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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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Liebe; erst die Deutung dieser Liebe durch die
Erkenntniß sezt ein Seyn, und zwar ein sol¬
ches, das ewig fort nur werden soll, und die¬
ses, als die einige wahre Welt, in wiefern an
einer Welt überhaupt Wahrheit ist. Dage¬
gen ist die zweite gegebene und von uns als
vorhanden vorgefundene Welt nur der Schat¬
ten, und Schemen, aus welchem die Erkennt¬
niß ihrer Deutung der Liebe eine feste Ge¬
stalt, und einen sichtbaren Leib erbaut; diese
zweite Welt das Mittel und die Bedingung
der Anschaulichkeit der für sich selbst unsicht¬
baren höhern Welt. Nicht einmal in diese
letztere höhere Welt tritt Gott unmittelbar ein,
sondern auch hier nur vermittelt durch die
Eine, reine, unwandelbare und gestaltlose
Liebe, in welcher Liebe allein er unmit¬
telbar erscheint. Zu dieser Liebe tritt hinzu
die anschauende Erkenntniß, welche aus sich
selber ein Bild mitbringt, in das sie den an
sich unsichtbaren Gegenstand der Liebe kleidet;
widersprochen jedoch jedesmal von der Liebe,
und darum fortgetrieben zu neuer Gestaltung,
welcher abermals eben also widersprochen

G 2

Liebe; erſt die Deutung dieſer Liebe durch die
Erkenntniß ſezt ein Seyn, und zwar ein ſol¬
ches, das ewig fort nur werden ſoll, und die¬
ſes, als die einige wahre Welt, in wiefern an
einer Welt uͤberhaupt Wahrheit iſt. Dage¬
gen iſt die zweite gegebene und von uns als
vorhanden vorgefundene Welt nur der Schat¬
ten, und Schemen, aus welchem die Erkennt¬
niß ihrer Deutung der Liebe eine feſte Ge¬
ſtalt, und einen ſichtbaren Leib erbaut; dieſe
zweite Welt das Mittel und die Bedingung
der Anſchaulichkeit der fuͤr ſich ſelbſt unſicht¬
baren hoͤhern Welt. Nicht einmal in dieſe
letztere hoͤhere Welt tritt Gott unmittelbar ein,
ſondern auch hier nur vermittelt durch die
Eine, reine, unwandelbare und geſtaltloſe
Liebe, in welcher Liebe allein er unmit¬
telbar erſcheint. Zu dieſer Liebe tritt hinzu
die anſchauende Erkenntniß, welche aus ſich
ſelber ein Bild mitbringt, in das ſie den an
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[99/0105] Liebe; erſt die Deutung dieſer Liebe durch die Erkenntniß ſezt ein Seyn, und zwar ein ſol¬ ches, das ewig fort nur werden ſoll, und die¬ ſes, als die einige wahre Welt, in wiefern an einer Welt uͤberhaupt Wahrheit iſt. Dage¬ gen iſt die zweite gegebene und von uns als vorhanden vorgefundene Welt nur der Schat¬ ten, und Schemen, aus welchem die Erkennt¬ niß ihrer Deutung der Liebe eine feſte Ge¬ ſtalt, und einen ſichtbaren Leib erbaut; dieſe zweite Welt das Mittel und die Bedingung der Anſchaulichkeit der fuͤr ſich ſelbſt unſicht¬ baren hoͤhern Welt. Nicht einmal in dieſe letztere hoͤhere Welt tritt Gott unmittelbar ein, ſondern auch hier nur vermittelt durch die Eine, reine, unwandelbare und geſtaltloſe Liebe, in welcher Liebe allein er unmit¬ telbar erſcheint. Zu dieſer Liebe tritt hinzu die anſchauende Erkenntniß, welche aus ſich ſelber ein Bild mitbringt, in das ſie den an ſich unſichtbaren Gegenſtand der Liebe kleidet; widerſprochen jedoch jedesmal von der Liebe, und darum fortgetrieben zu neuer Geſtaltung, welcher abermals eben alſo widerſprochen G 2

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/105>, abgerufen am 21.11.2024.