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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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sinnes. Für sich selbst bedurften sie wenig,
für öffentliche Unternehmungen machten sie
unermeßlichen Aufwand. Selten steht irgend¬
wo ein einzelner Name hervor, und zeichnet
sich aus, weil alle gleichen Sinnes waren,
und gleicher Aufopferung für das Gemein¬
same. Ganz unter denselben äußern Bedin¬
gungen, wie in Deutschland, waren auch in
Italien freie Städte entstanden. Man ver¬
gleiche die Geschichten beider; man halte die
fortwährenden Unruhen, die innern Zwiste,
ja Kriege, den beständigen Wechsel der Ver¬
fassungen, und der Herrscher, in den ersten,
gegen die friedliche Ruhe, und Eintracht in
den leztern. Wie konnte klärer sich ausspre¬
chen, daß ein innerlicher Unterschied in den
Gemüthern der beiden Nationen gewesen seyn
müsse? Die Deutsche Nation ist die einzige
unter den Neu-Europäischen Nationen, die
es an ihrem Bürgerstande schon seit Jahr¬
hunderten durch die That gezeigt hat, daß
sie die Republikanische Verfassung zu ertra¬
gen vermöge.

ſinnes. Fuͤr ſich ſelbſt bedurften ſie wenig,
fuͤr oͤffentliche Unternehmungen machten ſie
unermeßlichen Aufwand. Selten ſteht irgend¬
wo ein einzelner Name hervor, und zeichnet
ſich aus, weil alle gleichen Sinnes waren,
und gleicher Aufopferung fuͤr das Gemein¬
ſame. Ganz unter denſelben aͤußern Bedin¬
gungen, wie in Deutſchland, waren auch in
Italien freie Staͤdte entſtanden. Man ver¬
gleiche die Geſchichten beider; man halte die
fortwaͤhrenden Unruhen, die innern Zwiſte,
ja Kriege, den beſtaͤndigen Wechſel der Ver¬
faſſungen, und der Herrſcher, in den erſten,
gegen die friedliche Ruhe, und Eintracht in
den leztern. Wie konnte klaͤrer ſich ausſpre¬
chen, daß ein innerlicher Unterſchied in den
Gemuͤthern der beiden Nationen geweſen ſeyn
muͤſſe? Die Deutſche Nation iſt die einzige
unter den Neu-Europaͤiſchen Nationen, die
es an ihrem Buͤrgerſtande ſchon ſeit Jahr¬
hunderten durch die That gezeigt hat, daß
ſie die Republikaniſche Verfaſſung zu ertra¬
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[204/0210] ſinnes. Fuͤr ſich ſelbſt bedurften ſie wenig, fuͤr oͤffentliche Unternehmungen machten ſie unermeßlichen Aufwand. Selten ſteht irgend¬ wo ein einzelner Name hervor, und zeichnet ſich aus, weil alle gleichen Sinnes waren, und gleicher Aufopferung fuͤr das Gemein¬ ſame. Ganz unter denſelben aͤußern Bedin¬ gungen, wie in Deutſchland, waren auch in Italien freie Staͤdte entſtanden. Man ver¬ gleiche die Geſchichten beider; man halte die fortwaͤhrenden Unruhen, die innern Zwiſte, ja Kriege, den beſtaͤndigen Wechſel der Ver¬ faſſungen, und der Herrſcher, in den erſten, gegen die friedliche Ruhe, und Eintracht in den leztern. Wie konnte klaͤrer ſich ausſpre¬ chen, daß ein innerlicher Unterſchied in den Gemuͤthern der beiden Nationen geweſen ſeyn muͤſſe? Die Deutſche Nation iſt die einzige unter den Neu-Europaͤiſchen Nationen, die es an ihrem Buͤrgerſtande ſchon ſeit Jahr¬ hunderten durch die That gezeigt hat, daß ſie die Republikaniſche Verfaſſung zu ertra¬ gen vermoͤge.

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/210>, abgerufen am 21.11.2024.