Protestanten von den Katholiken in der Abendmahlslehre! So entstund zu Anspach ein Streit über die Frage: "ob der Leib Christi auch in den Magen komme, wie andre Speisen verdaut werde und also auch durch den natürlichen Gang wie- der ausgeworfen werde?"
Aber obgleich die Einbildungskraft des Glaubens die objective Existenz zu einem bloßen Scheine, die gemüthliche, imaginäre Existenz zur Wahrheit und Wirklichkeit macht; so ist doch an sich oder der Wahrheit nach das wirklich Gegen- ständliche nur der natürliche Stoff. Selbst der göttliche Leib in der Büchse des katholischen Priesters ist an sich nur im Glauben göttlicher Leib; dieß äußerliche Ding, in das er das göttliche Wesen verwandelt, nur ein Glaubensding; denn der Leib ist ja auch hier nicht als Leib sichtbar, fühlbar, schmeckbar. Das heißt: das Brot ist nur der Bedeutung nach Fleisch. Zwar hat für den Glauben diese Bedeutung den Sinn des wirklichen Seins -- wie denn überhaupt in der Ekstase der Inbrunst das Bedeutende zum Bedeuteten selbst wird -- es soll nicht Fleisch bedeuten, sondern sein. Aber dieses Sein ist ja eben kein fleischliches; es ist selbst nur ge- glaubtes, vorgestelltes, eingebildetes Sein, d. h. es hat selbst nur den Werth, die Qualität einer Bedeutung. Ein Ding, das für mich eine besondere Bedeutung hat, ist ein andres in meiner Vorstellung, als in der Wirklichkeit. Das Bedeutende ist nicht selbst das, was damit bedeutet wird. Was es ist, fällt in den Sinn; was es bedeutet, nur in meine Gesinnung, Vorstellung, Phantasie, ist nur für mich, nicht für den Andern, nicht objectiv da. So auch hier. Wenn darum Zwingli gesagt, das Abendmahl habe nur subjective Bedeutung, so hat er dasselbe gesagt, was die Andern; nur zerstörte er die Illu-
Proteſtanten von den Katholiken in der Abendmahlslehre! So entſtund zu Anspach ein Streit über die Frage: „ob der Leib Chriſti auch in den Magen komme, wie andre Speiſen verdaut werde und alſo auch durch den natürlichen Gang wie- der ausgeworfen werde?“
Aber obgleich die Einbildungskraft des Glaubens die objective Exiſtenz zu einem bloßen Scheine, die gemüthliche, imaginäre Exiſtenz zur Wahrheit und Wirklichkeit macht; ſo iſt doch an ſich oder der Wahrheit nach das wirklich Gegen- ſtändliche nur der natürliche Stoff. Selbſt der göttliche Leib in der Büchſe des katholiſchen Prieſters iſt an ſich nur im Glauben göttlicher Leib; dieß äußerliche Ding, in das er das göttliche Weſen verwandelt, nur ein Glaubensding; denn der Leib iſt ja auch hier nicht als Leib ſichtbar, fühlbar, ſchmeckbar. Das heißt: das Brot iſt nur der Bedeutung nach Fleiſch. Zwar hat für den Glauben dieſe Bedeutung den Sinn des wirklichen Seins — wie denn überhaupt in der Ekſtaſe der Inbrunſt das Bedeutende zum Bedeuteten ſelbſt wird — es ſoll nicht Fleiſch bedeuten, ſondern ſein. Aber dieſes Sein iſt ja eben kein fleiſchliches; es iſt ſelbſt nur ge- glaubtes, vorgeſtelltes, eingebildetes Sein, d. h. es hat ſelbſt nur den Werth, die Qualität einer Bedeutung. Ein Ding, das für mich eine beſondere Bedeutung hat, iſt ein andres in meiner Vorſtellung, als in der Wirklichkeit. Das Bedeutende iſt nicht ſelbſt das, was damit bedeutet wird. Was es iſt, fällt in den Sinn; was es bedeutet, nur in meine Geſinnung, Vorſtellung, Phantaſie, iſt nur für mich, nicht für den Andern, nicht objectiv da. So auch hier. Wenn darum Zwingli geſagt, das Abendmahl habe nur ſubjective Bedeutung, ſo hat er daſſelbe geſagt, was die Andern; nur zerſtörte er die Illu-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0350"n="332"/>
Proteſtanten von den Katholiken in der Abendmahlslehre!<lb/>
So entſtund zu Anspach ein Streit über die Frage: „ob der<lb/>
Leib Chriſti auch in den Magen komme, wie andre Speiſen<lb/>
