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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Leute, ja die gantze unschuldige Christenheit, durch ihre zanck-
sichtige Hartnäckigkeit verwirret und zerstöhret werden; ja gantz
und gar darüber zu trümmern, zu Grunde und zu Boden gehen.

Sonderlich hänget diese Thorheit, nechst denen Schulmei-
stern, denen geistlichen Herren gar sehr an, und das um keiner
andern Ursache willen, als weil diese Leute, die eine grössere Facul-
taet
vor sich haben, am längsten in der Schule bleiben müssen, da-
her sie gemeiniglich gantz unerträgliche Köpffe bekommen, und
meynen, ob hätten sie allen Witz längst aus disputirt, ausgegrübelt,
und wie man sagt, in denen Kinder-Schuhen vertreten.

Jener alte Heyde spricht in seiner heydnischen Theologie,
wann er den einen Fuß schon im Grabe hätte, wolle er doch noch
lernen, weil er lebe. Aber der meiste Theil unserer heutigen Theo-
logorum
meynen, daß, sobald sie nur die Cantzel einmahl bestie-
gen, sich weiter niemand unterstehen dörffte, auch die Obrigkeit sel-
ber nicht ihnen Lection zu geben, gleich als ob GOttes Wort, und
dessen Geheimnisse, eine Sache wären, die man bloß und allein in
denen Auditoriis Academicis begriffe.

Man besehe die Historie der ersten Kirche, so wird man klärlich
finden, was ich sage. Denn so lange GOtt die damaligen Lehrer
unter der Ruthe und in der Creutz-Schule, in dem Märtyrer-
Stande unter der Tyranney, Verfolgung, und dem Blut-Ver-
giessen gehalten, ey da seynd sie einig in heiliger Einfalt, inbrün-
stig in der Liebe, ja gleichsam im Stande der Unschuld verblieben,
und haben GOtt in Einigkeit des Geistes, in gesamter Christli-
chen Vertraulichkeit angeruffen und gedienet. Sobald sie aber von
Gefahr und Verfolgung befreyet gewesen hat sie gleich der Ehr-
Kützel gestochen, der Eigendünckel eingenommen, also, daß sie wie
andere GOttes- und der Kirche-vergessene Leute sich unter sich
selbst, und zugleich die Christliche Kirche verwirret, beneidet und
getrennet. Ja um eines jeden dunckeln, oder streitigen Puncts willen

hat

Leute, ja die gantze unſchuldige Chriſtenheit, durch ihre zanck-
ſichtige Hartnaͤckigkeit verwirret und zerſtoͤhret werden; ja gantz
und gar daruͤber zu truͤmmern, zu Grunde und zu Boden gehen.

Sonderlich haͤnget dieſe Thorheit, nechſt denen Schulmei-
ſtern, denen geiſtlichen Herren gar ſehr an, und das um keiner
andern Urſache willen, als weil dieſe Leute, die eine groͤſſere Facul-
tæt
vor ſich haben, am laͤngſten in der Schule bleiben muͤſſen, da-
her ſie gemeiniglich gantz unertraͤgliche Koͤpffe bekommen, und
meynen, ob haͤtten ſie allen Witz laͤngſt aus diſputirt, ausgegruͤbelt,
und wie man ſagt, in denen Kinder-Schuhen vertreten.

Jener alte Heyde ſpricht in ſeiner heydniſchen Theologie,
wann er den einen Fuß ſchon im Grabe haͤtte, wolle er doch noch
lernen, weil er lebe. Aber der meiſte Theil unſerer heutigen Theo-
logorum
meynen, daß, ſobald ſie nur die Cantzel einmahl beſtie-
gen, ſich weiter niemand unterſtehen doͤrffte, auch die Obrigkeit ſel-
ber nicht ihnen Lection zu geben, gleich als ob GOttes Wort, und
deſſen Geheimniſſe, eine Sache waͤren, die man bloß und allein in
denen Auditoriis Academicis begriffe.

