schmilzt, daß gar nicht zu sagen ist, zu welcher von beiden sie selber gehöre; wie verschieden die Folge dieses Einflusses ausfallen möge, da, wo das Verhältniß ist, wie Leben, und Tod, läßt sich im Allgemeinen errathen. Zu¬ nächst bietet sich dar, daß der Deutsche ein Mittel hat seine lebendige Sprache durch Ver¬ gleichung mit der abgeschloßnen Römischen Sprache, die von der seinigen im Fortgange der Sinnbildlichkeit gar sehr abweicht, noch tiefer zu ergründen, wie hinwiederum jene auf demselben Wege klarer zu verstehen, welches dem Neulateiner, der im Grunde in dem Um¬ kreise derselben Einen Sprache gefangen bleibt, nicht also möglich ist; daß der Deutsche, in¬ dem er die Römische Stammsprache lernt, die abgestammten gewissermaßen zugleich mit er¬ hält, und falls er etwa die erste gründlicher lernen sollte, denn der Ausländer, welches er aus dem angeführten Grunde gar wohl ver¬ mag, er zugleich auch dieses Ausländers eigene Sprachen weit gründlicher verstehen und weit eigenthümlicher besitzen lernt, denn jener selbst, der sie redet; daß daher, der Deutsche, wenn er sich nur aller seiner Vortheile bedient, den Ausländer immerfort übersehen, und ihn voll¬ kommen, sogar besser, denn er sich selbst, ver¬
ſchmilzt, daß gar nicht zu ſagen iſt, zu welcher von beiden ſie ſelber gehoͤre; wie verſchieden die Folge dieſes Einfluſſes ausfallen moͤge, da, wo das Verhaͤltniß iſt, wie Leben, und Tod, laͤßt ſich im Allgemeinen errathen. Zu¬ naͤchſt bietet ſich dar, daß der Deutſche ein Mittel hat ſeine lebendige Sprache durch Ver¬ gleichung mit der abgeſchloßnen Roͤmiſchen Sprache, die von der ſeinigen im Fortgange der Sinnbildlichkeit gar ſehr abweicht, noch tiefer zu ergruͤnden, wie hinwiederum jene auf demſelben Wege klarer zu verſtehen, welches dem Neulateiner, der im Grunde in dem Um¬ kreiſe derſelben Einen Sprache gefangen bleibt, nicht alſo moͤglich iſt; daß der Deutſche, in¬ dem er die Roͤmiſche Stammſprache lernt, die abgeſtammten gewiſſermaßen zugleich mit er¬ haͤlt, und falls er etwa die erſte gruͤndlicher lernen ſollte, denn der Auslaͤnder, welches er aus dem angefuͤhrten Grunde gar wohl ver¬ mag, er zugleich auch dieſes Auslaͤnders eigene Sprachen weit gruͤndlicher verſtehen und weit eigenthuͤmlicher beſitzen lernt, denn jener ſelbſt, der ſie redet; daß daher, der Deutſche, wenn er ſich nur aller ſeiner Vortheile bedient, den Auslaͤnder immerfort uͤberſehen, und ihn voll¬ kommen, ſogar beſſer, denn er ſich ſelbſt, ver¬
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ſchmilzt, daß gar nicht zu ſagen iſt, zu welcher
von beiden ſie ſelber gehoͤre; wie verſchieden
die Folge dieſes Einfluſſes ausfallen moͤge,
da, wo das Verhaͤltniß iſt, wie Leben, und
Tod, laͤßt ſich im Allgemeinen errathen. Zu¬
naͤchſt bietet ſich dar, daß der Deutſche ein
Mittel hat ſeine lebendige Sprache durch Ver¬
gleichung mit der abgeſchloßnen Roͤmiſchen
Sprache, die von der ſeinigen im Fortgange
der Sinnbildlichkeit gar ſehr abweicht, noch
tiefer zu ergruͤnden, wie hinwiederum jene auf
demſelben Wege klarer zu verſtehen, welches
dem Neulateiner, der im Grunde in dem Um¬
kreiſe derſelben Einen Sprache gefangen bleibt,
nicht alſo moͤglich iſt; daß der Deutſche, in¬
dem er die Roͤmiſche Stammſprache lernt, die
abgeſtammten gewiſſermaßen zugleich mit er¬
haͤlt, und falls er etwa die erſte gruͤndlicher
lernen ſollte, denn der Auslaͤnder, welches er
aus dem angefuͤhrten Grunde gar wohl ver¬
mag, er zugleich auch dieſes Auslaͤnders eigene
Sprachen weit gruͤndlicher verſtehen und weit
eigenthuͤmlicher beſitzen lernt, denn jener ſelbſt,
der ſie redet; daß daher, der Deutſche, wenn
er ſich nur aller ſeiner Vortheile bedient, den
Auslaͤnder immerfort uͤberſehen, und ihn voll¬
kommen, ſogar beſſer, denn er ſich ſelbſt, ver¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/148>, abgerufen am 24.11.2024.
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