stehen, und ihn, nach seiner ganzen Ausdeh¬ nung übersetzen kann; dagegen der Auslän¬ der, ohne eine höchst mühsame Erlernung der Deutschen Sprache, den wahren Deutschen niemals verstehen kann, und das ächt Deut¬ sche ohne Zweifel unübersetzt lassen wird. Was in diesen Sprachen man nur vom Aus¬ länder selbst lernen kann, sind meistens aus Langeweile und Grille entstandene neue Mo¬ den des Sprechens, und man ist sehr beschei¬ den, wenn man auf diese Belehrungen ein¬ geht. Meistens würde man statt dessen ihnen zeigen können, wie sie der Stammsprache und ihrem Verwandlungsgesetze gemäß, sprechen sollten, und daß die neue Mode nichts tauge, und gegen die althergebrachte gute Sitte ver¬ stoße. -- Jener Reichthum an Folgen über¬ haupt, so wie die besondere zulezt erwähnte Folge ergeben sich, wie gesagt, von selbst.
Unsere Absicht aber ist es diese Folgen ins¬ gesammt im Ganzen, nach ihrem Einheits¬ bande, und aus der Tiefe zu erfassen, um da¬ durch eine gründliche Schilderung des Deut¬ schen im Gegensatze mit den übrigen Germa¬ nischen Stämmen zu geben. Ich gebe diese Fol¬ gen vorläufig in der Kürze also an: 1) Beim Volke der lebendigen Sprache greift die Gei¬
ſtehen, und ihn, nach ſeiner ganzen Ausdeh¬ nung uͤberſetzen kann; dagegen der Auslaͤn¬ der, ohne eine hoͤchſt muͤhſame Erlernung der Deutſchen Sprache, den wahren Deutſchen niemals verſtehen kann, und das aͤcht Deut¬ ſche ohne Zweifel unuͤberſetzt laſſen wird. Was in dieſen Sprachen man nur vom Aus¬ laͤnder ſelbſt lernen kann, ſind meiſtens aus Langeweile und Grille entſtandene neue Mo¬ den des Sprechens, und man iſt ſehr beſchei¬ den, wenn man auf dieſe Belehrungen ein¬ geht. Meiſtens wuͤrde man ſtatt deſſen ihnen zeigen koͤnnen, wie ſie der Stammſprache und ihrem Verwandlungsgeſetze gemaͤß, ſprechen ſollten, und daß die neue Mode nichts tauge, und gegen die althergebrachte gute Sitte ver¬ ſtoße. — Jener Reichthum an Folgen uͤber¬ haupt, ſo wie die beſondere zulezt erwaͤhnte Folge ergeben ſich, wie geſagt, von ſelbſt.
Unſere Abſicht aber iſt es dieſe Folgen ins¬ geſammt im Ganzen, nach ihrem Einheits¬ bande, und aus der Tiefe zu erfaſſen, um da¬ durch eine gruͤndliche Schilderung des Deut¬ ſchen im Gegenſatze mit den uͤbrigen Germa¬ niſchen Staͤmmen zu geben. Ich gebe dieſe Fol¬ gen vorlaͤufig in der Kuͤrze alſo an: 1) Beim Volke der lebendigen Sprache greift die Gei¬
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ſtehen, und ihn, nach ſeiner ganzen Ausdeh¬
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der, ohne eine hoͤchſt muͤhſame Erlernung der
Deutſchen Sprache, den wahren Deutſchen
niemals verſtehen kann, und das aͤcht Deut¬
ſche ohne Zweifel unuͤberſetzt laſſen wird.
Was in dieſen Sprachen man nur vom Aus¬
laͤnder ſelbſt lernen kann, ſind meiſtens aus
Langeweile und Grille entſtandene neue Mo¬
den des Sprechens, und man iſt ſehr beſchei¬
den, wenn man auf dieſe Belehrungen ein¬
geht. Meiſtens wuͤrde man ſtatt deſſen ihnen
zeigen koͤnnen, wie ſie der Stammſprache und
ihrem Verwandlungsgeſetze gemaͤß, ſprechen
ſollten, und daß die neue Mode nichts tauge,
und gegen die althergebrachte gute Sitte ver¬
ſtoße. — Jener Reichthum an Folgen uͤber¬
haupt, ſo wie die beſondere zulezt erwaͤhnte
Folge ergeben ſich, wie geſagt, von ſelbſt.
Unſere Abſicht aber iſt es dieſe Folgen ins¬
geſammt im Ganzen, nach ihrem Einheits¬
bande, und aus der Tiefe zu erfaſſen, um da¬
durch eine gruͤndliche Schilderung des Deut¬
ſchen im Gegenſatze mit den uͤbrigen Germa¬
niſchen Staͤmmen zu geben. Ich gebe dieſe Fol¬
gen vorlaͤufig in der Kuͤrze alſo an: 1) Beim
Volke der lebendigen Sprache greift die Gei¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/149>, abgerufen am 21.11.2024.
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