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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802

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es ist unsere Geschichte, es ist unser Grab!
Wir übergeben unser Schicksal, unser Verdienst,
und unsre Schuld, unsere Freude und unsern
Jammer von 365 Tagen der Nachwelt; für uns
schließt die Vergangenheit ihr ehernes Thor, un-
sere Rechnung der Ehre und der Schande, des
Verdienstes und der Schuld, des Glücks und des
Unglücks, für einen langen Zeitraum, ist in dem
Buche des Ewigen geschlossen, und wir sind (nichts
ist gewisser) um ein Jahr dem Tode und dem
gänzlichen Abschlusse unserer irdischen Rechnung
näher gerückt.

So stehen wir denn hier auf dem ernsten
Standpunkte zwischen Vergangenheit und Zukunft.
So fesselt das tiefe Grab unsern Blick, das bald
verschüttet wird, um dicht neben dem aufgeworfe-
nen Hügel ein neues zu beginnen, das täglich
tiefer wird. -- Ist es stolze Freude, oder stra-
fende Reue, was unsre Brust erfüllt?

Reue ermattet. -- Wer unter der Verschul-
dung nicht auch seine Kraft verlohr, wer da weiß,
wie der über Vergehungen trauernde Genius der
Menschheit zu versöhnen ist, der hebt, im Ver-
trauen auf seine zwar verletzte, aber unverlorne
Würde, die Augen männlich empor, und ver-
schmäht die Reue, die das Herz erschlafft und die
Arme zur That lähmt.

Mit feyerlichem Ernst auf der Stirn, mit frei
erhobnem Auge, das Gefühl der Thatkraft in sei-
ner Brust, steht der M. an seinem immer offnen
Grabe; er fragt, was er verloren, was er zu

es iſt unſere Geſchichte, es iſt unſer Grab!
Wir uͤbergeben unſer Schickſal, unſer Verdienſt,
und unſre Schuld, unſere Freude und unſern
Jammer von 365 Tagen der Nachwelt; fuͤr uns
ſchließt die Vergangenheit ihr ehernes Thor, un-
ſere Rechnung der Ehre und der Schande, des
Verdienſtes und der Schuld, des Gluͤcks und des
Ungluͤcks, fuͤr einen langen Zeitraum, iſt in dem
Buche des Ewigen geſchloſſen, und wir ſind (nichts
iſt gewiſſer) um ein Jahr dem Tode und dem
gaͤnzlichen Abſchluſſe unſerer irdiſchen Rechnung
naͤher geruͤckt.

So ſtehen wir denn hier auf dem ernſten
Standpunkte zwiſchen Vergangenheit und Zukunft.
So feſſelt das tiefe Grab unſern Blick, das bald
verſchuͤttet wird, um dicht neben dem aufgeworfe-
nen Huͤgel ein neues zu beginnen, das taͤglich
tiefer wird. — Iſt es ſtolze Freude, oder ſtra-
fende Reue, was unſre Bruſt erfuͤllt?

Reue ermattet. — Wer unter der Verſchul-
dung nicht auch ſeine Kraft verlohr, wer da weiß,
wie der uͤber Vergehungen trauernde Genius der
Menſchheit zu verſoͤhnen iſt, der hebt, im Ver-
trauen auf ſeine zwar verletzte, aber unverlorne
Wuͤrde, die Augen maͤnnlich empor, und ver-
ſchmaͤht die Reue, die das Herz erſchlafft und die
Arme zur That laͤhmt.

Mit feyerlichem Ernſt auf der Stirn, mit frei
erhobnem Auge, das Gefuͤhl der Thatkraft in ſei-
ner Bruſt, ſteht der M. an ſeinem immer offnen
Grabe; er fragt, was er verloren, was er zu

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[222/0240] es iſt unſere Geſchichte, es iſt unſer Grab! Wir uͤbergeben unſer Schickſal, unſer Verdienſt, und unſre Schuld, unſere Freude und unſern Jammer von 365 Tagen der Nachwelt; fuͤr uns ſchließt die Vergangenheit ihr ehernes Thor, un- ſere Rechnung der Ehre und der Schande, des Verdienſtes und der Schuld, des Gluͤcks und des Ungluͤcks, fuͤr einen langen Zeitraum, iſt in dem Buche des Ewigen geſchloſſen, und wir ſind (nichts iſt gewiſſer) um ein Jahr dem Tode und dem gaͤnzlichen Abſchluſſe unſerer irdiſchen Rechnung naͤher geruͤckt. So ſtehen wir denn hier auf dem ernſten Standpunkte zwiſchen Vergangenheit und Zukunft. So feſſelt das tiefe Grab unſern Blick, das bald verſchuͤttet wird, um dicht neben dem aufgeworfe- nen Huͤgel ein neues zu beginnen, das taͤglich tiefer wird. — Iſt es ſtolze Freude, oder ſtra- fende Reue, was unſre Bruſt erfuͤllt? Reue ermattet. — Wer unter der Verſchul- dung nicht auch ſeine Kraft verlohr, wer da weiß, wie der uͤber Vergehungen trauernde Genius der Menſchheit zu verſoͤhnen iſt, der hebt, im Ver- trauen auf ſeine zwar verletzte, aber unverlorne Wuͤrde, die Augen maͤnnlich empor, und ver- ſchmaͤht die Reue, die das Herz erſchlafft und die Arme zur That laͤhmt. Mit feyerlichem Ernſt auf der Stirn, mit frei erhobnem Auge, das Gefuͤhl der Thatkraft in ſei- ner Bruſt, ſteht der M. an ſeinem immer offnen Grabe; er fragt, was er verloren, was er zu

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/240>, abgerufen am 21.11.2024.