bestätigt vor Allem der Entwicklungsgang der israelitischen Religion. Daher der Satz der theologischen Halbheit, daß die Offenbarung Gottes gleichen Schritt mit der Entwicklung des Menschengeschlechts hält. Natürlich; denn die Offenbarung Gottes ist nichts andres als die Offenbarung, die Selbstent- faltung des menschlichen Wesens. Nicht aus dem Creator ging der supranaturalistische Egoismus der Juden hervor, son- dern umgekehrt jener aus diesem: in der Creation rechtfertigte nun gleichsam vor dem Forum seiner Vernunft der Israelite seinen Egoismus.
Allerdings konnte sich auch der Israelite als Mensch, wie leicht begreiflich, selbst schon aus praktischen Gründen, nicht der theoretischen Anschauung und Bewunderung der Natur ent- ziehen. Aber er feiert nur die Macht und Größe Jehovahs, indem er die Macht und Größe der Natur feiert. Und diese Macht Jehovahs hat sich am herrlichsten gezeigt in den Wun- derwerken, die sie zum Besten Israels gethan. Es bezieht sich also der Israelite in der Feier dieser Macht immer zuletzt auf sich selbst; er feiert die Größe der Natur nur aus demselben Interesse, aus welchem der Sieger die Stärke seines Gegners vergrößert, um dadurch sein Selbstgefühl zu steigern, seinen Ruhm zu verherrlichen. Groß und gewaltig ist die Natur, die Jehovah gemacht, aber noch gewaltiger, noch größer ist Israels Selbstgefühl. Um seinetwillen steht die Sonne stille; um seinetwillen erbebt nach Philo bei der Verkündigung des Gesetzes die Erde; kurz, um seinetwillen verändert die ganze Natur ihr Wesen. "Die ganze Creatur, so ihre eigene Art hatte, veränderte sich wieder nach Deinem Ge- bote, dem sie dient, auf daß Deine Kinder unversehrt
beſtätigt vor Allem der Entwicklungsgang der iſraelitiſchen Religion. Daher der Satz der theologiſchen Halbheit, daß die Offenbarung Gottes gleichen Schritt mit der Entwicklung des Menſchengeſchlechts hält. Natürlich; denn die Offenbarung Gottes iſt nichts andres als die Offenbarung, die Selbſtent- faltung des menſchlichen Weſens. Nicht aus dem Creator ging der ſupranaturaliſtiſche Egoismus der Juden hervor, ſon- dern umgekehrt jener aus dieſem: in der Creation rechtfertigte nun gleichſam vor dem Forum ſeiner Vernunft der Iſraelite ſeinen Egoismus.
Allerdings konnte ſich auch der Iſraelite als Menſch, wie leicht begreiflich, ſelbſt ſchon aus praktiſchen Gründen, nicht der theoretiſchen Anſchauung und Bewunderung der Natur ent- ziehen. Aber er feiert nur die Macht und Größe Jehovahs, indem er die Macht und Größe der Natur feiert. Und dieſe Macht Jehovahs hat ſich am herrlichſten gezeigt in den Wun- derwerken, die ſie zum Beſten Iſraels gethan. Es bezieht ſich alſo der Iſraelite in der Feier dieſer Macht immer zuletzt auf ſich ſelbſt; er feiert die Größe der Natur nur aus demſelben Intereſſe, aus welchem der Sieger die Stärke ſeines Gegners vergrößert, um dadurch ſein Selbſtgefühl zu ſteigern, ſeinen Ruhm zu verherrlichen. Groß und gewaltig iſt die Natur, die Jehovah gemacht, aber noch gewaltiger, noch größer iſt Iſraels Selbſtgefühl. Um ſeinetwillen ſteht die Sonne ſtille; um ſeinetwillen erbebt nach Philo bei der Verkündigung des Geſetzes die Erde; kurz, um ſeinetwillen verändert die ganze Natur ihr Weſen. „Die ganze Creatur, ſo ihre eigene Art hatte, veränderte ſich wieder nach Deinem Ge- bote, dem ſie dient, auf daß Deine Kinder unverſehrt
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beſtätigt vor Allem der Entwicklungsgang der iſraelitiſchen
Religion. Daher der Satz der theologiſchen Halbheit, daß die
Offenbarung Gottes gleichen Schritt mit der Entwicklung des
Menſchengeſchlechts hält. Natürlich; denn die Offenbarung
Gottes iſt nichts andres als die Offenbarung, die Selbſtent-
faltung des menſchlichen Weſens. Nicht aus dem Creator ging
der ſupranaturaliſtiſche Egoismus der Juden hervor, ſon-
dern umgekehrt jener aus dieſem: in der Creation rechtfertigte
nun gleichſam vor dem Forum ſeiner Vernunft der Iſraelite
ſeinen Egoismus.
Allerdings konnte ſich auch der Iſraelite als Menſch, wie
leicht begreiflich, ſelbſt ſchon aus praktiſchen Gründen, nicht der
theoretiſchen Anſchauung und Bewunderung der Natur ent-
ziehen. Aber er feiert nur die Macht und Größe Jehovahs,
indem er die Macht und Größe der Natur feiert. Und dieſe
Macht Jehovahs hat ſich am herrlichſten gezeigt in den Wun-
derwerken, die ſie zum Beſten Iſraels gethan. Es bezieht ſich
alſo der Iſraelite in der Feier dieſer Macht immer zuletzt auf
ſich ſelbſt; er feiert die Größe der Natur nur aus demſelben
Intereſſe, aus welchem der Sieger die Stärke ſeines Gegners
vergrößert, um dadurch ſein Selbſtgefühl zu ſteigern, ſeinen
Ruhm zu verherrlichen. Groß und gewaltig iſt die Natur,
die Jehovah gemacht, aber noch gewaltiger, noch größer iſt
Iſraels Selbſtgefühl. Um ſeinetwillen ſteht die Sonne ſtille;
um ſeinetwillen erbebt nach Philo bei der Verkündigung des
Geſetzes die Erde; kurz, um ſeinetwillen verändert die ganze
Natur ihr Weſen. „Die ganze Creatur, ſo ihre eigene
Art hatte, veränderte ſich wieder nach Deinem Ge-
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/170>, abgerufen am 04.12.2024.
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