Man beſehe die Hiſtorie der erſten Kirche, ſo wird man klaͤrlich
finden, was ich ſage. Denn ſo lange GOtt die damaligen Lehrer
unter der Ruthe und in der Creutz-Schule, in dem Maͤrtyrer-
Stande unter der Tyranney, Verfolgung, und dem Blut-Ver-
gieſſen gehalten, ey da ſeynd ſie einig in heiliger Einfalt, inbruͤn-
ſtig in der Liebe, ja gleichſam im Stande der Unſchuld verblieben,
und haben GOtt in Einigkeit des Geiſtes, in geſamter Chriſtli-
chen Vertraulichkeit angeruffen und gedienet. Sobald ſie aber von
Gefahr und Verfolgung befreyet geweſen hat ſie gleich der Ehr-
Kuͤtzel geſtochen, der Eigenduͤnckel eingenommen, alſo, daß ſie wie
andere GOttes- und der Kirche-vergeſſene Leute ſich unter ſich
ſelbſt, und zugleich die Chriſtliche Kirche verwirret, beneidet und
getrennet. Ja um eines jeden dunckeln, oder ſtreitigen Puncts willen

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[20/0064] Leute, ja die gantze unſchuldige Chriſtenheit, durch ihre zanck- ſichtige Hartnaͤckigkeit verwirret und zerſtoͤhret werden; ja gantz und gar daruͤber zu truͤmmern, zu Grunde und zu Boden gehen. Sonderlich haͤnget dieſe Thorheit, nechſt denen Schulmei- ſtern, denen geiſtlichen Herren gar ſehr an, und das um keiner andern Urſache willen, als weil dieſe Leute, die eine groͤſſere Facul- tæt vor ſich haben, am laͤngſten in der Schule bleiben muͤſſen, da- her ſie gemeiniglich gantz unertraͤgliche Koͤpffe bekommen, und meynen, ob haͤtten ſie allen Witz laͤngſt aus diſputirt, ausgegruͤbelt, und wie man ſagt, in denen Kinder-Schuhen vertreten. Jener alte Heyde ſpricht in ſeiner heydniſchen Theologie, wann er den einen Fuß ſchon im Grabe haͤtte, wolle er doch noch lernen, weil er lebe. Aber der meiſte Theil unſerer heutigen Theo- logorum meynen, daß, ſobald ſie nur die Cantzel einmahl beſtie- gen, ſich weiter niemand unterſtehen doͤrffte, auch die Obrigkeit ſel- ber nicht ihnen Lection zu geben, gleich als ob GOttes Wort, und deſſen Geheimniſſe, eine Sache waͤren, die man bloß und allein in denen Auditoriis Academicis begriffe. Man beſehe die Hiſtorie der erſten Kirche, ſo wird man klaͤrlich finden, was ich ſage. Denn ſo lange GOtt die damaligen Lehrer unter der Ruthe und in der Creutz-Schule, in dem Maͤrtyrer- Stande unter der Tyranney, Verfolgung, und dem Blut-Ver- gieſſen gehalten, ey da ſeynd ſie einig in heiliger Einfalt, inbruͤn- ſtig in der Liebe, ja gleichſam im Stande der Unſchuld verblieben, und haben GOtt in Einigkeit des Geiſtes, in geſamter Chriſtli- chen Vertraulichkeit angeruffen und gedienet. Sobald ſie aber von Gefahr und Verfolgung befreyet geweſen hat ſie gleich der Ehr- Kuͤtzel geſtochen, der Eigenduͤnckel eingenommen, alſo, daß ſie wie andere GOttes- und der Kirche-vergeſſene Leute ſich unter ſich ſelbſt, und zugleich die Chriſtliche Kirche verwirret, beneidet und getrennet. Ja um eines jeden dunckeln, oder ſtreitigen Puncts willen hat

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/64>, abgerufen am 27.11.2024.