es die Phantasie zusammenfaßt, aber nicht das Bestimmte, Besondere, wie es in seiner Besonderheit den Sinnen, in seiner Totalität als Universum der Vernunft Gegenstand ist. Alles Etwas entsteht auf natürlichem Wege -- es ist ein Bestimm- tes und hat als solches, was nur eine Tautologie ist, einen bestimmten Grund, eine bestimmte Ursache. Nicht Gott hat den Diamant hervorgebracht, sondern der Kohlenstoff; dieses Salz verdankt seinen Ursprung nur der Verbindung dieser be- stimmten Säure mit einer bestimmten Basis, nicht Gott. Gott hat nur Alles zusammen ohne Unterschied hervorge- bracht.
Gott hat freilich in der religiösen Vorstellung alles Ein- zelne geschaffen, weil es schon in Allem mitbegriffen ist, aber nur indirect; denn er hat das Einzelne nicht auf einzelne, das Bestimmte nicht auf bestimmte Weise hervorgebracht; sonst wäre er ja ein bestimmtes Wesen. Unbegreiflich ist es nun frei- lich, wie aus dieser allgemeinen, unbestimmten Thätigkeit das Besondere, Bestimmte hervorgegangen; aber nur, weil ich hier das Object der sinnlichen, natürlichen Anschauung, das Beson- dere einschwärze, weil ich der göttlichen Thätigkeit ein andres Object, als das ihr gebührende unterstelle. Die Religion hat keine physikalische Anschauung von der Welt; sie interessirt sich nicht für eine natürliche Erklärung, die immer nur mit der Entstehung gegeben werden kann. Aber die Entstehung ist ein theoretischer, naturphilosophischer Begriff. Die heidnischen Philosophen beschäftigten sich mit der Entstehung der Dinge. Aber das christlich religiöse Bewußtsein abhorrirte diesen Be- griff als einen heidnischen, irreligiösen, und substituirte den praktischen oder subjectiv menschlichen Begriff der Er- schaffung, der nichts ist als ein Verbot, die Dinge sich auf
es die Phantaſie zuſammenfaßt, aber nicht das Beſtimmte, Beſondere, wie es in ſeiner Beſonderheit den Sinnen, in ſeiner Totalität als Univerſum der Vernunft Gegenſtand iſt. Alles Etwas entſteht auf natürlichem Wege — es iſt ein Beſtimm- tes und hat als ſolches, was nur eine Tautologie iſt, einen beſtimmten Grund, eine beſtimmte Urſache. Nicht Gott hat den Diamant hervorgebracht, ſondern der Kohlenſtoff; dieſes Salz verdankt ſeinen Urſprung nur der Verbindung dieſer be- ſtimmten Säure mit einer beſtimmten Baſis, nicht Gott. Gott hat nur Alles zuſammen ohne Unterſchied hervorge- bracht.
Gott hat freilich in der religiöſen Vorſtellung alles Ein- zelne geſchaffen, weil es ſchon in Allem mitbegriffen iſt, aber nur indirect; denn er hat das Einzelne nicht auf einzelne, das Beſtimmte nicht auf beſtimmte Weiſe hervorgebracht; ſonſt wäre er ja ein beſtimmtes Weſen. Unbegreiflich iſt es nun frei- lich, wie aus dieſer allgemeinen, unbeſtimmten Thätigkeit das Beſondere, Beſtimmte hervorgegangen; aber nur, weil ich hier das Object der ſinnlichen, natürlichen Anſchauung, das Beſon- dere einſchwärze, weil ich der göttlichen Thätigkeit ein andres Object, als das ihr gebührende unterſtelle. Die Religion hat keine phyſikaliſche Anſchauung von der Welt; ſie intereſſirt ſich nicht für eine natürliche Erklärung, die immer nur mit der Entſtehung gegeben werden kann. Aber die Entſtehung iſt ein theoretiſcher, naturphiloſophiſcher Begriff. Die heidniſchen Philoſophen beſchäftigten ſich mit der Entſtehung der Dinge. Aber das chriſtlich religiöſe Bewußtſein abhorrirte dieſen Be- griff als einen heidniſchen, irreligiöſen, und ſubſtituirte den praktiſchen oder ſubjectiv menſchlichen Begriff der Er- ſchaffung, der nichts iſt als ein Verbot, die Dinge ſich auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0316"n="298"/>
es die Phantaſie zuſammenfaßt, aber nicht das Beſtimmte,<lb/>
Beſondere, wie es in ſeiner Beſonderheit den Sinnen, in ſeiner<lb/>
Totalität als Univerſum der Vernunft Gegenſtand iſt. Alles<lb/>
Etwas entſteht auf natürlichem Wege — es iſt ein Beſtimm-<lb/>
tes und hat als ſolches, was nur eine Tautologie iſt, einen<lb/>
beſtimmten Grund, eine beſtimmte Urſache. Nicht Gott hat<lb/>
den Diamant hervorgebracht, ſondern der Kohlenſtoff; dieſes<lb/>
Salz verdankt ſeinen Urſprung nur der Verbindung dieſer be-<lb/>ſtimmten Säure mit einer beſtimmten Baſis, nicht Gott. Gott<lb/>
hat nur <hirendition="#g">Alles zuſammen ohne Unterſchied</hi> hervorge-<lb/>
bracht.</p><lb/><p>Gott hat freilich in der religiöſen Vorſtellung alles <hirendition="#g">Ein-<lb/>
zelne</hi> geſchaffen, weil es ſchon in <hirendition="#g">Allem</hi> mitbegriffen iſt, aber<lb/>
nur indirect; denn er hat das Einzelne nicht auf einzelne, das<lb/>
Beſtimmte nicht auf beſtimmte Weiſe hervorgebracht; ſonſt<lb/>
wäre er ja ein beſtimmtes Weſen. Unbegreiflich iſt es nun frei-<lb/>
lich, wie aus dieſer allgemeinen, unbeſtimmten Thätigkeit das<lb/>
Beſondere, Beſtimmte hervorgegangen; aber nur, weil ich hier<lb/>
das Object der ſinnlichen, natürlichen Anſchauung, das Beſon-<lb/>
dere einſchwärze, weil ich der göttlichen Thätigkeit ein <hirendition="#g">andres</hi><lb/>
Object, als das ihr gebührende unterſtelle. Die Religion hat<lb/>
keine phyſikaliſche Anſchauung von der Welt; ſie intereſſirt<lb/>ſich nicht für eine natürliche Erklärung, die immer nur mit der<lb/>
Entſtehung gegeben werden kann. Aber die Entſtehung iſt ein<lb/>
theoretiſcher, naturphiloſophiſcher Begriff. Die heidniſchen<lb/>
Philoſophen beſchäftigten ſich mit der Entſtehung der Dinge.<lb/>
Aber das chriſtlich religiöſe Bewußtſein abhorrirte dieſen Be-<lb/>
griff als einen heidniſchen, irreligiöſen, und ſubſtituirte den<lb/><hirendition="#g">praktiſchen</hi> oder <hirendition="#g">ſubjectiv</hi> menſchlichen <hirendition="#g">Begriff der Er-<lb/>ſchaffung</hi>, der nichts iſt als ein Verbot, die Dinge ſich auf<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[298/0316]
es die Phantaſie zuſammenfaßt, aber nicht das Beſtimmte,
Beſondere, wie es in ſeiner Beſonderheit den Sinnen, in ſeiner
Totalität als Univerſum der Vernunft Gegenſtand iſt. Alles
Etwas entſteht auf natürlichem Wege — es iſt ein Beſtimm-
tes und hat als ſolches, was nur eine Tautologie iſt, einen
beſtimmten Grund, eine beſtimmte Urſache. Nicht Gott hat
den Diamant hervorgebracht, ſondern der Kohlenſtoff; dieſes
Salz verdankt ſeinen Urſprung nur der Verbindung dieſer be-
ſtimmten Säure mit einer beſtimmten Baſis, nicht Gott. Gott
hat nur Alles zuſammen ohne Unterſchied hervorge-
bracht.
Gott hat freilich in der religiöſen Vorſtellung alles Ein-
zelne geſchaffen, weil es ſchon in Allem mitbegriffen iſt, aber
nur indirect; denn er hat das Einzelne nicht auf einzelne, das
Beſtimmte nicht auf beſtimmte Weiſe hervorgebracht; ſonſt
wäre er ja ein beſtimmtes Weſen. Unbegreiflich iſt es nun frei-
lich, wie aus dieſer allgemeinen, unbeſtimmten Thätigkeit das
Beſondere, Beſtimmte hervorgegangen; aber nur, weil ich hier
das Object der ſinnlichen, natürlichen Anſchauung, das Beſon-
dere einſchwärze, weil ich der göttlichen Thätigkeit ein andres
Object, als das ihr gebührende unterſtelle. Die Religion hat
keine phyſikaliſche Anſchauung von der Welt; ſie intereſſirt
ſich nicht für eine natürliche Erklärung, die immer nur mit der
Entſtehung gegeben werden kann. Aber die Entſtehung iſt ein
theoretiſcher, naturphiloſophiſcher Begriff. Die heidniſchen
Philoſophen beſchäftigten ſich mit der Entſtehung der Dinge.
Aber das chriſtlich religiöſe Bewußtſein abhorrirte dieſen Be-
griff als einen heidniſchen, irreligiöſen, und ſubſtituirte den
praktiſchen oder ſubjectiv menſchlichen Begriff der Er-
ſchaffung, der nichts iſt als ein Verbot, die Dinge ſich auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/316>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.