Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.heil. Geistes stellt seiner Persönlichkeit ein schlechtes Prognosti- sen Defens. Animadv. in Assert. Theol. Coll. Posnan. de trino et uno Deo Irenopoli. 1656. cap. 11. Man lese in dieser Beziehung besonders die Schriften der christlichen Orthodoxen gegen die Heterodoxen, z. B. gegen die Socinianer. Neuere Theologen erklären bekanntlich auch die kirchliche Gottheit Christi für unbiblisch; aber gleichwohl ist diese unläugbar das charakteristische Princip des Christenthums, und wenn sie auch nicht so in der Bibel schon steht, wie in der Dogmatik, dennoch eine nothwendige Consequenz der Bibel. Was kann ein Wesen, welches die leibhafte Fülle der Gottheit, welches allwissend (Joh. 16, 30.) und allmächtig ist (Todte erweckt, Wunder wirkt), welches allen Dingen und Wesen der Zeit und dem Range nach vorangeht, welches das Leben in sich selbst hat (wenn auch als gegeben) gleichwie der Vater das Leben in sich hat, was kann dieses Wesen, consequent gefolgert, anders als Gott sein? "Christus ist dem Willen nach mit dem Vater eins;" aber Willenseinheit setzt Wesenseinheit voraus. "Christus ist der Abgesandte, der Stellvertreter Gottes;" aber Gott kann sich nur durch ein göttliches Wesen vertreten lassen. Nur den, in welchem ich gleiche oder doch ähnliche Eigenschaften wie in mir finde, kann ich zu meinem Stellvertreter wählen, sonst blamire ich mich selbst. 13*
heil. Geiſtes ſtellt ſeiner Perſönlichkeit ein ſchlechtes Prognoſti- ſen Defens. Animadv. in Assert. Theol. Coll. Posnan. de trino et uno Deo Irenopoli. 1656. cap. 11. Man leſe in dieſer Beziehung beſonders die Schriften der chriſtlichen Orthodoxen gegen die Heterodoxen, z. B. gegen die Socinianer. Neuere Theologen erklären bekanntlich auch die kirchliche Gottheit Chriſti für unbibliſch; aber gleichwohl iſt dieſe unläugbar das charakteriſtiſche Princip des Chriſtenthums, und wenn ſie auch nicht ſo in der Bibel ſchon ſteht, wie in der Dogmatik, dennoch eine nothwendige Conſequenz der Bibel. Was kann ein Weſen, welches die leibhafte Fülle der Gottheit, welches allwiſſend (Joh. 16, 30.) und allmächtig iſt (Todte erweckt, Wunder wirkt), welches allen Dingen und Weſen der Zeit und dem Range nach vorangeht, welches das Leben in ſich ſelbſt hat (wenn auch als gegeben) gleichwie der Vater das Leben in ſich hat, was kann dieſes Weſen, conſequent gefolgert, anders als Gott ſein? „Chriſtus iſt dem Willen nach mit dem Vater eins;“ aber Willenseinheit ſetzt Weſenseinheit voraus. „Chriſtus iſt der Abgeſandte, der Stellvertreter Gottes;“ aber Gott kann ſich nur durch ein göttliches Weſen vertreten laſſen. Nur den, in welchem ich gleiche oder doch ähnliche Eigenſchaften wie in mir finde, kann ich zu meinem Stellvertreter wählen, ſonſt blamire ich mich ſelbſt. 13*
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heil. Geiſtes ſtellt ſeiner Perſönlichkeit ein ſchlechtes Prognoſti-
kon, denn nur durch die Zeugung, nicht aber durch das unbe-
ſtimmte Aus- und Hervorgehen oder durch die Spiratio wird
ein perſönliches Weſen hervorgebracht. Und ſelbſt der Vater,
als Repräſentant des rigoroſen Begriffes der Gottheit, iſt nur
der Einbildung und Behauptung nach, aber nicht ſeinen Be-
ſtimmungen nach ein perſönliches Weſen: er iſt ein abſtracter
Begriff, ein rein rationaliſtiſches Weſen. Die plaſtiſche
Perſönlichkeit iſt nur Chriſtus. Zur Perſönlichkeit ge-
hört Geſtalt. Die Geſtalt iſt die Wirklichkeit der Perſönlich-
keit. Chriſtus allein iſt der perſönliche Gott — Er der
wahre, wirkliche Gott der Chriſten, was nicht oft genug
wiederholt werden kann. In ihm allein concentrirt ſich die
chriſtliche Religion, das Weſen der Religion überhaupt. Nur
Er entſpricht der Sehnſucht nach einem perſönlichen Gott; nur
Er iſt eine mit dem Weſen des Gemüths identiſche Exi-
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**) ſen Defens. Animadv. in Assert. Theol. Coll. Posnan. de trino et uno Deo
Irenopoli. 1656. cap. 11. Man leſe in dieſer Beziehung beſonders die
Schriften der chriſtlichen Orthodoxen gegen die Heterodoxen, z. B. gegen
die Socinianer. Neuere Theologen erklären bekanntlich auch die kirchliche
Gottheit Chriſti für unbibliſch; aber gleichwohl iſt dieſe unläugbar das
charakteriſtiſche Princip des Chriſtenthums, und wenn ſie auch nicht ſo
in der Bibel ſchon ſteht, wie in der Dogmatik, dennoch eine nothwendige
Conſequenz der Bibel. Was kann ein Weſen, welches die leibhafte Fülle
der Gottheit, welches allwiſſend (Joh. 16, 30.) und allmächtig iſt (Todte
erweckt, Wunder wirkt), welches allen Dingen und Weſen der Zeit und
dem Range nach vorangeht, welches das Leben in ſich ſelbſt hat (wenn auch
als gegeben) gleichwie der Vater das Leben in ſich hat, was kann dieſes
Weſen, conſequent gefolgert, anders als Gott ſein? „Chriſtus iſt dem
Willen nach mit dem Vater eins;“ aber Willenseinheit ſetzt Weſenseinheit
voraus. „Chriſtus iſt der Abgeſandte, der Stellvertreter Gottes;“ aber
Gott kann ſich nur durch ein göttliches Weſen vertreten laſſen. Nur den,
in welchem ich gleiche oder doch ähnliche Eigenſchaften wie in mir finde,
kann ich zu meinem Stellvertreter wählen, ſonſt blamire ich mich ſelbſt.
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