lies, wo Du kannst und darfst, was die einfache und erhabene Sache für unverdiente Schicksale erfuhr. -- Aber durch obigen Rath ist nichts gewonnen. Ihn lesen Brüder aller Sekten und Systeme. "Also in meiner L. werd' ichs finden," sagt dieser. "In meiner Loge ists zu suchen," sagt jener: "Nun will ich in meiner L. recht aufmerksam seyn!" sagt der dritte, und so der hun- dertste, und alle hören Etwas, nach Maasgabe der Systeme, und der zeitigen Wortführer Ver- schiedenes. Wer hört nun das Rechte? wer trift wenigstens das Leitende? -- O guter Hell, Du wirst tüchtige und gerechte Systemmänner bilden, Maurer nicht; und nach Dir, wie vor Dir, werden tausende über dem gläubigen Betrachten der Worte der Akten hinsterben, und für einen [ - 1 Zeichen fehlt]ellen Blick in die Mysterien der ehrwürdigen Kunst auf immer verdorben seyn.
Stelle Dir vor, ein Jüngling käme zu Dir, und bäte Dich um Unterricht in der Mythologie, um Aufschluß z. B. über die Fabel des Jupiter. Du reichtest ihm gefällig aus Deiner Bibliothek den Apollodor, oder den Damm, den Ramler, den Moritz oder Irgend einen der Mythographen. "Lies und studiere!" sagst Du. Der Jüngling studirt mit der höchsten Anstrengung. Nach einiger Zeit kommt er zurück, und sagt mit kindlicher Aufrichtigkeit: Ich weiß freilich eine Menge Fabeln vom Jupiter, ich kann sie hersagen, aber ich verstehe sie nicht, es ist darinn keine Einheit, kein Zusammenhang, kein Geist; ich bin an Worten und einigen Ge-
lies, wo Du kannſt und darfſt, was die einfache und erhabene Sache fuͤr unverdiente Schickſale erfuhr. — Aber durch obigen Rath iſt nichts gewonnen. Ihn leſen Bruͤder aller Sekten und Syſteme. „Alſo in meiner L. werd’ ichs finden,“ ſagt dieſer. „In meiner Loge iſts zu ſuchen,“ ſagt jener: „Nun will ich in meiner L. recht aufmerkſam ſeyn!“ ſagt der dritte, und ſo der hun- dertſte, und alle hoͤren Etwas, nach Maasgabe der Syſteme, und der zeitigen Wortfuͤhrer Ver- ſchiedenes. Wer hoͤrt nun das Rechte? wer trift wenigſtens das Leitende? — O guter Hell, Du wirſt tuͤchtige und gerechte Syſtemmaͤnner bilden, Maurer nicht; und nach Dir, wie vor Dir, werden tauſende uͤber dem glaͤubigen Betrachten der Worte der Akten hinſterben, und fuͤr einen [ – 1 Zeichen fehlt]ellen Blick in die Myſterien der ehrwuͤrdigen Kunſt auf immer verdorben ſeyn.
Stelle Dir vor, ein Juͤngling kaͤme zu Dir, und baͤte Dich um Unterricht in der Mythologie, um Aufſchluß z. B. uͤber die Fabel des Jupiter. Du reichteſt ihm gefaͤllig aus Deiner Bibliothek den Apollodor, oder den Damm, den Ramler, den Moritz oder Irgend einen der Mythographen. „Lies und ſtudiere!“ ſagſt Du. Der Juͤngling ſtudirt mit der hoͤchſten Anſtrengung. Nach einiger Zeit kommt er zuruͤck, und ſagt mit kindlicher Aufrichtigkeit: Ich weiß freilich eine Menge Fabeln vom Jupiter, ich kann ſie herſagen, aber ich verſtehe ſie nicht, es iſt darinn keine Einheit, kein Zuſammenhang, kein Geiſt; ich bin an Worten und einigen Ge-
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lies, wo Du kannſt und darfſt, was die einfache
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gewonnen. Ihn leſen Bruͤder aller Sekten und
Syſteme. „Alſo in meiner L. werd’ ichs finden,“
ſagt dieſer. „In meiner Loge iſts zu ſuchen,“
ſagt jener: „Nun will ich in meiner L. recht
aufmerkſam ſeyn!“ ſagt der dritte, und ſo der hun-
dertſte, und alle hoͤren Etwas, nach Maasgabe
der Syſteme, und der zeitigen Wortfuͤhrer Ver-
ſchiedenes. Wer hoͤrt nun das Rechte? wer trift
wenigſtens das Leitende? — O guter Hell, Du
wirſt tuͤchtige und gerechte Syſtemmaͤnner bilden,
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der Worte der Akten hinſterben, und fuͤr einen
_ellen Blick in die Myſterien der ehrwuͤrdigen
Kunſt auf immer verdorben ſeyn.
Stelle Dir vor, ein Juͤngling kaͤme zu Dir,
und baͤte Dich um Unterricht in der Mythologie,
um Aufſchluß z. B. uͤber die Fabel des Jupiter.
Du reichteſt ihm gefaͤllig aus Deiner Bibliothek den
Apollodor, oder den Damm, den Ramler, den Moritz
oder Irgend einen der Mythographen. „Lies und
ſtudiere!“ ſagſt Du. Der Juͤngling ſtudirt mit
der hoͤchſten Anſtrengung. Nach einiger Zeit kommt
er zuruͤck, und ſagt mit kindlicher Aufrichtigkeit:
Ich weiß freilich eine Menge Fabeln vom Jupiter,
ich kann ſie herſagen, aber ich verſtehe ſie nicht,
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/361>, abgerufen am 21.11.2024.
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