Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.Der Glaube ist das Gegentheil der Liebe. Die chen, der gläubigen Liebe. -- Die Lehre einiger Kirchenväter, wie
z. B. des Origenes, des Gregors von Nyssa, daß die Strafen der Ver- dammten einst enden würden, stammt nicht aus der christlichen oder kirchlichen Lehre, sondern aus dem Platonismus. Ausdrücklich wurde daher auch die Lehre von der Endlichkeit der Höllenstrafen nicht nur von der katholischen, sondern auch protestantischen Kirche (Augsb. Confess. Art. 17.) verworfen. Der Glaube iſt das Gegentheil der Liebe. Die chen, der gläubigen Liebe. — Die Lehre einiger Kirchenväter, wie
z. B. des Origenes, des Gregors von Nyſſa, daß die Strafen der Ver- dammten einſt enden würden, ſtammt nicht aus der chriſtlichen oder kirchlichen Lehre, ſondern aus dem Platonismus. Ausdrücklich wurde daher auch die Lehre von der Endlichkeit der Höllenſtrafen nicht nur von der katholiſchen, ſondern auch proteſtantiſchen Kirche (Augsb. Confeſſ. Art. 17.) verworfen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0368" n="350"/> <p><hi rendition="#g">Der Glaube iſt das Gegentheil der Liebe</hi>. Die<lb/> Liebe erkennt auch in der Sünde noch die Tugend, im Irrthum<lb/> die Wahrheit. Nur ſeit der Zeit, wo an die Stelle der Macht<lb/> des Glaubens die Macht der naturwahren Einheit der Menſch-<lb/> heit, die Macht der Vernunft, der Humanität getreten, erblickt<lb/> man auch im Polytheismus, im Götzendienſt überhaupt Wahr-<lb/> heit oder ſucht man wenigſtens durch poſitive Gründe zu er-<lb/> klären, was der in ſich ſelbſt befangene Glaube nur aus dem<lb/> Teufel ableitet. Darum iſt die <hi rendition="#g">Liebe nur identiſch mit<lb/> der Vernunft</hi>, aber nicht mit dem Glauben. Denn wie die<lb/> Vernunft, ſo iſt die Liebe freier, univerſeller, der Glaube aber<lb/> engherziger, beſchränkter Natur. Nur wo Vernunft, da herrſcht<lb/> allgemeine Liebe. Die Vernunft iſt ſelbſt nichts andres als<lb/> die <hi rendition="#g">univerſale</hi> Liebe. Der Glaube hat die Hölle erfunden,<lb/> nicht die Liebe, nicht die Vernunft. Der Liebe iſt die Hölle ein<lb/> Greuel, der Vernunft ein Unſinn. Es wäre erbärmlich, in<lb/> der Hölle nur eine Verirrung des Glaubens, einen falſchen<lb/> Glauben erblicken zu wollen. Die Hölle ſteht auch ſchon in<lb/> der Bibel. Der Glaube iſt überhaupt überall ſich ſelbſt gleich,<lb/> wenigſtens der poſitiv religiöſe Glaube, der Glaube in <hi rendition="#g">dem</hi><lb/> Sinne, in welchem er hier genommen wird und genommen<lb/> werden muß, wenn man nicht die Elemente der Vernunft, der<lb/> Bildung mit dem Glauben vermiſchen will — eine Vermi-<lb/><note xml:id="note-0368" prev="#note-0367" place="foot" n="**)"><hi rendition="#g">chen</hi>, der <hi rendition="#g">gläubigen</hi> Liebe. — Die Lehre einiger Kirchenväter, wie<lb/> z. B. des Origenes, des Gregors von Nyſſa, daß die Strafen der Ver-<lb/> dammten einſt enden würden, ſtammt nicht aus der <hi rendition="#g">chriſtlichen</hi> oder<lb/><hi rendition="#g">kirchlichen</hi> Lehre, ſondern aus dem Platonismus. Ausdrücklich wurde<lb/> daher auch die Lehre von der Endlichkeit der Höllenſtrafen nicht nur von der<lb/> katholiſchen, ſondern auch proteſtantiſchen Kirche (Augsb. Confeſſ. Art.<lb/> 17.) verworfen.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [350/0368]
Der Glaube iſt das Gegentheil der Liebe. Die
Liebe erkennt auch in der Sünde noch die Tugend, im Irrthum
die Wahrheit. Nur ſeit der Zeit, wo an die Stelle der Macht
des Glaubens die Macht der naturwahren Einheit der Menſch-
heit, die Macht der Vernunft, der Humanität getreten, erblickt
man auch im Polytheismus, im Götzendienſt überhaupt Wahr-
heit oder ſucht man wenigſtens durch poſitive Gründe zu er-
klären, was der in ſich ſelbſt befangene Glaube nur aus dem
Teufel ableitet. Darum iſt die Liebe nur identiſch mit
der Vernunft, aber nicht mit dem Glauben. Denn wie die
Vernunft, ſo iſt die Liebe freier, univerſeller, der Glaube aber
engherziger, beſchränkter Natur. Nur wo Vernunft, da herrſcht
allgemeine Liebe. Die Vernunft iſt ſelbſt nichts andres als
die univerſale Liebe. Der Glaube hat die Hölle erfunden,
nicht die Liebe, nicht die Vernunft. Der Liebe iſt die Hölle ein
Greuel, der Vernunft ein Unſinn. Es wäre erbärmlich, in
der Hölle nur eine Verirrung des Glaubens, einen falſchen
Glauben erblicken zu wollen. Die Hölle ſteht auch ſchon in
der Bibel. Der Glaube iſt überhaupt überall ſich ſelbſt gleich,
wenigſtens der poſitiv religiöſe Glaube, der Glaube in dem
Sinne, in welchem er hier genommen wird und genommen
werden muß, wenn man nicht die Elemente der Vernunft, der
Bildung mit dem Glauben vermiſchen will — eine Vermi-
**)
**) chen, der gläubigen Liebe. — Die Lehre einiger Kirchenväter, wie
z. B. des Origenes, des Gregors von Nyſſa, daß die Strafen der Ver-
dammten einſt enden würden, ſtammt nicht aus der chriſtlichen oder
kirchlichen Lehre, ſondern aus dem Platonismus. Ausdrücklich wurde
daher auch die Lehre von der Endlichkeit der Höllenſtrafen nicht nur von der
katholiſchen, ſondern auch proteſtantiſchen Kirche (Augsb. Confeſſ. Art.
17.) verworfen.
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