[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802herrschende Liebe zur Wahrheit aber, verbunden herrſchende Liebe zur Wahrheit aber, verbunden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0204" n="186"/> herrſchende Liebe zur Wahrheit aber, verbunden<lb/> mit einem in den meiſten Faͤllen gluͤcklich und<lb/> richtig beobachtenden Scharfſinn, ſtellte ihn oft<lb/> der Gefahr bloß, jetzt in ſeinem Urtheil uͤber<lb/> Menſchen, jetzt in der Art ſie zu behandeln, Un-<lb/> gerechtigkeiten zu begehen, die er ſich aber immer<lb/> ſelbſt am ſchwerſten verzieh. Die Ueberzeugung<lb/> von ſeiner Schuld, — und dafuͤr machte ihn ſeine<lb/> Guthmuͤthigkeit leicht empfaͤnglich, — ließ ihn<lb/> nie ohne tiefe Ruͤhrung und gab ihm den Muth,<lb/> ſeinen Irrthum freimuͤthig zu bekennen. Er hatte<lb/> in Schulen wenig gelernt; ſeine Einſichten waren<lb/> das Erzeugniß ſeiner eigenen Geiſtesthaͤtigkeit.<lb/> Dieſe und ſein richtiges Gefuͤhl begruͤndete in<lb/> ihm ſeine unbedingte Achtung fuͤr Wahrheit und<lb/> Gerechtigkeit; ſie zeichnete ihm den Maaßſtab ſei-<lb/> ner Handlungsweiſe und ſeiner Pflichterfuͤllung<lb/> vor. Entruͤckte ihm denſelben auch bisweilen Nei-<lb/> gung und Leidenſchaft, ſo war er doch rechtſchaf-<lb/> fen genug, es ſeinen Freunden, vor allem aber<lb/> ſich ſelbſt zu geſtehen. Er haͤtte ſich in ſeiner ei-<lb/> genen Werthſchaͤtzung in dem Verhaͤltniß fuͤr<lb/> ſchlechter gehalten, in dem er ſich auf dem Willen<lb/> ertappt haͤtte, beſſer zu ſcheinen als er war.<lb/> Menſchen, denen entweder die Mittel, oder die<lb/> Kraft, oder der Witz zu genießen fehlte, glaubten<lb/> ſich berechtigt, ihn wegen ſeines oft verrathenen<lb/> Hanges zum Genuſſe geringer ſchaͤtzen zu duͤrfen;<lb/> aber ſie bedachten nicht, daß alle Aeußerungen<lb/> des Menſchen nichts weiter ſind, als der Wieder-<lb/> ſchein <hi rendition="#g">ſeiner Welt</hi>, die er ſich in ſeinem Inner-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [186/0204]
herrſchende Liebe zur Wahrheit aber, verbunden
mit einem in den meiſten Faͤllen gluͤcklich und
richtig beobachtenden Scharfſinn, ſtellte ihn oft
der Gefahr bloß, jetzt in ſeinem Urtheil uͤber
Menſchen, jetzt in der Art ſie zu behandeln, Un-
gerechtigkeiten zu begehen, die er ſich aber immer
ſelbſt am ſchwerſten verzieh. Die Ueberzeugung
von ſeiner Schuld, — und dafuͤr machte ihn ſeine
Guthmuͤthigkeit leicht empfaͤnglich, — ließ ihn
nie ohne tiefe Ruͤhrung und gab ihm den Muth,
ſeinen Irrthum freimuͤthig zu bekennen. Er hatte
in Schulen wenig gelernt; ſeine Einſichten waren
das Erzeugniß ſeiner eigenen Geiſtesthaͤtigkeit.
Dieſe und ſein richtiges Gefuͤhl begruͤndete in
ihm ſeine unbedingte Achtung fuͤr Wahrheit und
Gerechtigkeit; ſie zeichnete ihm den Maaßſtab ſei-
ner Handlungsweiſe und ſeiner Pflichterfuͤllung
vor. Entruͤckte ihm denſelben auch bisweilen Nei-
gung und Leidenſchaft, ſo war er doch rechtſchaf-
fen genug, es ſeinen Freunden, vor allem aber
ſich ſelbſt zu geſtehen. Er haͤtte ſich in ſeiner ei-
genen Werthſchaͤtzung in dem Verhaͤltniß fuͤr
ſchlechter gehalten, in dem er ſich auf dem Willen
ertappt haͤtte, beſſer zu ſcheinen als er war.
Menſchen, denen entweder die Mittel, oder die
Kraft, oder der Witz zu genießen fehlte, glaubten
ſich berechtigt, ihn wegen ſeines oft verrathenen
Hanges zum Genuſſe geringer ſchaͤtzen zu duͤrfen;
aber ſie bedachten nicht, daß alle Aeußerungen
des Menſchen nichts weiter ſind, als der Wieder-
ſchein ſeiner Welt, die er ſich in ſeinem Inner-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |