kennen; indem diese Niederträchtigkeit vor Gott ihm als das einzige Mittel vorgestellt wird, mit demselben sich abzufinden: und daß er, falls etwa eine solche Behauptung, wie die unsrige, an sein Ohr trift, nicht anders denken könne, als daß man bloß einen schlechten Scherz mit ihm treiben wolle, indem er allgegenwärtig fühlt in seinem Innern, und mit den Händen greift, daß dieses nicht wahr, sondern das Gegentheil davon allein wahr sey? Wenn wir eine von allem gegebenen Seyn ganz unabhängige und vielmehr diesem Seyn selbst das Gesez ge¬ bende Erkenntniß annehmen, und in diese gleich vom Anbeginn jedes menschliche Kind eintauchen, und es von nun an in dem Gebiete derselben immerfort erhalten wol¬ len, wogegen wir die nur historisch zu er¬ lernende Beschaffenheit der Dinge als eine geringfügige Nebensache, die von selbst sich ergiebt, betrachten; so treten die reifsten Früchte der bisherigen Bildung uns entge¬ gen, und erinnern uns, daß es ja bekann¬ termaaßen gar keine a priorische Erkennt¬
kennen; indem dieſe Niedertraͤchtigkeit vor Gott ihm als das einzige Mittel vorgeſtellt wird, mit demſelben ſich abzufinden: und daß er, falls etwa eine ſolche Behauptung, wie die unſrige, an ſein Ohr trift, nicht anders denken koͤnne, als daß man bloß einen ſchlechten Scherz mit ihm treiben wolle, indem er allgegenwaͤrtig fuͤhlt in ſeinem Innern, und mit den Haͤnden greift, daß dieſes nicht wahr, ſondern das Gegentheil davon allein wahr ſey? Wenn wir eine von allem gegebenen Seyn ganz unabhaͤngige und vielmehr dieſem Seyn ſelbſt das Geſez ge¬ bende Erkenntniß annehmen, und in dieſe gleich vom Anbeginn jedes menſchliche Kind eintauchen, und es von nun an in dem Gebiete derſelben immerfort erhalten wol¬ len, wogegen wir die nur hiſtoriſch zu er¬ lernende Beſchaffenheit der Dinge als eine geringfuͤgige Nebenſache, die von ſelbſt ſich ergiebt, betrachten; ſo treten die reifſten Fruͤchte der bisherigen Bildung uns entge¬ gen, und erinnern uns, daß es ja bekann¬ termaaßen gar keine a prioriſche Erkennt¬
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[106/0112]
kennen; indem dieſe Niedertraͤchtigkeit vor
Gott ihm als das einzige Mittel vorgeſtellt
wird, mit demſelben ſich abzufinden: und
daß er, falls etwa eine ſolche Behauptung,
wie die unſrige, an ſein Ohr trift, nicht
anders denken koͤnne, als daß man bloß
einen ſchlechten Scherz mit ihm treiben
wolle, indem er allgegenwaͤrtig fuͤhlt in ſeinem
Innern, und mit den Haͤnden greift, daß
dieſes nicht wahr, ſondern das Gegentheil
davon allein wahr ſey? Wenn wir eine von
allem gegebenen Seyn ganz unabhaͤngige und
vielmehr dieſem Seyn ſelbſt das Geſez ge¬
bende Erkenntniß annehmen, und in dieſe
gleich vom Anbeginn jedes menſchliche Kind
eintauchen, und es von nun an in dem
Gebiete derſelben immerfort erhalten wol¬
len, wogegen wir die nur hiſtoriſch zu er¬
lernende Beſchaffenheit der Dinge als eine
geringfuͤgige Nebenſache, die von ſelbſt ſich
ergiebt, betrachten; ſo treten die reifſten
Fruͤchte der bisherigen Bildung uns entge¬
gen, und erinnern uns, daß es ja bekann¬
termaaßen gar keine a prioriſche Erkennt¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/112>, abgerufen am 21.11.2024.
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