niß gebe, und daß sie wohl wissen möchten, wie man erkennen könne, außer durch Er¬ fahrung. Und damit diese übersinnliche, und a priorische Welt auch sogar an derjenigen Stelle sich nicht verrathe, wo es gar nicht zu vermeiden schien -- an der Möglichkeit einer Erkenntniß von Gott, und selbst an Gotte nicht die geistige Selbstthätigkeit sich erhöbe, sondern das leidende Hingeben alles in allem bliebe, hat gegen diese Gefahr die bisherige Menschenbildung das kühne Mittel gefunden, das Daseyn Gottes zu einem historischen Fak¬ tum zu machen, dessen Wahrheit durch ein Zeugenverhör ausgemittelt wird.
So verhält es sich wohl freilich; dennoch aber wolle das Zeitalter darum nicht an sich sel¬ ber verzagen. Denn diese, und alle andere ähn¬ liche Erscheinungen sind selber nichts selbst¬ ständiges, sondern nur Blüthen und Früchte der wilden Wurzel der alten Zeit. Gebe nur das Zeitalter sich ruhig hin der Ein¬ impfung einer neuen edlern und kräftigern Wurzel, so wird die alte ersticken, und die Blüthen und Früchte derselben, denen aus
niß gebe, und daß ſie wohl wiſſen moͤchten, wie man erkennen koͤnne, außer durch Er¬ fahrung. Und damit dieſe uͤberſinnliche, und a prioriſche Welt auch ſogar an derjenigen Stelle ſich nicht verrathe, wo es gar nicht zu vermeiden ſchien — an der Moͤglichkeit einer Erkenntniß von Gott, und ſelbſt an Gotte nicht die geiſtige Selbſtthaͤtigkeit ſich erhoͤbe, ſondern das leidende Hingeben alles in allem bliebe, hat gegen dieſe Gefahr die bisherige Menſchenbildung das kuͤhne Mittel gefunden, das Daſeyn Gottes zu einem hiſtoriſchen Fak¬ tum zu machen, deſſen Wahrheit durch ein Zeugenverhoͤr ausgemittelt wird.
So verhaͤlt es ſich wohl freilich; dennoch aber wolle das Zeitalter darum nicht an ſich ſel¬ ber verzagen. Denn dieſe, und alle andere aͤhn¬ liche Erſcheinungen ſind ſelber nichts ſelbſt¬ ſtaͤndiges, ſondern nur Bluͤthen und Fruͤchte der wilden Wurzel der alten Zeit. Gebe nur das Zeitalter ſich ruhig hin der Ein¬ impfung einer neuen edlern und kraͤftigern Wurzel, ſo wird die alte erſticken, und die Bluͤthen und Fruͤchte derſelben, denen aus
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niß gebe, und daß ſie wohl wiſſen moͤchten,
wie man erkennen koͤnne, außer durch Er¬
fahrung. Und damit dieſe uͤberſinnliche, und
a prioriſche Welt auch ſogar an derjenigen
Stelle ſich nicht verrathe, wo es gar nicht zu
vermeiden ſchien — an der Moͤglichkeit einer
Erkenntniß von Gott, und ſelbſt an Gotte
nicht die geiſtige Selbſtthaͤtigkeit ſich erhoͤbe,
ſondern das leidende Hingeben alles in allem
bliebe, hat gegen dieſe Gefahr die bisherige
Menſchenbildung das kuͤhne Mittel gefunden,
das Daſeyn Gottes zu einem hiſtoriſchen Fak¬
tum zu machen, deſſen Wahrheit durch ein
Zeugenverhoͤr ausgemittelt wird.
So verhaͤlt es ſich wohl freilich; dennoch
aber wolle das Zeitalter darum nicht an ſich ſel¬
ber verzagen. Denn dieſe, und alle andere aͤhn¬
liche Erſcheinungen ſind ſelber nichts ſelbſt¬
ſtaͤndiges, ſondern nur Bluͤthen und Fruͤchte
der wilden Wurzel der alten Zeit. Gebe
nur das Zeitalter ſich ruhig hin der Ein¬
impfung einer neuen edlern und kraͤftigern
Wurzel, ſo wird die alte erſticken, und die
Bluͤthen und Fruͤchte derſelben, denen aus
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/113>, abgerufen am 21.11.2024.
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