Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

ten." "Es hat der Sohn Gottes selbst wahrhaftig, doch nach
der angenommenen menschlichen Natur
gelitten und ist
wahrhaftig gestorben, wiewohl die göttliche Natur weder
leiden, noch sterben kann
." "Ist recht geredet: Gottes
Sohn leidet. Denn obwohl das eine Stück (daß ich so
rede) als die Gottheit nicht leidet, so leidet dennoch die
Person, welche Gott ist, am andern Stück als an der
Menschheit
; denn in der Wahrheit ist Gottes Sohn für uns
gekreuzigt, das ist die Person, die Gott ist; denn sie ist, Sie
(sage ich) die Person ist gekreuzigt nach der Menschheit."
"Die Person ists, die alles thut und leidet, eins nach dieser
Natur
, das andre nach jener Natur, wie das alles die
Gelehrten wohl wissen." Concordienb. Erklär. Art. 8.
So sind also nur in der Person, d. h. nur in einem Nomen
proprium,
nur dem Namen nach, aber nicht im Wesen,
nicht in der Wahrheit die beiden Naturen zur Einheit verbun-
den. Quando dicitur: Deus est homo vel homo est Deus,
propositio ejusmodi vocatur personalis. Ratio est, quia
unionem personalem in Christo supponit. Sine tali enim
naturarum in Christo unione nunquam dicere potuissem
Deum esse hominem aut hominem esse Deum. ... Abs-
tracta autem naturae de se invicem enuntiari non posse,
longe est manifestissimum. ... Dicere itaque non licet,
divina natura est humana aut deitas est humanitas et
vice versa. J. F. Buddei (Comp. Inst. Theol. dogm.
l. IV. c. II. §. 11.)
So ist also die Einheit des göttlichen
und menschlichen Wesens in der Incarnation nur eine Täu-
schung, eine Illusion. Das alte Dissidium von Gott und
Mensch liegt auch ihr noch zu Grunde und wirkt um so ver-
derblicher, ist um so häßlicher, als es sich hinter den Schein,
hinter die Imagination der Einheit verbirgt. Darum war
auch der Socinianismus nichts weniger als flach, wenn er
wie die Trinität, so auch das Compositum des Gottmenschen
negirte -- er war nur consequent, nur wahrhaft. Gott war
ein dreipersönliches Wesen und doch sollte er zugleich schlecht-

ten.“ „Es hat der Sohn Gottes ſelbſt wahrhaftig, doch nach
der angenommenen menſchlichen Natur
gelitten und iſt
wahrhaftig geſtorben, wiewohl die göttliche Natur weder
leiden, noch ſterben kann
.“ „Iſt recht geredet: Gottes
Sohn leidet. Denn obwohl das eine Stück (daß ich ſo
rede) als die Gottheit nicht leidet, ſo leidet dennoch die
Perſon, welche Gott iſt, am andern Stück als an der
Menſchheit
; denn in der Wahrheit iſt Gottes Sohn für uns
gekreuzigt, das iſt die Perſon, die Gott iſt; denn ſie iſt, Sie
(ſage ich) die Perſon iſt gekreuzigt nach der Menſchheit.“
„Die Perſon iſts, die alles thut und leidet, eins nach dieſer
Natur
, das andre nach jener Natur, wie das alles die
Gelehrten wohl wiſſen.“ Concordienb. Erklär. Art. 8.
So ſind alſo nur in der Perſon, d. h. nur in einem Nomen
proprium,
nur dem Namen nach, aber nicht im Weſen,
nicht in der Wahrheit die beiden Naturen zur Einheit verbun-
den. Quando dicitur: Deus est homo vel homo est Deus,
propositio ejusmodi vocatur personalis. Ratio est, quia
unionem personalem in Christo supponit. Sine tali enim
naturarum in Christo unione nunquam dicere potuissem
Deum esse hominem aut hominem esse Deum. … Abs-
tracta autem naturae de se invicem enuntiari non posse,
longe est manifestissimum. … Dicere itaque non licet,
divina natura est humana aut deitas est humanitas et
vice versa. J. F. Buddei (Comp. Inst. Theol. dogm.
l. IV. c. II. §. 11.)
