len, daß in der Wurzel des Menschen ein reiner Wohlgefallen am Guten sey, und daß dieser Wohlgefallen so sehr entwikelt wer¬ den könne, daß es dem Menschen unmöglich werde, das für gut erkannte zu unterlassen, und statt dessen das für bös erkannte zu thun; so hat dagegen die bisherige Erziehung nicht bloß angenommen, sondern auch ihre Zöglinge von früher Jugend an belehrt, theils, daß dem Menschen eine natürliche Abnei¬ gung gegen Gottes Gebote beiwohne, theils, daß es ihm schlechthin unmöglich sey, die¬ selben zu erfüllen. Was läßt von einer sol¬ chen Belehrung, wenn sie für Ernst genom¬ men wird, und Glauben findet, anderes sich erwarten, als daß jeder Einzelne sich in seine nun einmal nicht abzuändernde Natur ergebe, nicht versuche zu leisten, was ihm nun als einmal unmöglich vorgestellt ist, und nicht besser zu seyn begehre, denn er und alle übrigen zu seyn vermögen; ja, daß er sich sogar die ihm angemuthete Niederträchtigkeit gefallen lasse, sich selbst in seiner radikalen Sündhaftigkeit, und Schlechtigkeit anzuer¬
len, daß in der Wurzel des Menſchen ein reiner Wohlgefallen am Guten ſey, und daß dieſer Wohlgefallen ſo ſehr entwikelt wer¬ den koͤnne, daß es dem Menſchen unmoͤglich werde, das fuͤr gut erkannte zu unterlaſſen, und ſtatt deſſen das fuͤr boͤs erkannte zu thun; ſo hat dagegen die bisherige Erziehung nicht bloß angenommen, ſondern auch ihre Zoͤglinge von fruͤher Jugend an belehrt, theils, daß dem Menſchen eine natuͤrliche Abnei¬ gung gegen Gottes Gebote beiwohne, theils, daß es ihm ſchlechthin unmoͤglich ſey, die¬ ſelben zu erfuͤllen. Was laͤßt von einer ſol¬ chen Belehrung, wenn ſie fuͤr Ernſt genom¬ men wird, und Glauben findet, anderes ſich erwarten, als daß jeder Einzelne ſich in ſeine nun einmal nicht abzuaͤndernde Natur ergebe, nicht verſuche zu leiſten, was ihm nun als einmal unmoͤglich vorgeſtellt iſt, und nicht beſſer zu ſeyn begehre, denn er und alle uͤbrigen zu ſeyn vermoͤgen; ja, daß er ſich ſogar die ihm angemuthete Niedertraͤchtigkeit gefallen laſſe, ſich ſelbſt in ſeiner radikalen Suͤndhaftigkeit, und Schlechtigkeit anzuer¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0111"n="105"/>
len, daß in der Wurzel des Menſchen ein<lb/>
reiner Wohlgefallen am Guten ſey, und daß<lb/>
dieſer Wohlgefallen ſo ſehr entwikelt wer¬<lb/>
den koͤnne, daß es dem Menſchen unmoͤglich<lb/>
werde, das fuͤr gut erkannte zu unterlaſſen,<lb/>
und ſtatt deſſen das fuͤr boͤs erkannte zu<lb/>
thun; ſo hat dagegen die bisherige Erziehung<lb/>
nicht bloß angenommen, ſondern auch ihre<lb/>
Zoͤglinge von fruͤher Jugend an belehrt, theils,<lb/>
daß dem Menſchen eine natuͤrliche Abnei¬<lb/>
gung gegen Gottes Gebote beiwohne, theils,<lb/>
daß es ihm ſchlechthin unmoͤglich ſey, die¬<lb/>ſelben zu erfuͤllen. Was laͤßt von einer ſol¬<lb/>
chen Belehrung, wenn ſie fuͤr Ernſt genom¬<lb/>
men wird, und Glauben findet, anderes ſich<lb/>
erwarten, als daß jeder Einzelne ſich in<lb/>ſeine nun einmal nicht abzuaͤndernde Natur<lb/>
ergebe, nicht verſuche zu leiſten, was ihm<lb/>
nun als einmal unmoͤglich vorgeſtellt iſt, und<lb/>
nicht beſſer zu ſeyn begehre, denn er und alle<lb/>
uͤbrigen zu ſeyn vermoͤgen; ja, daß er ſich<lb/>ſogar die ihm angemuthete Niedertraͤchtigkeit<lb/>
gefallen laſſe, ſich ſelbſt in ſeiner radikalen<lb/>
Suͤndhaftigkeit, und Schlechtigkeit anzuer¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[105/0111]
len, daß in der Wurzel des Menſchen ein
reiner Wohlgefallen am Guten ſey, und daß
dieſer Wohlgefallen ſo ſehr entwikelt wer¬
den koͤnne, daß es dem Menſchen unmoͤglich
werde, das fuͤr gut erkannte zu unterlaſſen,
und ſtatt deſſen das fuͤr boͤs erkannte zu
thun; ſo hat dagegen die bisherige Erziehung
nicht bloß angenommen, ſondern auch ihre
Zoͤglinge von fruͤher Jugend an belehrt, theils,
daß dem Menſchen eine natuͤrliche Abnei¬
gung gegen Gottes Gebote beiwohne, theils,
daß es ihm ſchlechthin unmoͤglich ſey, die¬
ſelben zu erfuͤllen. Was laͤßt von einer ſol¬
chen Belehrung, wenn ſie fuͤr Ernſt genom¬
men wird, und Glauben findet, anderes ſich
erwarten, als daß jeder Einzelne ſich in
ſeine nun einmal nicht abzuaͤndernde Natur
ergebe, nicht verſuche zu leiſten, was ihm
nun als einmal unmoͤglich vorgeſtellt iſt, und
nicht beſſer zu ſeyn begehre, denn er und alle
uͤbrigen zu ſeyn vermoͤgen; ja, daß er ſich
ſogar die ihm angemuthete Niedertraͤchtigkeit
gefallen laſſe, ſich ſelbſt in ſeiner radikalen
Suͤndhaftigkeit, und Schlechtigkeit anzuer¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/111>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.