ner Heimath. -- Und dies alles ist gut, jeder thut daran seine Schuldigkeit, das Gegentheil würde nicht nur alle Vortheile der Gesellschaft aufheben, sondern auch dem Einzelnen, wie dem Ganzen, verderblich seyn.
Aber daraus entsteht bei allen noth- wendig eine gewisse Halbheit und Einseitigkeit, welche, zwar nicht nothwendig, aber doch gewöhnlich in Pedanterei übergeht. -- Pedanterei, die man gewöhnlich (vielleicht weil sie hier sichtbarer, vielleicht weil man hier intoleranter ist) nur dem gelehrten Stande beimißt, herrscht in allen Stän- den und ihr Grundprinzip ist allenthalben dasselbe, nehmlich folgendes: die seinem besonderen Stande eigenthümliche Bildung für gemein menschliche Bildung zu halten und dahin zu streben, daß sie es wirklich werde. So achtet der pedantische Gelehrte nur Wissenschaft und setzt allen andern Werth herab; seine Vorträge und Gespräche in gemischten Gesellschaften gehen darauf hinaus, seinen Zuhörern einige Partikel seiner Gelehrsam- keit beizubringen und sie nach seiner Präcision im Denken lüstern zu machen. Der pedantische Kauf- mann verachtet dagegen den Gelehrten und ruft: Nur Rechnen und Geld! Geld ist die Losung des vernünftigen und glücklichen Lebens. Der Krieger verachtet beide, preißt allein körperliche Stärke und Gewandtheit, kriegerischen Muth und Be- hauptung der Ehre nach seinem Begriffe, und hätte nicht übel Lust, einen jeden, der das Maaß
ner Heimath. — Und dies alles iſt gut, jeder thut daran ſeine Schuldigkeit, das Gegentheil wuͤrde nicht nur alle Vortheile der Geſellſchaft aufheben, ſondern auch dem Einzelnen, wie dem Ganzen, verderblich ſeyn.
Aber daraus entſteht bei allen noth- wendig eine gewiſſe Halbheit und Einſeitigkeit, welche, zwar nicht nothwendig, aber doch gewoͤhnlich in Pedanterei uͤbergeht. — Pedanterei, die man gewoͤhnlich (vielleicht weil ſie hier ſichtbarer, vielleicht weil man hier intoleranter iſt) nur dem gelehrten Stande beimißt, herrſcht in allen Staͤn- den und ihr Grundprinzip iſt allenthalben daſſelbe, nehmlich folgendes: die ſeinem beſonderen Stande eigenthuͤmliche Bildung fuͤr gemein menſchliche Bildung zu halten und dahin zu ſtreben, daß ſie es wirklich werde. So achtet der pedantiſche Gelehrte nur Wiſſenſchaft und ſetzt allen andern Werth herab; ſeine Vortraͤge und Geſpraͤche in gemiſchten Geſellſchaften gehen darauf hinaus, ſeinen Zuhoͤrern einige Partikel ſeiner Gelehrſam- keit beizubringen und ſie nach ſeiner Praͤciſion im Denken luͤſtern zu machen. Der pedantiſche Kauf- mann verachtet dagegen den Gelehrten und ruft: Nur Rechnen und Geld! Geld iſt die Loſung des vernuͤnftigen und gluͤcklichen Lebens. Der Krieger verachtet beide, preißt allein koͤrperliche Staͤrke und Gewandtheit, kriegeriſchen Muth und Be- hauptung der Ehre nach ſeinem Begriffe, und haͤtte nicht uͤbel Luſt, einen jeden, der das Maaß
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ner Heimath. — Und dies alles iſt gut, jeder
thut daran ſeine Schuldigkeit, das Gegentheil
wuͤrde nicht nur alle Vortheile der Geſellſchaft
aufheben, ſondern auch dem Einzelnen, wie dem
Ganzen, verderblich ſeyn.
Aber daraus entſteht bei allen noth-
wendig eine gewiſſe Halbheit und
Einſeitigkeit, welche, zwar nicht
nothwendig, aber doch gewoͤhnlich in
Pedanterei uͤbergeht. — Pedanterei, die
man gewoͤhnlich (vielleicht weil ſie hier ſichtbarer,
vielleicht weil man hier intoleranter iſt) nur dem
gelehrten Stande beimißt, herrſcht in allen Staͤn-
den und ihr Grundprinzip iſt allenthalben daſſelbe,
nehmlich folgendes: die ſeinem beſonderen Stande
eigenthuͤmliche Bildung fuͤr gemein menſchliche
Bildung zu halten und dahin zu ſtreben, daß ſie
es wirklich werde. So achtet der pedantiſche
Gelehrte nur Wiſſenſchaft und ſetzt allen andern
Werth herab; ſeine Vortraͤge und Geſpraͤche in
gemiſchten Geſellſchaften gehen darauf hinaus,
ſeinen Zuhoͤrern einige Partikel ſeiner Gelehrſam-
keit beizubringen und ſie nach ſeiner Praͤciſion im
Denken luͤſtern zu machen. Der pedantiſche Kauf-
mann verachtet dagegen den Gelehrten und ruft:
Nur Rechnen und Geld! Geld iſt die Loſung des
vernuͤnftigen und gluͤcklichen Lebens. Der Krieger
verachtet beide, preißt allein koͤrperliche Staͤrke
und Gewandtheit, kriegeriſchen Muth und Be-
hauptung der Ehre nach ſeinem Begriffe, und
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/44>, abgerufen am 16.07.2024.
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