quam privatas injurias fuisse persecutum, und schied von ihm mit bibelfester Gesinnung: ab haeretico homine, qui autokatakritos peccabat, secundum Pauli prae- ceptum discessi (ibid. p. 120). Es war also keineswegs persönlicher Haß, wenn auch dieser mit im Spiel gewesen sein mag, es war der religiöse Haß, der S. auf den Scheiter- haufen brachte -- der Haß, der aus dem Wesen des Glau- bens entspringt. Selber Melanchthon billigte bekanntlich Ser- vets Hinrichtung. Die Schweizer Theologen, welche die Genfer um ihren Rath fragten, erwähnten zwar in ihren Ant- worten schlangenkluger Weise nichts von der Todesstrafe, aber stimmten doch darin mit den Genfern überein, horrendos Serveti errores detestandos esse, severiusque idcirco in Servetum animadvertendum. Also keine Differenz im Princip, nur in der Art und Weise der Bestrafung. Selbst Calvin war so christlich, daß er die grausame Todesart, wozu der Genfer Senat S. verurtheilte, mildern wollte. Auch die spätern Chri- sten und Theologen billigten noch die Hinrichtung Servets. (S. hierüber z. B. M. Adami Vita Calvini p. 90. Vita Bezae p. 207. Vitae Theol. exter. Francof. 1618). Wir haben daher diese Hinrichtung als eine Handlung von allgemeiner Bedeutung -- als ein Werk des Glaubens und zwar nicht des römisch-katholischen, sondern des reformirten, des auf die göttliche Offenbarung reducirten, des evangelischen Glaubens anzusehen. -- Daß man die Ketzer nicht durch Gewalt zum Glauben zwingen müsse, dieß allerdings behaupteten die mei- sten Kirchenlichter, aber gleichwohl lebte in ihnen doch der boshafteste Ketzerhaß. So sagt z. B. der heilige Bernhard (Super Cantica S. 66.) in Betreff der Ketzer: Fides sua- denda est, non imponenda, aber er setzt sogleich hinzu: quamquam melius procul dubio gladio coercerentur, illius videlicet, qui non sine causa gladium portat, quam in suum errorem multos trajicere permittantur. -- Wenn der jetzige Glaube keine solchen eclatanten Greuelthaten mehr her- vorbringt, so kommt das nur daher, daß unser Glaube kein
quam privatas injurias fuisse persecutum, und ſchied von ihm mit bibelfeſter Geſinnung: ab haeretico homine, qui αὐτοκατάκϱιτος peccabat, secundum Pauli prae- ceptum discessi (ibid. p. 120). Es war alſo keineswegs perſönlicher Haß, wenn auch dieſer mit im Spiel geweſen ſein mag, es war der religiöſe Haß, der S. auf den Scheiter- haufen brachte — der Haß, der aus dem Weſen des Glau- bens entſpringt. Selber Melanchthon billigte bekanntlich Ser- vets Hinrichtung. Die Schweizer Theologen, welche die Genfer um ihren Rath fragten, erwähnten zwar in ihren Ant- worten ſchlangenkluger Weiſe nichts von der Todesſtrafe, aber ſtimmten doch darin mit den Genfern überein, horrendos Serveti errores detestandos esse, severiusque idcirco in Servetum animadvertendum. Alſo keine Differenz im Princip, nur in der Art und Weiſe der Beſtrafung. Selbſt Calvin war ſo chriſtlich, daß er die grauſame Todesart, wozu der Genfer Senat S. verurtheilte, mildern wollte. Auch die ſpätern Chri- ſten und Theologen billigten noch die Hinrichtung Servets. (S. hierüber z. B. M. Adami Vita Calvini p. 90. Vita Bezae p. 207. Vitae Theol. exter. Francof. 1618). Wir haben daher dieſe Hinrichtung als eine Handlung von allgemeiner Bedeutung — als ein Werk des Glaubens und zwar nicht des römiſch-katholiſchen, ſondern des reformirten, des auf die göttliche Offenbarung reducirten, des evangeliſchen Glaubens anzuſehen. — Daß man die Ketzer nicht durch Gewalt zum Glauben zwingen müſſe, dieß allerdings behaupteten die mei- ſten Kirchenlichter, aber gleichwohl lebte in ihnen doch der boshafteſte Ketzerhaß. So ſagt z. B. der heilige Bernhard (Super Cantica S. 66.) in Betreff der Ketzer: Fides sua- denda est, non imponenda, aber er ſetzt ſogleich hinzu: quamquam melius procul dubio gladio coercerentur, illius videlicet, qui non sine causa gladium portat, quam in suum errorem multos trajicere permittantur. — Wenn der jetzige Glaube keine ſolchen eclatanten Greuelthaten mehr her- vorbringt, ſo kommt das nur daher, daß unſer Glaube kein
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perſönlicher Haß, wenn auch dieſer mit im Spiel geweſen ſein
mag, es war der religiöſe Haß, der S. auf den Scheiter-
haufen brachte — der Haß, der aus dem Weſen des Glau-
bens entſpringt. Selber Melanchthon billigte bekanntlich Ser-
vets Hinrichtung. Die Schweizer Theologen, welche die
Genfer um ihren Rath fragten, erwähnten zwar in ihren Ant-
worten ſchlangenkluger Weiſe nichts von der Todesſtrafe, aber
ſtimmten doch darin mit den Genfern überein, horrendos
Serveti errores detestandos esse, severiusque idcirco in
Servetum animadvertendum. Alſo keine Differenz im Princip,
nur in der Art und Weiſe der Beſtrafung. Selbſt Calvin war
ſo chriſtlich, daß er die grauſame Todesart, wozu der Genfer
Senat S. verurtheilte, mildern wollte. Auch die ſpätern Chri-
ſten und Theologen billigten noch die Hinrichtung Servets.
(S. hierüber z. B. M. Adami Vita Calvini p. 90. Vita Bezae
p. 207. Vitae Theol. exter. Francof. 1618). Wir haben
daher dieſe Hinrichtung als eine Handlung von allgemeiner
Bedeutung — als ein Werk des Glaubens und zwar nicht
des römiſch-katholiſchen, ſondern des reformirten, des auf die
göttliche Offenbarung reducirten, des evangeliſchen Glaubens
anzuſehen. — Daß man die Ketzer nicht durch Gewalt zum
Glauben zwingen müſſe, dieß allerdings behaupteten die mei-
ſten Kirchenlichter, aber gleichwohl lebte in ihnen doch der
boshafteſte Ketzerhaß. So ſagt z. B. der heilige Bernhard
(Super Cantica S. 66.) in Betreff der Ketzer: Fides sua-
denda est, non imponenda, aber er ſetzt ſogleich hinzu:
quamquam melius procul dubio gladio coercerentur, illius
videlicet, qui non sine causa gladium portat, quam in
suum errorem multos trajicere permittantur. — Wenn der
jetzige Glaube keine ſolchen eclatanten Greuelthaten mehr her-
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/461>, abgerufen am 04.12.2024.
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