verdaut werde und alſo auch durch den natürlichen Gang wie-<lb/>
der ausgeworfen werde?“</p><lb/><p>Aber obgleich die Einbildungskraft des Glaubens die<lb/>
objective Exiſtenz zu einem bloßen Scheine, die gemüthliche,<lb/>
imaginäre Exiſtenz zur Wahrheit und Wirklichkeit macht; ſo<lb/>
iſt doch an ſich oder der Wahrheit nach das wirklich Gegen-<lb/>ſtändliche nur der natürliche Stoff. Selbſt der göttliche Leib<lb/>
in der Büchſe des katholiſchen Prieſters iſt an ſich nur <hirendition="#g">im<lb/>
Glauben</hi> göttlicher Leib; dieß äußerliche Ding, in das er das<lb/>
göttliche Weſen verwandelt, nur ein <hirendition="#g">Glaubensding</hi>; denn<lb/>
der Leib iſt ja auch hier nicht als Leib ſichtbar, fühlbar,<lb/>ſchmeckbar. Das heißt: das Brot iſt nur der Bedeutung nach<lb/>
Fleiſch. Zwar hat für den Glauben dieſe Bedeutung den<lb/>
Sinn des wirklichen Seins — wie denn überhaupt in der<lb/>
Ekſtaſe der Inbrunſt das Bedeutende zum Bedeuteten ſelbſt<lb/>
wird — es ſoll nicht Fleiſch bedeuten, ſondern ſein. Aber<lb/>
dieſes Sein iſt ja eben kein fleiſchliches; es iſt ſelbſt nur ge-<lb/>
glaubtes, vorgeſtelltes, eingebildetes Sein, d. h. es hat ſelbſt<lb/>
nur den Werth, die Qualität einer Bedeutung. Ein Ding,<lb/>
das für mich eine beſondere Bedeutung hat, iſt ein andres in<lb/>
meiner Vorſtellung, als in der Wirklichkeit. Das Bedeutende<lb/>
iſt nicht ſelbſt das, was damit bedeutet wird. Was es iſt,<lb/>
fällt in den Sinn; was es bedeutet, nur in meine Geſinnung,<lb/>
Vorſtellung, Phantaſie, iſt nur für mich, nicht für den Andern,<lb/>
nicht objectiv da. So auch hier. Wenn darum Zwingli<lb/>
geſagt, das Abendmahl habe nur ſubjective Bedeutung, ſo hat<lb/>
er daſſelbe geſagt, was die Andern; nur zerſtörte er die <hirendition="#g">Illu-<lb/></hi></p></div></div></body></text></TEI>
[332/0350]
Proteſtanten von den Katholiken in der Abendmahlslehre!
So entſtund zu Anspach ein Streit über die Frage: „ob der
Leib Chriſti auch in den Magen komme, wie andre Speiſen
verdaut werde und alſo auch durch den natürlichen Gang wie-
der ausgeworfen werde?“
Aber obgleich die Einbildungskraft des Glaubens die
objective Exiſtenz zu einem bloßen Scheine, die gemüthliche,
imaginäre Exiſtenz zur Wahrheit und Wirklichkeit macht; ſo
iſt doch an ſich oder der Wahrheit nach das wirklich Gegen-
ſtändliche nur der natürliche Stoff. Selbſt der göttliche Leib
in der Büchſe des katholiſchen Prieſters iſt an ſich nur im
Glauben göttlicher Leib; dieß äußerliche Ding, in das er das
göttliche Weſen verwandelt, nur ein Glaubensding; denn
der Leib iſt ja auch hier nicht als Leib ſichtbar, fühlbar,
ſchmeckbar. Das heißt: das Brot iſt nur der Bedeutung nach
Fleiſch. Zwar hat für den Glauben dieſe Bedeutung den
Sinn des wirklichen Seins — wie denn überhaupt in der
Ekſtaſe der Inbrunſt das Bedeutende zum Bedeuteten ſelbſt
wird — es ſoll nicht Fleiſch bedeuten, ſondern ſein. Aber
dieſes Sein iſt ja eben kein fleiſchliches; es iſt ſelbſt nur ge-
glaubtes, vorgeſtelltes, eingebildetes Sein, d. h. es hat ſelbſt
nur den Werth, die Qualität einer Bedeutung. Ein Ding,
das für mich eine beſondere Bedeutung hat, iſt ein andres in
meiner Vorſtellung, als in der Wirklichkeit. Das Bedeutende
iſt nicht ſelbſt das, was damit bedeutet wird. Was es iſt,
fällt in den Sinn; was es bedeutet, nur in meine Geſinnung,
Vorſtellung, Phantaſie, iſt nur für mich, nicht für den Andern,
nicht objectiv da. So auch hier. Wenn darum Zwingli
geſagt, das Abendmahl habe nur ſubjective Bedeutung, ſo hat
er daſſelbe geſagt, was die Andern; nur zerſtörte er die Illu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/350>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.