Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

-- weil Gott das Non plus ultra, die letzte Gränze der
Abstraction
ist. Das, wovon ich nicht mehr abstrahiren
kann, ist Gott, -- der letzte Gedanke, den ich zu fassen fähig
bin -- der letzte, d. i. der höchste. Id quo majus nihil cogi-
tari potest, Deus est.
Daß nun dieses Omega der Sinn-
lichkeit auch das Alpha wird, ist leicht begreiflich, aber das
Wesentliche ist, daß es das Omega ist. Das Alpha ist erst
die Folge; weil es das Letzte, so ist es auch das Erste. Und
das Prädicat: das erste Wesen hat keineswegs sogleich kosmo-
gonische Bedeutung, sondern nur die Bedeutung des höchsten
Ranges. Die Schöpfung in der mosaischen Religion hat den
Zweck, Jehovah das Prädicat des höchsten und ersten, des
wahren, ausschließlichen Gottes im Gegensatz zu den Götzen
zu sichern *).

Dem Bestreben, die Persönlichkeit Gottes durch die Natur
begründen zu wollen, liegt daher eine unlautere, heillose Ver-
mischung der Philosophie
und Religion, eine völlige
Kritik- und Bewußtlosigkeit über die Genesis des
persönlichen Gottes
zu Grunde. Wo die Persönlichkeit
für die wesentliche Bestimmung Gottes gilt, wo es heißt: ein
unpersönlicher Gott ist kein Gott, da gilt die Persönlichkeit
schon an und für sich für das Höchste und Realste, da liegt
das Urtheil zu Grunde: was nicht Person, ist todt, ist Nichts;
nur persönliches Sein ist reales, ist absolutes Sein, ist Leben
und Wahrheit; die Natur ist aber unpersönlich, also ein nich-

*) "Ich bin der Herr, der alles thut." "Ich bin der Herr und ist
keiner mehr." "Ich bin Gott und keiner mehr." "Ich bin es der
Herr, beides der Erste und der Letzte." Jesaias c. 41--47. Hieraus
ergibt sich die erst später ausführlicher zu entwickelnde Bedeutung der
Creation.

— weil Gott das Non plus ultra, die letzte Gränze der
Abſtraction
iſt. Das, wovon ich nicht mehr abſtrahiren
kann, iſt Gott, — der letzte Gedanke, den ich zu faſſen fähig
bin — der letzte, d. i. der höchſte. Id quo majus nihil cogi-
tari potest, Deus est.
Daß nun dieſes Omega der Sinn-
lichkeit auch das Alpha wird, iſt leicht begreiflich, aber das
Weſentliche iſt, daß es das Omega iſt. Das Alpha iſt erſt
die Folge; weil es das Letzte, ſo iſt es auch das Erſte. Und
das Prädicat: das erſte Weſen hat keineswegs ſogleich kosmo-
goniſche Bedeutung, ſondern nur die Bedeutung des höchſten
Ranges. Die Schöpfung in der moſaiſchen Religion hat den
Zweck, Jehovah das Prädicat des höchſten und erſten, des
wahren, ausſchließlichen Gottes im Gegenſatz zu den Götzen
zu ſichern *).

Dem Beſtreben, die Perſönlichkeit Gottes durch die Natur
begründen zu wollen, liegt daher eine unlautere, heilloſe Ver-
miſchung der Philoſophie
und Religion, eine völlige
Kritik- und Bewußtloſigkeit über die Geneſis des
perſönlichen Gottes
zu Grunde. Wo die Perſönlichkeit
für die weſentliche Beſtimmung Gottes gilt, wo es heißt: ein
unperſönlicher Gott iſt kein Gott, da gilt die Perſönlichkeit
ſchon an und für ſich für das Höchſte und Realſte, da liegt
das Urtheil zu Grunde: was nicht Perſon, iſt todt, iſt Nichts;
nur perſönliches Sein iſt reales, iſt abſolutes Sein, iſt Leben
und Wahrheit; die Natur iſt aber unperſönlich, alſo ein nich-

