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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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"Dieses seynd diejenigen Witz-Besteller, von denen Marcus Spelta in sei-
"ner klugen Narrheit sagt, daß sie sich einig und allein verderben in der Sophi-
"sterey,
und solchen philosophischen, flüchtigen, wetterwendischen und Kin-
"dischen Quaestionen und Fragen, die nichts gelten und nichts bedeuten. Es
"gehen demnach die Sachen leider übel von statten, wann die Republic von
"solchen Philosophastern gouvernirt und verwaltet wird, die anders nichts
"haben als ihre Sophistereyen, Fantastereyen, Mucken und Windmache-
"reyen.

"Mit denen kommen fast überein diejenigen Philosophi des ersten Ge-
"schlechts, welche Laurentius Grimalius de opt. Senat. lib. 1. p. 76. oder Liberius
"a Bodenstein in Jurisprud. Polit. lib. 1. c.
23. (indem sie nur der Titel unter-
"scheidet) vor untüchtig zum Regiment hält, als die den rechten Grund der
"Philosophie noch nicht geschmeckt, noch durch derselben Gesetz und Lehr-Re-
"geln die bösen Begierden, und den Laster-Durst in ihnen selbst gelöschet, wes-
"wegen sie auch der Tugend und Philosophie gantz ungemäß leben, als welche
"noch nicht in ihnen eingewurtzelt ist, anderergestalt sie nicht allein gelehrte son-
"dern auch fromme Leute aus ihnen gemachet hätte.

"Dahero ist Johann Gebhard, in seinen Fürstlichen Tisch-Reden öffters
"mit etlichen vornehmen Fürsten nicht wohl zu frieden, daß sie ihre Kinder schlim-
"men Pedanten und Schul-Hasen, welche ausserhalb der Schul-Fuchserey,
"an Sitten, Geberden uud allem ihrem Thun und Lassen die gröbsten Bengel
"seynd, anvertrauen, die davor halten, wann ihre Discipel in sieben oder acht
"Jahren die Lateinische und Griechische Grammatic, perfecte, ad unguem, an
"einem Schnürlein, mit allen Regeln, und Anomalis Figuris, von Wort zu
"Wort daher sprechen und plaudern können, auch etwas aus dem Cicerone
"und Virgilio zu sagen wissen, daß sie es gewaltig wohl getroffen haben, eben
"als wann Lateinisch oder Griechisch reden das Beste an einem Fürsten wäre.

"Das seynd die Haus-Katzen, Hummeln, Stuben-Hüter und Narren,
"von denen vorbesagter Marcus Spelta ein besonders Capitel schreibet, und
"zwar lib. 2. c. 4. der kugen Warheit, die sich vor Correctores auswerffen,
"und doch Corruptores seynd, auch meistentheils schnatternde Gänse, und
"wollen mit denen Schwanen in einer Reyhe lauffen. Zu gewissen Zeiten kauf-
"fen sie ihren Discipuln Küchlein, Flädlein und Pastetlein, schmaussen auch
"wohl mit ihnen, und lassen GOtt einen guten Mann seyn.

Die-

„Dieſes ſeynd diejenigen Witz-Beſteller, von denen Marcus Spelta in ſei-
„ner klugen Narrheit ſagt, daß ſie ſich einig und allein verderben in der Sophi-
„ſterey,
und ſolchen philoſophiſchen, fluͤchtigen, wetterwendiſchen und Kin-
„diſchen Quæſtionen und Fragen, die nichts gelten und nichts bedeuten. Es
„gehen demnach die Sachen leider uͤbel von ſtatten, wann die Republic von
„ſolchen Philoſophaſtern gouvernirt und verwaltet wird, die anders nichts
„haben als ihre Sophiſtereyen, Fantaſtereyen, Mucken und Windmache-
„reyen.

„Mit denen kommen faſt uͤberein diejenigen Philoſophi des erſten Ge-
„ſchlechts, welche Laurentius Grimalius de opt. Senat. lib. 1. p. 76. oder Liberius
„à Bodenſtein in Jurisprud. Polit. lib. 1. c.
23. (indem ſie nur der Titel unter-
„ſcheidet) vor untuͤchtig zum Regiment haͤlt, als die den rechten Grund der
Philoſophie noch nicht geſchmeckt, noch durch derſelben Geſetz und Lehr-Re-
„geln die boͤſen Begierden, und den Laſter-Durſt in ihnen ſelbſt geloͤſchet, wes-
„wegen ſie auch der Tugend und Philoſophie gantz ungemaͤß leben, als welche
„noch nicht in ihnen eingewurtzelt iſt, anderergeſtalt ſie nicht allein gelehrte ſon-
„dern auch fromme Leute aus ihnen gemachet haͤtte.

