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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803.

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Privatstudio im Archive, das täglich offen ist, feh-
len sollte. Das, was wir aber maurerische
Arbeit
nennen, sind unsere feierlichsten Stunden.
Die L. wird geöffnet, wir sind alle mit der größ-
ten Ehrerbietung und Spannung versammlet. Nach
Anleitung irgend eines Vortrags unsers Meisters
v. St. oder irgend eines andern unterrichteten Br.
wird ein Hauptpunkt der maurerischen Lehre, nach
dem andern abgehandelt; hier entwickeln wir uns
das, was wir maurerischen Geist oder Gesinnung
oder Ansicht nennen, wenden es auf das Leben,
das Recht, die Religion, die Natur, auf unsere
Verhältnisse, auf Wissenschaft und Kunst an, und
betrachten es in allen Beziehungen. Jeder spricht
in reiner Offenheit das aus, was er sich über den
Gegenstand denkt, nicht in gesuchten oder zierlichen
Worten, sondern ganz natürlich; wer seine Gedan-
ken wohl ordnen kann, thut es, ohne es seinem
Nachbar zu verargen, wenn er es nicht kann, oder
von diesem etwa wegen seiner zufälligen Fertigkeit
beneidet zu werden. Wir berichtigen dort, oder
vervollständigen unsere Ideen, und machen sie uns
gegenseitig klar. Es ist dabei auf keine Erregung
eines flüchtigen Gefühls, oder auf Prunk der Worte
angesehen; aber wir gehen aus keiner dieser Ver-
sammlungen, ohne besser und weiser geworden zu
seyn, ohne an Bestimmtheit der Ansicht der Welt
und der Dinge genommen zu haben, und ohne
einen tieferen Blick in das Wesen der Maurerei
gewonnen zu haben. Denn Maurerei ist es,
eigentliche, wesentliche Maurerei, nicht Gelehrsam-

Privatſtudio im Archive, das taͤglich offen iſt, feh-
len ſollte. Das, was wir aber maureriſche
Arbeit
nennen, ſind unſere feierlichſten Stunden.
Die L. wird geoͤffnet, wir ſind alle mit der groͤß-
ten Ehrerbietung und Spannung verſammlet. Nach
Anleitung irgend eines Vortrags unſers Meiſters
v. St. oder irgend eines andern unterrichteten Br.
wird ein Hauptpunkt der maureriſchen Lehre, nach
dem andern abgehandelt; hier entwickeln wir uns
das, was wir maureriſchen Geiſt oder Geſinnung
oder Anſicht nennen, wenden es auf das Leben,
das Recht, die Religion, die Natur, auf unſere
Verhaͤltniſſe, auf Wiſſenſchaft und Kunſt an, und
betrachten es in allen Beziehungen. Jeder ſpricht
in reiner Offenheit das aus, was er ſich uͤber den
Gegenſtand denkt, nicht in geſuchten oder zierlichen
Worten, ſondern ganz natuͤrlich; wer ſeine Gedan-
ken wohl ordnen kann, thut es, ohne es ſeinem
Nachbar zu verargen, wenn er es nicht kann, oder
von dieſem etwa wegen ſeiner zufaͤlligen Fertigkeit
beneidet zu werden. Wir berichtigen dort, oder
vervollſtaͤndigen unſere Ideen, und machen ſie uns
gegenſeitig klar. Es iſt dabei auf keine Erregung
eines fluͤchtigen Gefuͤhls, oder auf Prunk der Worte
angeſehen; aber wir gehen aus keiner dieſer Ver-
ſammlungen, ohne beſſer und weiſer geworden zu
ſeyn, ohne an Beſtimmtheit der Anſicht der Welt
und der Dinge genommen zu haben, und ohne
einen tieferen Blick in das Weſen der Maurerei
gewonnen zu haben. Denn Maurerei iſt es,
eigentliche, weſentliche Maurerei, nicht Gelehrſam-

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[249/0271] Privatſtudio im Archive, das taͤglich offen iſt, feh- len ſollte. Das, was wir aber maureriſche Arbeit nennen, ſind unſere feierlichſten Stunden. Die L. wird geoͤffnet, wir ſind alle mit der groͤß- ten Ehrerbietung und Spannung verſammlet. Nach Anleitung irgend eines Vortrags unſers Meiſters v. St. oder irgend eines andern unterrichteten Br. wird ein Hauptpunkt der maureriſchen Lehre, nach dem andern abgehandelt; hier entwickeln wir uns das, was wir maureriſchen Geiſt oder Geſinnung oder Anſicht nennen, wenden es auf das Leben, das Recht, die Religion, die Natur, auf unſere Verhaͤltniſſe, auf Wiſſenſchaft und Kunſt an, und betrachten es in allen Beziehungen. Jeder ſpricht in reiner Offenheit das aus, was er ſich uͤber den Gegenſtand denkt, nicht in geſuchten oder zierlichen Worten, ſondern ganz natuͤrlich; wer ſeine Gedan- ken wohl ordnen kann, thut es, ohne es ſeinem Nachbar zu verargen, wenn er es nicht kann, oder von dieſem etwa wegen ſeiner zufaͤlligen Fertigkeit beneidet zu werden. Wir berichtigen dort, oder vervollſtaͤndigen unſere Ideen, und machen ſie uns gegenſeitig klar. Es iſt dabei auf keine Erregung eines fluͤchtigen Gefuͤhls, oder auf Prunk der Worte angeſehen; aber wir gehen aus keiner dieſer Ver- ſammlungen, ohne beſſer und weiſer geworden zu ſeyn, ohne an Beſtimmtheit der Anſicht der Welt und der Dinge genommen zu haben, und ohne einen tieferen Blick in das Weſen der Maurerei gewonnen zu haben. Denn Maurerei iſt es, eigentliche, weſentliche Maurerei, nicht Gelehrſam-

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/271>, abgerufen am 22.11.2024.