*)Ich bin der Herr, der alles thut.“ „Ich bin der Herr und iſt
keiner mehr.“ „Ich bin Gott und keiner mehr.“ „Ich bin es der
Herr, beides der Erſte und der Letzte.“ Jesaias c. 41—47. Hieraus
ergibt ſich die erſt ſpäter ausführlicher zu entwickelnde Bedeutung der
Creation.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0141" n="123"/>
&#x2014; weil Gott das <hi rendition="#aq">Non plus ultra,</hi> die <hi rendition="#g">letzte Gränze der<lb/>
Ab&#x017F;traction</hi> i&#x017F;t. Das, wovon ich nicht mehr ab&#x017F;trahiren<lb/>
kann, i&#x017F;t Gott, &#x2014; der <hi rendition="#g">letzte</hi> Gedanke, den ich zu fa&#x017F;&#x017F;en fähig<lb/>
bin &#x2014; der letzte, d. i. der höch&#x017F;te. <hi rendition="#aq">Id quo majus nihil cogi-<lb/>
tari potest, Deus est.</hi> Daß nun die&#x017F;es Omega der Sinn-<lb/>
lichkeit auch das Alpha wird, i&#x017F;t leicht begreiflich, aber das<lb/>
We&#x017F;entliche i&#x017F;t, daß es das Omega i&#x017F;t. Das Alpha i&#x017F;t er&#x017F;t<lb/>
die Folge; weil es das Letzte, &#x017F;o i&#x017F;t es auch das Er&#x017F;te. Und<lb/>
das Prädicat: das er&#x017F;te We&#x017F;en hat keineswegs &#x017F;ogleich kosmo-<lb/>
goni&#x017F;che Bedeutung, &#x017F;ondern nur die Bedeutung des höch&#x017F;ten<lb/>
Ranges. Die Schöpfung in der mo&#x017F;ai&#x017F;chen Religion hat den<lb/>
Zweck, Jehovah das Prädicat des höch&#x017F;ten und er&#x017F;ten, des<lb/>
wahren, aus&#x017F;chließlichen Gottes im Gegen&#x017F;atz zu den Götzen<lb/>
zu &#x017F;ichern <note place="foot" n="*)">&#x201E;<hi rendition="#g">Ich bin</hi> der Herr, der alles thut.&#x201C; &#x201E;<hi rendition="#g">Ich bin</hi> der Herr und i&#x017F;t<lb/>
keiner mehr.&#x201C; &#x201E;<hi rendition="#g">Ich bin Gott</hi> und <hi rendition="#g">keiner mehr</hi>.&#x201C; &#x201E;<hi rendition="#g">Ich bin es</hi> der<lb/><hi rendition="#g">Herr</hi>, beides der <hi rendition="#g">Er&#x017F;te</hi> und der <hi rendition="#g">Letzte</hi>.&#x201C; <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Jesaias</hi> c. 41&#x2014;47</hi>. Hieraus<lb/>
ergibt &#x017F;ich die er&#x017F;t &#x017F;päter ausführlicher zu entwickelnde Bedeutung der<lb/>
Creation.</note>.</p><lb/>
          <p>Dem Be&#x017F;treben, die Per&#x017F;önlichkeit Gottes durch die Natur<lb/>
begründen zu wollen, liegt daher eine unlautere, <hi rendition="#g">heillo&#x017F;e Ver-<lb/>
mi&#x017F;chung der Philo&#x017F;ophie</hi> und <hi rendition="#g">Religion</hi>, eine völlige<lb/><hi rendition="#g">Kritik</hi>- und <hi rendition="#g">Bewußtlo&#x017F;igkeit über die Gene&#x017F;is des<lb/>
per&#x017F;önlichen Gottes</hi> zu Grunde. Wo die Per&#x017F;önlichkeit<lb/>
für die we&#x017F;entliche Be&#x017F;timmung Gottes gilt, wo es heißt: ein<lb/>
unper&#x017F;önlicher Gott i&#x017F;t kein Gott, da gilt die Per&#x017F;önlichkeit<lb/>
&#x017F;chon an und für &#x017F;ich für das Höch&#x017F;te und Real&#x017F;te, da liegt<lb/>
das Urtheil zu Grunde: was nicht Per&#x017F;on, i&#x017F;t todt, i&#x017F;t Nichts;<lb/>
nur per&#x017F;önliches Sein i&#x017F;t reales, i&#x017F;t ab&#x017F;olutes Sein, i&#x017F;t Leben<lb/>
und Wahrheit; die Natur i&#x017F;t aber unper&#x017F;önlich, al&#x017F;o ein nich-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0141] — weil Gott das Non plus ultra, die letzte Gränze der Abſtraction iſt. Das, wovon ich nicht mehr abſtrahiren kann, iſt Gott, — der letzte Gedanke, den ich zu faſſen fähig bin — der letzte, d. i. der höchſte. Id quo majus nihil cogi- tari potest, Deus est. Daß nun dieſes Omega der Sinn- lichkeit auch das Alpha wird, iſt leicht begreiflich, aber das Weſentliche iſt, daß es das Omega iſt. Das Alpha iſt erſt die Folge; weil es das Letzte, ſo iſt es auch das Erſte. Und das Prädicat: das erſte Weſen hat keineswegs ſogleich kosmo- goniſche Bedeutung, ſondern nur die Bedeutung des höchſten Ranges. Die Schöpfung in der moſaiſchen Religion hat den Zweck, Jehovah das Prädicat des höchſten und erſten, des wahren, ausſchließlichen Gottes im Gegenſatz zu den Götzen zu ſichern *). Dem Beſtreben, die Perſönlichkeit Gottes durch die Natur begründen zu wollen, liegt daher eine unlautere, heilloſe Ver- miſchung der Philoſophie und Religion, eine völlige Kritik- und Bewußtloſigkeit über die Geneſis des perſönlichen Gottes zu Grunde. Wo die Perſönlichkeit für die weſentliche Beſtimmung Gottes gilt, wo es heißt: ein unperſönlicher Gott iſt kein Gott, da gilt die Perſönlichkeit ſchon an und für ſich für das Höchſte und Realſte, da liegt das Urtheil zu Grunde: was nicht Perſon, iſt todt, iſt Nichts; nur perſönliches Sein iſt reales, iſt abſolutes Sein, iſt Leben und Wahrheit; die Natur iſt aber unperſönlich, alſo ein nich- *) „Ich bin der Herr, der alles thut.“ „Ich bin der Herr und iſt keiner mehr.“ „Ich bin Gott und keiner mehr.“ „Ich bin es der Herr, beides der Erſte und der Letzte.“ Jesaias c. 41—47. Hieraus ergibt ſich die erſt ſpäter ausführlicher zu entwickelnde Bedeutung der Creation.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/141
Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/141>, abgerufen am 04.12.2024.