ten." "Es hat der Sohn Gottes selbst wahrhaftig, doch nach der angenommenen menschlichen Natur gelitten und ist wahrhaftig gestorben, wiewohl die göttliche Natur weder leiden, noch sterben kann." "Ist recht geredet: Gottes Sohn leidet. Denn obwohl das eine Stück (daß ich so rede) als die Gottheit nicht leidet, so leidet dennoch die Person, welche Gott ist, am andern Stück als an der Menschheit; denn in der Wahrheit ist Gottes Sohn für uns gekreuzigt, das ist die Person, die Gott ist; denn sie ist, Sie (sage ich) die Person ist gekreuzigt nach der Menschheit." "Die Person ists, die alles thut und leidet, eins nach dieser Natur, das andre nach jener Natur, wie das alles die Gelehrten wohl wissen." Concordienb. Erklär. Art. 8. So sind also nur in der Person, d. h. nur in einem Nomen proprium, nur dem Namen nach, aber nicht im Wesen, nicht in der Wahrheit die beiden Naturen zur Einheit verbun- den. Quando dicitur: Deus est homo vel homo est Deus, propositio ejusmodi vocatur personalis. Ratio est, quia unionem personalem in Christo supponit. Sine tali enim naturarum in Christo unione nunquam dicere potuissem Deum esse hominem aut hominem esse Deum. ... Abs- tracta autem naturae de se invicem enuntiari non posse, longe est manifestissimum. ... Dicere itaque non licet, divina natura est humana aut deitas est humanitas et vice versa. J. F. Buddei (Comp. Inst. Theol. dogm. l. IV. c. II. §. 11.) So ist also die Einheit des göttlichen und menschlichen Wesens in der Incarnation nur eine Täu- schung, eine Illusion. Das alte Dissidium von Gott und Mensch liegt auch ihr noch zu Grunde und wirkt um so ver- derblicher, ist um so häßlicher, als es sich hinter den Schein, hinter die Imagination der Einheit verbirgt. Darum war auch der Socinianismus nichts weniger als flach, wenn er wie die Trinität, so auch das Compositum des Gottmenschen negirte -- er war nur consequent, nur wahrhaft. Gott war ein dreipersönliches Wesen und doch sollte er zugleich schlecht-
ten.“ „Es hat der Sohn Gottes ſelbſt wahrhaftig, doch nach der angenommenen menſchlichen Natur gelitten und iſt wahrhaftig geſtorben, wiewohl die göttliche Natur weder leiden, noch ſterben kann.“ „Iſt recht geredet: Gottes Sohn leidet. Denn obwohl das eine Stück (daß ich ſo rede) als die Gottheit nicht leidet, ſo leidet dennoch die Perſon, welche Gott iſt, am andern Stück als an der Menſchheit; denn in der Wahrheit iſt Gottes Sohn für uns gekreuzigt, das iſt die Perſon, die Gott iſt; denn ſie iſt, Sie (ſage ich) die Perſon iſt gekreuzigt nach der Menſchheit.“ „Die Perſon iſts, die alles thut und leidet, eins nach dieſer Natur, das andre nach jener Natur, wie das alles die Gelehrten wohl wiſſen.“ Concordienb. Erklär. Art. 8. So ſind alſo nur in der Perſon, d. h. nur in einem Nomen proprium, nur dem Namen nach, aber nicht im Weſen, nicht in der Wahrheit die beiden Naturen zur Einheit verbun- den. Quando dicitur: Deus est homo vel homo est Deus, propositio ejusmodi vocatur personalis. Ratio est, quia unionem personalem in Christo supponit. Sine tali enim naturarum in Christo unione nunquam dicere potuissem Deum esse hominem aut hominem esse Deum. … Abs- tracta autem naturae de se invicem enuntiari non posse, longe est manifestissimum. … Dicere itaque non licet, divina natura est humana aut deitas est humanitas et vice versa. J. F. Buddei (Comp. Inst. Theol. dogm. l. IV. c. II. §. 11.) So iſt alſo die Einheit des göttlichen und menſchlichen Weſens in der Incarnation nur eine Täu- ſchung, eine Illuſion. Das alte Diſſidium von Gott und Menſch liegt auch ihr noch zu Grunde und wirkt um ſo ver- derblicher, iſt um ſo häßlicher, als es ſich hinter den Schein, hinter die Imagination der Einheit verbirgt. Darum war auch der Socinianismus nichts weniger als flach, wenn er wie die Trinität, ſo auch das Compoſitum des Gottmenſchen negirte — er war nur conſequent, nur wahrhaft. Gott war ein dreiperſönliches Weſen und doch ſollte er zugleich ſchlecht-
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ten.“ „Es hat der Sohn Gottes ſelbſt wahrhaftig, doch nach
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wahrhaftig geſtorben, wiewohl die göttliche Natur weder
leiden, noch ſterben kann.“ „Iſt recht geredet: Gottes
Sohn leidet. Denn obwohl das eine Stück (daß ich ſo
rede) als die Gottheit nicht leidet, ſo leidet dennoch die
Perſon, welche Gott iſt, am andern Stück als an der
Menſchheit; denn in der Wahrheit iſt Gottes Sohn für uns
gekreuzigt, das iſt die Perſon, die Gott iſt; denn ſie iſt, Sie
(ſage ich) die Perſon iſt gekreuzigt nach der Menſchheit.“
„Die Perſon iſts, die alles thut und leidet, eins nach dieſer
Natur, das andre nach jener Natur, wie das alles die
Gelehrten wohl wiſſen.“ Concordienb. Erklär. Art. 8.
So ſind alſo nur in der Perſon, d. h. nur in einem Nomen
proprium, nur dem Namen nach, aber nicht im Weſen,
nicht in der Wahrheit die beiden Naturen zur Einheit verbun-
den. Quando dicitur: Deus est homo vel homo est Deus,
propositio ejusmodi vocatur personalis. Ratio est, quia
unionem personalem in Christo supponit. Sine tali enim
naturarum in Christo unione nunquam dicere potuissem
Deum esse hominem aut hominem esse Deum. … Abs-
tracta autem naturae de se invicem enuntiari non posse,
longe est manifestissimum. … Dicere itaque non licet,
divina natura est humana aut deitas est humanitas et
vice versa. J. F. Buddei (Comp. Inst. Theol. dogm.
l. IV. c. II. §. 11.) So iſt alſo die Einheit des göttlichen
und menſchlichen Weſens in der Incarnation nur eine Täu-
ſchung, eine Illuſion. Das alte Diſſidium von Gott und
Menſch liegt auch ihr noch zu Grunde und wirkt um ſo ver-
derblicher, iſt um ſo häßlicher, als es ſich hinter den Schein,
hinter die Imagination der Einheit verbirgt. Darum war
auch der Socinianismus nichts weniger als flach, wenn er
wie die Trinität, ſo auch das Compoſitum des Gottmenſchen
negirte — er war nur conſequent, nur wahrhaft. Gott war
ein dreiperſönliches Weſen und doch ſollte er zugleich ſchlecht-
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/448>, abgerufen am 05.12.2024.
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