So iſt alſo die Einheit des göttlichen
und menſchlichen Weſens in der Incarnation nur eine Täu-
ſchung, eine Illuſion. Das alte Diſſidium von Gott und
Menſch liegt auch ihr noch zu Grunde und wirkt um ſo ver-
derblicher, iſt um ſo häßlicher, als es ſich hinter den Schein,
hinter die Imagination der Einheit verbirgt. Darum war
auch der Socinianismus nichts weniger als flach, wenn er
wie die Trinität, ſo auch das Compoſitum des Gottmenſchen
negirte — er war nur conſequent, nur wahrhaft. Gott war
ein dreiperſönliches Weſen und doch ſollte er zugleich ſchlecht-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0448" n="430"/>
ten</hi>.&#x201C; &#x201E;Es hat der Sohn Gottes &#x017F;elb&#x017F;t wahrhaftig, doch <hi rendition="#g">nach<lb/>
der angenommenen men&#x017F;chlichen Natur</hi> gelitten und i&#x017F;t<lb/>
wahrhaftig ge&#x017F;torben, wiewohl <hi rendition="#g">die göttliche Natur weder<lb/>
leiden, noch &#x017F;terben kann</hi>.&#x201C; &#x201E;I&#x017F;t recht geredet: Gottes<lb/>
Sohn leidet. Denn obwohl <hi rendition="#g">das eine Stück</hi> (daß ich &#x017F;o<lb/>
rede) <hi rendition="#g">als die Gottheit nicht leidet</hi>, &#x017F;o leidet dennoch die<lb/>
Per&#x017F;on, welche Gott i&#x017F;t, <hi rendition="#g">am andern Stück als an der<lb/>
Men&#x017F;chheit</hi>; denn in der Wahrheit i&#x017F;t Gottes Sohn für uns<lb/>
gekreuzigt, das i&#x017F;t <hi rendition="#g">die Per&#x017F;on</hi>, die Gott i&#x017F;t; denn &#x017F;ie i&#x017F;t, Sie<lb/>
(&#x017F;age ich) die Per&#x017F;on i&#x017F;t gekreuzigt <hi rendition="#g">nach der Men&#x017F;chheit</hi>.&#x201C;<lb/>
&#x201E;Die Per&#x017F;on i&#x017F;ts, die alles thut und leidet, <hi rendition="#g">eins nach die&#x017F;er<lb/>
Natur</hi>, das <hi rendition="#g">andre nach jener Natur</hi>, wie das alles die<lb/>
Gelehrten wohl wi&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; <hi rendition="#g">Concordienb. Erklär. Art.</hi> 8.<lb/>
So &#x017F;ind al&#x017F;o nur in der Per&#x017F;on, d. h. nur in einem <hi rendition="#aq">Nomen<lb/>
proprium,</hi> nur dem <hi rendition="#g">Namen</hi> nach, aber nicht im We&#x017F;en,<lb/>
nicht in der Wahrheit die beiden Naturen zur Einheit verbun-<lb/>
den. <hi rendition="#aq">Quando dicitur: Deus est homo vel homo est Deus,<lb/>
propositio ejusmodi vocatur personalis. Ratio est, quia<lb/>
unionem personalem in Christo supponit. Sine tali enim<lb/>
naturarum in Christo unione nunquam dicere potuissem<lb/>
Deum esse hominem aut hominem esse Deum. &#x2026; Abs-<lb/>
tracta autem naturae de se invicem enuntiari non posse,<lb/>
longe est manifestissimum. &#x2026; Dicere itaque non licet,<lb/>
divina natura est humana aut deitas est humanitas et<lb/>
vice versa. J. F. <hi rendition="#g">Buddei</hi> (Comp. Inst. Theol. dogm.<lb/>
l. IV. c. II. §. 11.)</hi> So i&#x017F;t al&#x017F;o die Einheit des göttlichen<lb/>
und men&#x017F;chlichen We&#x017F;ens in der Incarnation nur eine Täu-<lb/>
&#x017F;chung, eine Illu&#x017F;ion. Das alte Di&#x017F;&#x017F;idium von Gott und<lb/>
Men&#x017F;ch liegt auch ihr noch zu Grunde und wirkt um &#x017F;o ver-<lb/>
derblicher, i&#x017F;t um &#x017F;o häßlicher, als es &#x017F;ich hinter den Schein,<lb/>
hinter die Imagination der Einheit verbirgt. Darum war<lb/>
auch der Socinianismus nichts weniger als flach, wenn er<lb/>
wie die Trinität, &#x017F;o auch das Compo&#x017F;itum des Gottmen&#x017F;chen<lb/>
negirte &#x2014; er war nur con&#x017F;equent, nur wahrhaft. Gott war<lb/>
ein dreiper&#x017F;önliches We&#x017F;en und doch &#x017F;ollte er zugleich &#x017F;chlecht-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[430/0448] ten.“ „Es hat der Sohn Gottes ſelbſt wahrhaftig, doch nach der angenommenen menſchlichen Natur gelitten und iſt wahrhaftig geſtorben, wiewohl die göttliche Natur weder leiden, noch ſterben kann.“ „Iſt recht geredet: Gottes Sohn leidet. Denn obwohl das eine Stück (daß ich ſo rede) als die Gottheit nicht leidet, ſo leidet dennoch die Perſon, welche Gott iſt, am andern Stück als an der Menſchheit; denn in der Wahrheit iſt Gottes Sohn für uns gekreuzigt, das iſt die Perſon, die Gott iſt; denn ſie iſt, Sie (ſage ich) die Perſon iſt gekreuzigt nach der Menſchheit.“ „Die Perſon iſts, die alles thut und leidet, eins nach dieſer Natur, das andre nach jener Natur, wie das alles die Gelehrten wohl wiſſen.“ Concordienb. Erklär. Art. 8. So ſind alſo nur in der Perſon, d. h. nur in einem Nomen proprium, nur dem Namen nach, aber nicht im Weſen, nicht in der Wahrheit die beiden Naturen zur Einheit verbun- den. Quando dicitur: Deus est homo vel homo est Deus, propositio ejusmodi vocatur personalis. Ratio est, quia unionem personalem in Christo supponit. Sine tali enim naturarum in Christo unione nunquam dicere potuissem Deum esse hominem aut hominem esse Deum. … Abs- tracta autem naturae de se invicem enuntiari non posse, longe est manifestissimum. … Dicere itaque non licet, divina natura est humana aut deitas est humanitas et vice versa. J. F. Buddei (Comp. Inst. Theol. dogm. l. IV. c. II. §. 11.) So iſt alſo die Einheit des göttlichen und menſchlichen Weſens in der Incarnation nur eine Täu- ſchung, eine Illuſion. Das alte Diſſidium von Gott und Menſch liegt auch ihr noch zu Grunde und wirkt um ſo ver- derblicher, iſt um ſo häßlicher, als es ſich hinter den Schein, hinter die Imagination der Einheit verbirgt. Darum war auch der Socinianismus nichts weniger als flach, wenn er wie die Trinität, ſo auch das Compoſitum des Gottmenſchen negirte — er war nur conſequent, nur wahrhaft. Gott war ein dreiperſönliches Weſen und doch ſollte er zugleich ſchlecht-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/448
Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/448>, abgerufen am 05.12.2024.