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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802

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heranreifte. Es mußte sich unter denselben eine
gewisse Strenge in seinem Charakter festsetzen; und
nur durch anhaltenden männlichen Kampf, konnte
er, bey der Stärke seiner Kraft und seines Tem-
peraments, verhindern, daß diese Strenge nie in
unerbittliche Härte ausartete. Achtung und Ei-
fer für das Recht gaben ihm also den Maaßstab
für seine Handlungsweise und seine Pflichten; und
nie war ein Ansehen der Person so mächtig, oder
die Aussicht auf einen Vortheil so reizend, um ihn
seinem Gewissen zu entreißen. Gegen nieman-
den übte er diese strenge Rechtlichkeit mit wenigerer
Schonung aus, als gegen sich selbst; und dies
entschuldigt seine strengen Anforderungen an An-
dere, die ihm bisweilen in seinem Eifer entfuh-
ren. Bei völliger Ruhe seines, durch jedes Un-
recht leicht zu erschütternden Herzens kannte er
aus Schonung und Nachsicht. Dafür bürgen uns
seine eigenen Worte, die durch ihre Kunstlosigkeit
und Nacktheit von allem Anstrich der Kunst und
allem Schmucke der Beredsamkeit, volle Glaub-
würdigkeit fordern. In einer unserer Versamm-
lungen empfahl er uns folgende, durch seine ei-
gene Praxis bewährte sittliche Maßregel. "Je-
"den Abend vor dem Cinschlafen, sprach er, denke
"man sich alle seine Handlungen des vergange-
"nen Tages durch, untersuche alles dabei genau,
"ohne sich im geringsten dabei zu schonen, ob und
"was man für Bewegungsgründe dabei gehabt,
"so und nicht anders zu handeln; welche Veran-
"lassungen dies oder jenes hervorgebracht, ob man

heranreifte. Es mußte ſich unter denſelben eine
gewiſſe Strenge in ſeinem Charakter feſtſetzen; und
nur durch anhaltenden maͤnnlichen Kampf, konnte
er, bey der Staͤrke ſeiner Kraft und ſeines Tem-
peraments, verhindern, daß dieſe Strenge nie in
unerbittliche Haͤrte ausartete. Achtung und Ei-
fer fuͤr das Recht gaben ihm alſo den Maaßſtab
fuͤr ſeine Handlungsweiſe und ſeine Pflichten; und
nie war ein Anſehen der Perſon ſo maͤchtig, oder
die Ausſicht auf einen Vortheil ſo reizend, um ihn
ſeinem Gewiſſen zu entreißen. Gegen nieman-
den uͤbte er dieſe ſtrenge Rechtlichkeit mit wenigerer
Schonung aus, als gegen ſich ſelbſt; und dies
entſchuldigt ſeine ſtrengen Anforderungen an An-
dere, die ihm bisweilen in ſeinem Eifer entfuh-
ren. Bei voͤlliger Ruhe ſeines, durch jedes Un-
recht leicht zu erſchuͤtternden Herzens kannte er
aus Schonung und Nachſicht. Dafuͤr buͤrgen uns
ſeine eigenen Worte, die durch ihre Kunſtloſigkeit
und Nacktheit von allem Anſtrich der Kunſt und
allem Schmucke der Beredſamkeit, volle Glaub-
wuͤrdigkeit fordern. In einer unſerer Verſamm-
lungen empfahl er uns folgende, durch ſeine ei-
gene Praxis bewaͤhrte ſittliche Maßregel. „Je-
„den Abend vor dem Cinſchlafen, ſprach er, denke
„man ſich alle ſeine Handlungen des vergange-
„nen Tages durch, unterſuche alles dabei genau,
„ohne ſich im geringſten dabei zu ſchonen, ob und
„was man fuͤr Bewegungsgruͤnde dabei gehabt,
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[188/0206] heranreifte. Es mußte ſich unter denſelben eine gewiſſe Strenge in ſeinem Charakter feſtſetzen; und nur durch anhaltenden maͤnnlichen Kampf, konnte er, bey der Staͤrke ſeiner Kraft und ſeines Tem- peraments, verhindern, daß dieſe Strenge nie in unerbittliche Haͤrte ausartete. Achtung und Ei- fer fuͤr das Recht gaben ihm alſo den Maaßſtab fuͤr ſeine Handlungsweiſe und ſeine Pflichten; und nie war ein Anſehen der Perſon ſo maͤchtig, oder die Ausſicht auf einen Vortheil ſo reizend, um ihn ſeinem Gewiſſen zu entreißen. Gegen nieman- den uͤbte er dieſe ſtrenge Rechtlichkeit mit wenigerer Schonung aus, als gegen ſich ſelbſt; und dies entſchuldigt ſeine ſtrengen Anforderungen an An- dere, die ihm bisweilen in ſeinem Eifer entfuh- ren. Bei voͤlliger Ruhe ſeines, durch jedes Un- recht leicht zu erſchuͤtternden Herzens kannte er aus Schonung und Nachſicht. Dafuͤr buͤrgen uns ſeine eigenen Worte, die durch ihre Kunſtloſigkeit und Nacktheit von allem Anſtrich der Kunſt und allem Schmucke der Beredſamkeit, volle Glaub- wuͤrdigkeit fordern. In einer unſerer Verſamm- lungen empfahl er uns folgende, durch ſeine ei- gene Praxis bewaͤhrte ſittliche Maßregel. „Je- „den Abend vor dem Cinſchlafen, ſprach er, denke „man ſich alle ſeine Handlungen des vergange- „nen Tages durch, unterſuche alles dabei genau, „ohne ſich im geringſten dabei zu ſchonen, ob und „was man fuͤr Bewegungsgruͤnde dabei gehabt, „ſo und nicht anders zu handeln; welche Veran- „laſſungen dies oder jenes hervorgebracht, ob man

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/206>, abgerufen am 21.11.2024.