten, auf den Codicem &c. item auf das Jus Canonicum. Faͤllet der
Discurs auf andere Dinge unterlaͤſſet man nicht, vor denen Ohren groſſer
Potentaten viele ſich auf die Materie nicht reimende Paſſagen aus ſolchen Scri-
benten anzufuͤhren, und deren Namen dabey zu nennen, die vor ein, zwey und
mehr tauſend Jahren geſtorben ſind. Rouliren aber die Raiſonnements auf die
Hiſtorie ſo ermangelt man ebenfalls nicht, ein halbes Dutzent und noch mehr
Autores. die von dieſer oder jener Sache geſchrieben, zu allegiren. O Eitel-
keit! O Thorheit! O gelehrte Narrheit! Gleichwohl meynet ein ſolcher Ge-
lehrter, der dieſes thut, es beſtehe ſein groͤſter Ruhm darinnen, und er weiß
ſich deswegen nicht wenig zu bruͤſten.
Weil ich mir vorgenommen hauptfaͤchlich derer Gelehrten uͤbermaͤßigen
Stoltz, und ihren auf eine wahre Narrheit hinaus lauffenden Hochmuth anzu-
fechten ingleichen die Tummheit und Einfalt, in welche viele andere Gelehrte
durch die Studia verfallen, zu zeigen wolte ich wuͤnſchen, daß die Herren Geiſt-
lichen nicht mitgetroffen, ſondern gaͤntzlich verſchonet bleiben moͤchten. Allein
es iſt bekannt, daß der Stoltz und Hochmuth auch uͤber dieſen Stand ſeine
Herrſchafft gewaltig exerciret; bey dem doch nichts als die Demuth ſtatt fin-
den und regieren ſolte. viele zwar wandeln in der Demuth, und es iſt von
ihnen aller gelehrter Stoltz und Hochmuth verbannet, weil ſie mit Paulo wiſſen
und bekennen, daß alle Gelehrſamkeit und Wiſſenſchafften Stuͤckwerck iſt. Ja,
ſie ruͤhmen ſich weiter nichts, als deſſen, was ſich Paulus geruͤhmet, da er ſpricht:
Ich ruͤhme mich nicht, daß ich etwas wuͤſte, ohne allein ꝛc. Derglei-
chen Geiſtliche nun ſind hundertfacher Ehren werth.
Indeſſen finden ſich wiederum andere Geiſtliche, welche vor gelehrten
Stoltz und Hochmuth ſtincken, mithin allen andern Menſchen gantz unertraͤg-
lich fallen. Davon wiſſen gewiſſe Staͤdte Flecken und Doͤrffer, die der Him-
mel mit hochmuͤthigen Geiſtlichen geſtraffet, ein Lied zu ſingen; und ich will
gleich allhier nur ein einziges Exempel anfuͤhren.
Es giebt viele Dorff- und andere Pfarrer, die mehr als eine Kirche und
Ge-
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