und es ist ihnen damit nur zu sehr gelungen. Diese ganz zufällige Form, die nicht reinmenschlich, sondern ein Abzeichen der Menschen ist, soll der vollkommen Gebildete allgemach ablegen; er soll nicht ein Jude seyn, oder ein unbeschnittener Ju- dengenosse, oder ein Römer, oder ein Araber, der da Religion hat, sondern er soll ein Mensch schlechtweg werden, der da Religion hat.
Die religiöse Ansicht in der größeren Gesell- schaft hat dadurch, daß sie von der übrigen mensch- lichen Bildung getrennt, und einer besonderen Ver- bindung, der sichtbaren Kirche, übergeben werden mußte, eine unverkennbare Einseitigkeit erhalten. Dem Manne, der nichts zu thun hat, und nichts weiter thun soll, als andre zur Religiösität anzu- führen, ist die Religion, die er nehmlich an- dern beibringen soll, allerdings Zweck, und einziger Zweck seines Lebens. Er erkennt sie dafür, und hat daran ganz recht. Ohne den reinmensch- lichen Sinn wird er leicht in Versuchung gerathen, alles um sich herum zu seines gleichen machen zu wollen, und allen die Religion -- welches hier nicht bei ihm diejenige bedeutet, die sie andern beibringen, sondern vielmehr diejenige, welche sie selbst haben sollen, -- diese Religion auch zum Zweck und einigem Geschäfte des Lebens zu machen. Er wird leicht dahin gerathen, daß er die ihm Anvertrauten ermahne, sich doch hinzu- setzen, recht fromm zu werden, und aus freier Hand nach dem Ewigen zu trachten. Man wird ihm glauben und gehorchen und -- es ist das
und es iſt ihnen damit nur zu ſehr gelungen. Dieſe ganz zufaͤllige Form, die nicht reinmenſchlich, ſondern ein Abzeichen der Menſchen iſt, ſoll der vollkommen Gebildete allgemach ablegen; er ſoll nicht ein Jude ſeyn, oder ein unbeſchnittener Ju- dengenoſſe, oder ein Roͤmer, oder ein Araber, der da Religion hat, ſondern er ſoll ein Menſch ſchlechtweg werden, der da Religion hat.
Die religioͤſe Anſicht in der groͤßeren Geſell- ſchaft hat dadurch, daß ſie von der uͤbrigen menſch- lichen Bildung getrennt, und einer beſonderen Ver- bindung, der ſichtbaren Kirche, uͤbergeben werden mußte, eine unverkennbare Einſeitigkeit erhalten. Dem Manne, der nichts zu thun hat, und nichts weiter thun ſoll, als andre zur Religioͤſitaͤt anzu- fuͤhren, iſt die Religion, die er nehmlich an- dern beibringen ſoll, allerdings Zweck, und einziger Zweck ſeines Lebens. Er erkennt ſie dafuͤr, und hat daran ganz recht. Ohne den reinmenſch- lichen Sinn wird er leicht in Verſuchung gerathen, alles um ſich herum zu ſeines gleichen machen zu wollen, und allen die Religion — welches hier nicht bei ihm diejenige bedeutet, die ſie andern beibringen, ſondern vielmehr diejenige, welche ſie ſelbſt haben ſollen, — dieſe Religion auch zum Zweck und einigem Geſchaͤfte des Lebens zu machen. Er wird leicht dahin gerathen, daß er die ihm Anvertrauten ermahne, ſich doch hinzu- ſetzen, recht fromm zu werden, und aus freier Hand nach dem Ewigen zu trachten. Man wird ihm glauben und gehorchen und — es iſt das
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[29/0051]
und es iſt ihnen damit nur zu ſehr gelungen.
Dieſe ganz zufaͤllige Form, die nicht reinmenſchlich,
ſondern ein Abzeichen der Menſchen iſt, ſoll der
vollkommen Gebildete allgemach ablegen; er ſoll
nicht ein Jude ſeyn, oder ein unbeſchnittener Ju-
dengenoſſe, oder ein Roͤmer, oder ein Araber, der
da Religion hat, ſondern er ſoll ein Menſch
ſchlechtweg werden, der da Religion hat.
Die religioͤſe Anſicht in der groͤßeren Geſell-
ſchaft hat dadurch, daß ſie von der uͤbrigen menſch-
lichen Bildung getrennt, und einer beſonderen Ver-
bindung, der ſichtbaren Kirche, uͤbergeben werden
mußte, eine unverkennbare Einſeitigkeit erhalten.
Dem Manne, der nichts zu thun hat, und nichts
weiter thun ſoll, als andre zur Religioͤſitaͤt anzu-
fuͤhren, iſt die Religion, die er nehmlich an-
dern beibringen ſoll, allerdings Zweck, und
einziger Zweck ſeines Lebens. Er erkennt ſie dafuͤr,
und hat daran ganz recht. Ohne den reinmenſch-
lichen Sinn wird er leicht in Verſuchung gerathen,
alles um ſich herum zu ſeines gleichen machen zu
wollen, und allen die Religion — welches hier
nicht bei ihm diejenige bedeutet, die ſie andern
beibringen, ſondern vielmehr diejenige, welche
ſie ſelbſt haben ſollen, — dieſe Religion
auch zum Zweck und einigem Geſchaͤfte des Lebens
zu machen. Er wird leicht dahin gerathen, daß
er die ihm Anvertrauten ermahne, ſich doch hinzu-
ſetzen, recht fromm zu werden, und aus freier
Hand nach dem Ewigen zu trachten. Man wird
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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/51>, abgerufen am 21.11.2024.
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