Es kann etwas für den Menschen auf ver- schiedene Art ein Uebel seyn, nämlich I. da- durch, dass es das Gefühlvermögen unmittelbar unangenehm afficirt, also unmittelbar, ohne Reflexion auf die Folgen desselben ein Gegen- stand der Verabscheuung ist · sinnliches Uebel im engern Sinn; II. dadurch, dass es in seinen Fol- gen den sinnlichen Zwecken des Lebens wider- spricht Hier wird der Gegenstand, darum ein Gegenstand der Verabscheuung, weil der Ver- stand auf die entfernteren unangenehmen Fol- gen reflectirt, die aus ihm herfliessen. Verstän- diges Uebel. Das sinnliche Uebel ist thierisches Uebel, wenn das Gefühlvermögen durch Einwir- kung auf den Körper unangenehm afficirt wird, (wenn es körperlichen Schmerz erregt); in- tellectuelles Uebel (Uebel der Einbildung), wenn das unangenehme Gefühl durch blosse Vor- stellung bewirkt wird *).
§. 184.
Daraus folgt: I. eine Strafe ist um so grösser, je mehr das in ihr enthaltene Uebel entweder unmit- telbar das Gefühlvermögen afficirt, oder je mehr es in seinen Folgen den Zwecken des Menschen wider- spricht. II. Eine Strafe ist um so grösser, je zusam- mengesetzer das in ihr enthaltene Uebel ist. Aus dem zweyten Satze folgt: 1) diejenige Strafe ist die gröste, die das gröste sinnliche und ver-
stän-
*) So z. B. wirkt der blosse Gedanke, ehrlos zu seyn. un mittelbar Unlust, ohne dass der Mensch erst auf die Folgen der Infamie zu sehen braucht.
V. d. Verhältniſs dieſ. Straf. zu einand.
§. 183.
Es kann etwas für den Menſchen auf ver- ſchiedene Art ein Uebel ſeyn, nämlich I. da- durch, daſs es das Gefühlvermögen unmittelbar unangenehm afficirt, alſo unmittelbar, ohne Reflexion auf die Folgen deſſelben ein Gegen- ſtand der Verabſcheuung iſt · ſinnliches Uebel im engern Sinn; II. dadurch, daſs es in ſeinen Fol- gen den ſinnlichen Zwecken des Lebens wider- ſpricht Hier wird der Gegenſtand, darum ein Gegenſtand der Verabſcheuung, weil der Ver- ſtand auf die entfernteren unangenehmen Fol- gen reflectirt, die aus ihm herflieſsen. Verſtän- diges Uebel. Das ſinnliche Uebel iſt thieriſches Uebel, wenn das Gefühlvermögen durch Einwir- kung auf den Körper unangenehm afficirt wird, (wenn es körperlichen Schmerz erregt); in- tellectuelles Uebel (Uebel der Einbildung), wenn das unangenehme Gefühl durch bloſse Vor- ſtellung bewirkt wird *).
§. 184.
Daraus folgt: I. eine Strafe iſt um ſo gröſser, je mehr das in ihr enthaltene Uebel entweder unmit- telbar das Gefühlvermögen afficirt, oder je mehr es in ſeinen Folgen den Zwecken des Menſchen wider- ſpricht. II. Eine Strafe iſt um ſo gröſser, je zuſam- mengeſetzer das in ihr enthaltene Uebel iſt. Aus dem zweyten Satze folgt: 1) diejenige Strafe iſt die gröſte, die das gröſte ſinnliche und ver-
ſtän-
*) So z. B. wirkt der bloſse Gedanke, ehrlos zu ſeyn. un mittelbar Unluſt, ohne daſs der Menſch erſt auf die Folgen der Infamie zu ſehen braucht.
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V. d. Verhältniſs dieſ. Straf. zu einand.
§. 183.
Es kann etwas für den Menſchen auf ver-
ſchiedene Art ein Uebel ſeyn, nämlich I. da-
durch, daſs es das Gefühlvermögen unmittelbar
unangenehm afficirt, alſo unmittelbar, ohne
Reflexion auf die Folgen deſſelben ein Gegen-
ſtand der Verabſcheuung iſt · ſinnliches Uebel
im engern Sinn; II. dadurch, daſs es in ſeinen Fol-
gen den ſinnlichen Zwecken des Lebens wider-
ſpricht Hier wird der Gegenſtand, darum ein
Gegenſtand der Verabſcheuung, weil der Ver-
ſtand auf die entfernteren unangenehmen Fol-
gen reflectirt, die aus ihm herflieſsen. Verſtän-
diges Uebel. Das ſinnliche Uebel iſt thieriſches
Uebel, wenn das Gefühlvermögen durch Einwir-
kung auf den Körper unangenehm afficirt wird,
(wenn es körperlichen Schmerz erregt); in-
tellectuelles Uebel (Uebel der Einbildung), wenn
das unangenehme Gefühl durch bloſse Vor-
ſtellung bewirkt wird *).
§. 184.
Daraus folgt: I. eine Strafe iſt um ſo gröſser,
je mehr das in ihr enthaltene Uebel entweder unmit-
telbar das Gefühlvermögen afficirt, oder je mehr es
in ſeinen Folgen den Zwecken des Menſchen wider-
ſpricht. II. Eine Strafe iſt um ſo gröſser, je zuſam-
mengeſetzer das in ihr enthaltene Uebel iſt. Aus
dem zweyten Satze folgt: 1) diejenige Strafe
iſt die gröſte, die das gröſte ſinnliche und ver-
ſtän-
*) So z. B. wirkt der bloſse Gedanke, ehrlos zu ſeyn.
un mittelbar Unluſt, ohne daſs der Menſch erſt auf
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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/167>, abgerufen am 24.11.2024.
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