„Dahero iſt Johann Gebhard, in ſeinen Fuͤrſtlichen Tiſch-Reden oͤffters
„mit etlichen vornehmen Fuͤrſten nicht wohl zu frieden, daß ſie ihre Kinder ſchlim-
„men Pedanten und Schul-Haſen, welche auſſerhalb der Schul-Fuchſerey,
„an Sitten, Geberden uud allem ihrem Thun und Laſſen die groͤbſten Bengel
„ſeynd, anvertrauen, die davor halten, wann ihre Diſcipel in ſieben oder acht
„Jahren die Lateiniſche und Griechiſche Grammatic, perfectè, ad unguem, an
„einem Schnuͤrlein, mit allen Regeln, und Anomalis Figuris, von Wort zu
„Wort daher ſprechen und plaudern koͤnnen, auch etwas aus dem Cicerone
„und Virgilio zu ſagen wiſſen, daß ſie es gewaltig wohl getroffen haben, eben
„als wann Lateiniſch oder Griechiſch reden das Beſte an einem Fuͤrſten waͤre.

„Das ſeynd die Haus-Katzen, Hummeln, Stuben-Huͤter und Narren,
„von denen vorbeſagter Marcus Spelta ein beſonders Capitel ſchreibet, und
„zwar lib. 2. c. 4. der kugen Warheit, die ſich vor Correctores auswerffen,
„und doch Corruptores ſeynd, auch meiſtentheils ſchnatternde Gaͤnſe, und
„wollen mit denen Schwanen in einer Reyhe lauffen. Zu gewiſſen Zeiten kauf-
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„wohl mit ihnen, und laſſen GOtt einen guten Mann ſeyn.

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[32/0076] „Dieſes ſeynd diejenigen Witz-Beſteller, von denen Marcus Spelta in ſei- „ner klugen Narrheit ſagt, daß ſie ſich einig und allein verderben in der Sophi- „ſterey, und ſolchen philoſophiſchen, fluͤchtigen, wetterwendiſchen und Kin- „diſchen Quæſtionen und Fragen, die nichts gelten und nichts bedeuten. Es „gehen demnach die Sachen leider uͤbel von ſtatten, wann die Republic von „ſolchen Philoſophaſtern gouvernirt und verwaltet wird, die anders nichts „haben als ihre Sophiſtereyen, Fantaſtereyen, Mucken und Windmache- „reyen. „Mit denen kommen faſt uͤberein diejenigen Philoſophi des erſten Ge- „ſchlechts, welche Laurentius Grimalius de opt. Senat. lib. 1. p. 76. oder Liberius „à Bodenſtein in Jurisprud. Polit. lib. 1. c. 23. (indem ſie nur der Titel unter- „ſcheidet) vor untuͤchtig zum Regiment haͤlt, als die den rechten Grund der „Philoſophie noch nicht geſchmeckt, noch durch derſelben Geſetz und Lehr-Re- „geln die boͤſen Begierden, und den Laſter-Durſt in ihnen ſelbſt geloͤſchet, wes- „wegen ſie auch der Tugend und Philoſophie gantz ungemaͤß leben, als welche „noch nicht in ihnen eingewurtzelt iſt, anderergeſtalt ſie nicht allein gelehrte ſon- „dern auch fromme Leute aus ihnen gemachet haͤtte. „Dahero iſt Johann Gebhard, in ſeinen Fuͤrſtlichen Tiſch-Reden oͤffters „mit etlichen vornehmen Fuͤrſten nicht wohl zu frieden, daß ſie ihre Kinder ſchlim- „men Pedanten und Schul-Haſen, welche auſſerhalb der Schul-Fuchſerey, „an Sitten, Geberden uud allem ihrem Thun und Laſſen die groͤbſten Bengel „ſeynd, anvertrauen, die davor halten, wann ihre Diſcipel in ſieben oder acht „Jahren die Lateiniſche und Griechiſche Grammatic, perfectè, ad unguem, an „einem Schnuͤrlein, mit allen Regeln, und Anomalis Figuris, von Wort zu „Wort daher ſprechen und plaudern koͤnnen, auch etwas aus dem Cicerone „und Virgilio zu ſagen wiſſen, daß ſie es gewaltig wohl getroffen haben, eben „als wann Lateiniſch oder Griechiſch reden das Beſte an einem Fuͤrſten waͤre. „Das ſeynd die Haus-Katzen, Hummeln, Stuben-Huͤter und Narren, „von denen vorbeſagter Marcus Spelta ein beſonders Capitel ſchreibet, und „zwar lib. 2. c. 4. der kugen Warheit, die ſich vor Correctores auswerffen, „und doch Corruptores ſeynd, auch meiſtentheils ſchnatternde Gaͤnſe, und „wollen mit denen Schwanen in einer Reyhe lauffen. Zu gewiſſen Zeiten kauf- „fen ſie ihren Diſcipuln Kuͤchlein, Flaͤdlein und Paſtetlein, ſchmauſſen auch „wohl mit ihnen, und laſſen GOtt einen guten Mann ſeyn. Die-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/76>, abgerufen am 28.11.2024.