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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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ten Zügen, völlig loszusprechen vermag. Im
allgemeinen wird unsre Beschreibung auch in
diesen gegentheiligen Zügen keinesweges in das
nachtheilige und grelle hin zeichnen, was den
Sieg leichter macht denn ehrenvoll, sondern
nur das nothwendig erfolgende angeben, und
dieses so ehrbar ausdrücken, als es mit der
Wahrheit bestehen kann.

Die erste Folge von dem aufgestellten Grund-
Unterschiede, die ich angab, war die: beim
Volke der lebendigen Sprache greife die Gei¬
stesbildung ein in das Leben: beim Gegen¬
theile gehe geistige Bildung und Leben jedes
für sich seinen Gang fort. Es wird nüz¬
lich seyn, zuförderst den Sinn des aufgestellten
Satzes tiefer zu erklären. Zuförderst, indem
hier vom Leben, und von dem Eingreifen der
geistigen Bildung in dasselbe geredet wird, so
ist darunter zu verstehen das ursprüngliche Le¬
ben, und sein Fortfluß aus dem Quell alles
geistigen Lebens, aus Gott, die Fortbildung der
menschlichen Verhältnisse nach ihrem Urbilde,
und so die Erschaffung eines neuen, und vorher
nie dagewesenen; keinesweges aber ist die Rede
von der bloßen Erhaltung jener Verhältnisse

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ten Zuͤgen, voͤllig loszuſprechen vermag. Im
allgemeinen wird unſre Beſchreibung auch in
dieſen gegentheiligen Zuͤgen keinesweges in das
nachtheilige und grelle hin zeichnen, was den
Sieg leichter macht denn ehrenvoll, ſondern
nur das nothwendig erfolgende angeben, und
dieſes ſo ehrbar ausdruͤcken, als es mit der
Wahrheit beſtehen kann.

Die erſte Folge von dem aufgeſtellten Grund-
Unterſchiede, die ich angab, war die: beim
Volke der lebendigen Sprache greife die Gei¬
ſtesbildung ein in das Leben: beim Gegen¬
theile gehe geiſtige Bildung und Leben jedes
fuͤr ſich ſeinen Gang fort. Es wird nuͤz¬
lich ſeyn, zufoͤrderſt den Sinn des aufgeſtellten
Satzes tiefer zu erklaͤren. Zufoͤrderſt, indem
hier vom Leben, und von dem Eingreifen der
geiſtigen Bildung in daſſelbe geredet wird, ſo
iſt darunter zu verſtehen das urſpruͤngliche Le¬
ben, und ſein Fortfluß aus dem Quell alles
geiſtigen Lebens, aus Gott, die Fortbildung der
menſchlichen Verhaͤltniſſe nach ihrem Urbilde,
und ſo die Erſchaffung eines neuen, und vorher
nie dageweſenen; keinesweges aber iſt die Rede
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[147/0153] ten Zuͤgen, voͤllig loszuſprechen vermag. Im allgemeinen wird unſre Beſchreibung auch in dieſen gegentheiligen Zuͤgen keinesweges in das nachtheilige und grelle hin zeichnen, was den Sieg leichter macht denn ehrenvoll, ſondern nur das nothwendig erfolgende angeben, und dieſes ſo ehrbar ausdruͤcken, als es mit der Wahrheit beſtehen kann. Die erſte Folge von dem aufgeſtellten Grund- Unterſchiede, die ich angab, war die: beim Volke der lebendigen Sprache greife die Gei¬ ſtesbildung ein in das Leben: beim Gegen¬ theile gehe geiſtige Bildung und Leben jedes fuͤr ſich ſeinen Gang fort. Es wird nuͤz¬ lich ſeyn, zufoͤrderſt den Sinn des aufgeſtellten Satzes tiefer zu erklaͤren. Zufoͤrderſt, indem hier vom Leben, und von dem Eingreifen der geiſtigen Bildung in daſſelbe geredet wird, ſo iſt darunter zu verſtehen das urſpruͤngliche Le¬ ben, und ſein Fortfluß aus dem Quell alles geiſtigen Lebens, aus Gott, die Fortbildung der menſchlichen Verhaͤltniſſe nach ihrem Urbilde, und ſo die Erſchaffung eines neuen, und vorher nie dageweſenen; keinesweges aber iſt die Rede von der bloßen Erhaltung jener Verhaͤltniſſe K 2

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/153>, abgerufen am 21.11.2024.