einigung etwas, getrennt aber sind sie nichtig. Nun kann überdies im Volke einer todten Sprache gar keine wahrhaft erschaffende Ge¬ nialität zum Ausbruche kommen, weil es ihnen am ursprünglichen Bezeichnungsvermögen fehlt, sondern sie können nur schon angehobnes fort¬ bilden, und in die ganze schon vorhandene und vollendete Bezeichnung verflößen.
Was insbesondere die größere Mühe anbe¬ langt, so ist natürlich, daß diese auf das Volk der lebendigen Sprache falle. Eine lebendige Sprache kann in Vergleichung mit einer an¬ dern auf einer hohen Stufe der Bildung ste¬ hen, aber sie kann niemals in sich selber die¬ jenige Vollendung und Ausbildung erhalten, die eine todte Sprache gar leichtlich erhält. In der lezten ist der Umfang der Wörter ge¬ schlossen, die möglichen schicklichen Zusammen¬ stellungen derselben werden allmählich auch er¬ schöpft, und so muß der, der diese Sprache reden will, sie eben reden, so wie sie ist; nach¬ dem er dieses aber einmal gelernt hat, redet die Sprache in seinem Munde sich selbst, und denkt, und dichtet für ihn. In einer lebendi¬ gen Sprache aber, wenn nur in ihr wirklich
einigung etwas, getrennt aber ſind ſie nichtig. Nun kann uͤberdies im Volke einer todten Sprache gar keine wahrhaft erſchaffende Ge¬ nialitaͤt zum Ausbruche kommen, weil es ihnen am urſpruͤnglichen Bezeichnungsvermoͤgen fehlt, ſondern ſie koͤnnen nur ſchon angehobnes fort¬ bilden, und in die ganze ſchon vorhandene und vollendete Bezeichnung verfloͤßen.
Was insbeſondere die groͤßere Muͤhe anbe¬ langt, ſo iſt natuͤrlich, daß dieſe auf das Volk der lebendigen Sprache falle. Eine lebendige Sprache kann in Vergleichung mit einer an¬ dern auf einer hohen Stufe der Bildung ſte¬ hen, aber ſie kann niemals in ſich ſelber die¬ jenige Vollendung und Ausbildung erhalten, die eine todte Sprache gar leichtlich erhaͤlt. In der lezten iſt der Umfang der Woͤrter ge¬ ſchloſſen, die moͤglichen ſchicklichen Zuſammen¬ ſtellungen derſelben werden allmaͤhlich auch er¬ ſchoͤpft, und ſo muß der, der dieſe Sprache reden will, ſie eben reden, ſo wie ſie iſt; nach¬ dem er dieſes aber einmal gelernt hat, redet die Sprache in ſeinem Munde ſich ſelbſt, und denkt, und dichtet fuͤr ihn. In einer lebendi¬ gen Sprache aber, wenn nur in ihr wirklich
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einigung etwas, getrennt aber ſind ſie nichtig.
Nun kann uͤberdies im Volke einer todten
Sprache gar keine wahrhaft erſchaffende Ge¬
nialitaͤt zum Ausbruche kommen, weil es ihnen
am urſpruͤnglichen Bezeichnungsvermoͤgen fehlt,
ſondern ſie koͤnnen nur ſchon angehobnes fort¬
bilden, und in die ganze ſchon vorhandene und
vollendete Bezeichnung verfloͤßen.
Was insbeſondere die groͤßere Muͤhe anbe¬
langt, ſo iſt natuͤrlich, daß dieſe auf das Volk
der lebendigen Sprache falle. Eine lebendige
Sprache kann in Vergleichung mit einer an¬
dern auf einer hohen Stufe der Bildung ſte¬
hen, aber ſie kann niemals in ſich ſelber die¬
jenige Vollendung und Ausbildung erhalten,
die eine todte Sprache gar leichtlich erhaͤlt.
In der lezten iſt der Umfang der Woͤrter ge¬
ſchloſſen, die moͤglichen ſchicklichen Zuſammen¬
ſtellungen derſelben werden allmaͤhlich auch er¬
ſchoͤpft, und ſo muß der, der dieſe Sprache
reden will, ſie eben reden, ſo wie ſie iſt; nach¬
dem er dieſes aber einmal gelernt hat, redet
die Sprache in ſeinem Munde ſich ſelbſt, und
denkt, und dichtet fuͤr ihn. In einer lebendi¬
gen Sprache aber, wenn nur in ihr wirklich
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/172>, abgerufen am 21.11.2024.
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