Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.ters, Standes, der Nationalität beglücken, vereinen. Christus *) Die handelnde Liebe ist und muß natürlich immer eine be-
sondere, beschränkte, d. h. auf das Nächste gerichtete sein. Aber sie ist doch ihrer Natur nach eine universale, indem sie den Men- schen um des Menschen willen, den Menschen im Namen der Gattung liebt. Die christliche Liebe dagegen ist ihrer Natur nach exclusiv. ters, Standes, der Nationalität beglücken, vereinen. Chriſtus *) Die handelnde Liebe iſt und muß natürlich immer eine be-
ſondere, beſchränkte, d. h. auf das Nächſte gerichtete ſein. Aber ſie iſt doch ihrer Natur nach eine univerſale, indem ſie den Men- ſchen um des Menſchen willen, den Menſchen im Namen der Gattung liebt. Die chriſtliche Liebe dagegen iſt ihrer Natur nach excluſiv. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0386" n="368"/> ters, Standes, der Nationalität beglücken, vereinen. Chriſtus<lb/> iſt die Liebe der Menſchheit zu ſich ſelbſt als ein Bild — der<lb/> entwickelten Natur der Religion zufolge — oder als eine Per-<lb/> ſon — eine Perſon, die aber nur die Bedeutung eines Bildes<lb/> hat, nur eine ideale iſt. Darum wird als Kennzeichen der<lb/> Jünger die Liebe ausgeſprochen. Die Liebe iſt aber, wie ge-<lb/> ſagt, nichts andres als die Bethätigung, die Realiſation der<lb/> Einheit der Gattung durch die Geſinnung. Die Gattung iſt<lb/> kein Abſtractum; ſie exiſtirt im Gefühle, in der Geſinnung, in<lb/> der Energie der Liebe. Die Gattung iſt es, die mir Liebe ein-<lb/> flößt. Ein liebevolles Herz iſt das Herz der Gattung. Alſo<lb/> iſt Chriſtus als das <hi rendition="#g">Bewußtſein der Liebe</hi> das <hi rendition="#g">Bewußt-<lb/> ſein der Gattung</hi>. Alle ſollen wir <hi rendition="#g">eines</hi> in Chriſtus ſein.<lb/> Chriſtus iſt das Bewußtſein unſrer Identität. Wer alſo den<lb/> Menſchen um des Menſchen willen liebt, wer ſich zur Liebe<lb/> der Gattung erhebt, zur univerſalen, dem Weſen der Gattung<lb/> adäquaten Liebe<note place="foot" n="*)">Die <hi rendition="#g">handelnde</hi> Liebe iſt und muß natürlich immer eine <hi rendition="#g">be-<lb/> ſondere, beſchränkte</hi>, d. h. auf das Nächſte gerichtete ſein. Aber<lb/> ſie iſt doch ihrer <hi rendition="#g">Natur nach</hi> eine <hi rendition="#g">univerſale</hi>, indem ſie den Men-<lb/> ſchen um des Menſchen willen, den Menſchen im Namen der Gattung<lb/> liebt. Die chriſtliche Liebe dagegen iſt <hi rendition="#g">ihrer Natur</hi> nach excluſiv.</note>, der iſt Chriſt, der iſt Chriſtus ſelbſt.<lb/> Er thut, was Chriſtus that, was Chriſtus zu Chriſtus<lb/> machte. Wo alſo das Bewußtfein der Gattung als Gat-<lb/> tung entſteht, da verſchwindet Chriſtus, ohne daß ſein wah-<lb/> res Weſen vergeht; denn Er war ja der Stellvertreter des<lb/> Bewußtſeins der Gattung, das Bild, unter welchem die Gat-<lb/> tung dem Volke das Bewußtſein der Gattung als das <hi rendition="#g">Geſetz</hi><lb/> ſeines Lebens beibrachte.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [368/0386]
ters, Standes, der Nationalität beglücken, vereinen. Chriſtus
iſt die Liebe der Menſchheit zu ſich ſelbſt als ein Bild — der
entwickelten Natur der Religion zufolge — oder als eine Per-
ſon — eine Perſon, die aber nur die Bedeutung eines Bildes
hat, nur eine ideale iſt. Darum wird als Kennzeichen der
Jünger die Liebe ausgeſprochen. Die Liebe iſt aber, wie ge-
ſagt, nichts andres als die Bethätigung, die Realiſation der
Einheit der Gattung durch die Geſinnung. Die Gattung iſt
kein Abſtractum; ſie exiſtirt im Gefühle, in der Geſinnung, in
der Energie der Liebe. Die Gattung iſt es, die mir Liebe ein-
flößt. Ein liebevolles Herz iſt das Herz der Gattung. Alſo
iſt Chriſtus als das Bewußtſein der Liebe das Bewußt-
ſein der Gattung. Alle ſollen wir eines in Chriſtus ſein.
Chriſtus iſt das Bewußtſein unſrer Identität. Wer alſo den
Menſchen um des Menſchen willen liebt, wer ſich zur Liebe
der Gattung erhebt, zur univerſalen, dem Weſen der Gattung
adäquaten Liebe *), der iſt Chriſt, der iſt Chriſtus ſelbſt.
Er thut, was Chriſtus that, was Chriſtus zu Chriſtus
machte. Wo alſo das Bewußtfein der Gattung als Gat-
tung entſteht, da verſchwindet Chriſtus, ohne daß ſein wah-
res Weſen vergeht; denn Er war ja der Stellvertreter des
Bewußtſeins der Gattung, das Bild, unter welchem die Gat-
tung dem Volke das Bewußtſein der Gattung als das Geſetz
ſeines Lebens beibrachte.
*) Die handelnde Liebe iſt und muß natürlich immer eine be-
ſondere, beſchränkte, d. h. auf das Nächſte gerichtete ſein. Aber
ſie iſt doch ihrer Natur nach eine univerſale, indem ſie den Men-
ſchen um des Menſchen willen, den Menſchen im Namen der Gattung
liebt. Die chriſtliche Liebe dagegen iſt ihrer Natur nach excluſiv.
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