Wahn ist, beibehält. Es erhellet hier deutlich der Nachtheil der Klarheit bei innerer Schlech¬ tigkeit. So lange diese Schlechtigkeit dunkel bleibt, wird sie durch die fortdauernde Anfor¬ derung an Freiheit immerfort beunruhigt, ge¬ stachelt, und getrieben, und bietet den Versu¬ chen sie zu verbessern, einen Angriffspunkt dar. Die Klarheit aber vollendet sie, und rundet sie in sich selbst ab; sie fügt ihr die freudige Erge¬ bung, die Ruhe eines guten Gewissens, das Wohlgefallen an sich selber hinzu; es geschieht ihnen, wie sie glauben, sie sind von nun an in der That unverbesserlich, und höchstens, um bei den Besseren den unbarmherzigen Abscheu gegen das Schlechte, oder die Ergebung in den Willen Gottes rege zu erhalten, und außerdem zu keinem Dinge in der Welt nütze.
Und so trete denn endlich in seiner vollen¬ deten Klarheit heraus, was wir in unsrer bis¬ herigen Schilderung unter Deutschen verstan¬ den haben. Der eigentliche Unterscheidungs¬ grund liegt darin, ob man an ein absolut erstes und ursprüngliches im Menschen selber, an Freiheit, an unendliche Verbesserlichkeit, an ewiges Fortschreiten unsers Geschlechts glaube, oder ob man an alles dieses nicht glaube, ja wohl deutlich einzusehen, und zu begreifen ver¬
Wahn iſt, beibehaͤlt. Es erhellet hier deutlich der Nachtheil der Klarheit bei innerer Schlech¬ tigkeit. So lange dieſe Schlechtigkeit dunkel bleibt, wird ſie durch die fortdauernde Anfor¬ derung an Freiheit immerfort beunruhigt, ge¬ ſtachelt, und getrieben, und bietet den Verſu¬ chen ſie zu verbeſſern, einen Angriffspunkt dar. Die Klarheit aber vollendet ſie, und rundet ſie in ſich ſelbſt ab; ſie fuͤgt ihr die freudige Erge¬ bung, die Ruhe eines guten Gewiſſens, das Wohlgefallen an ſich ſelber hinzu; es geſchieht ihnen, wie ſie glauben, ſie ſind von nun an in der That unverbeſſerlich, und hoͤchſtens, um bei den Beſſeren den unbarmherzigen Abſcheu gegen das Schlechte, oder die Ergebung in den Willen Gottes rege zu erhalten, und außerdem zu keinem Dinge in der Welt nuͤtze.
Und ſo trete denn endlich in ſeiner vollen¬ deten Klarheit heraus, was wir in unſrer bis¬ herigen Schilderung unter Deutſchen verſtan¬ den haben. Der eigentliche Unterſcheidungs¬ grund liegt darin, ob man an ein abſolut erſtes und urſpruͤngliches im Menſchen ſelber, an Freiheit, an unendliche Verbeſſerlichkeit, an ewiges Fortſchreiten unſers Geſchlechts glaube, oder ob man an alles dieſes nicht glaube, ja wohl deutlich einzuſehen, und zu begreifen ver¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0242"n="236"/>
Wahn iſt, beibehaͤlt. Es erhellet hier deutlich<lb/>
der Nachtheil der Klarheit bei innerer Schlech¬<lb/>
tigkeit. So lange dieſe Schlechtigkeit dunkel<lb/>
bleibt, wird ſie durch die fortdauernde Anfor¬<lb/>
derung an Freiheit immerfort beunruhigt, ge¬<lb/>ſtachelt, und getrieben, und bietet den Verſu¬<lb/>
chen ſie zu verbeſſern, einen Angriffspunkt dar.<lb/>
Die Klarheit aber vollendet ſie, und rundet ſie<lb/>
in ſich ſelbſt ab; ſie fuͤgt ihr die freudige Erge¬<lb/>
bung, die Ruhe eines guten Gewiſſens, das<lb/>
Wohlgefallen an ſich ſelber hinzu; es geſchieht<lb/>
ihnen, wie ſie glauben, ſie ſind von nun an in<lb/>
der That unverbeſſerlich, und hoͤchſtens, um bei<lb/>
den Beſſeren den unbarmherzigen Abſcheu gegen<lb/>
das Schlechte, oder die Ergebung in den Willen<lb/>
Gottes rege zu erhalten, und außerdem zu<lb/>
keinem Dinge in der Welt nuͤtze.</p><lb/><p>Und ſo trete denn endlich in ſeiner vollen¬<lb/>
deten Klarheit heraus, was wir in unſrer bis¬<lb/>
herigen Schilderung unter Deutſchen verſtan¬<lb/>
den haben. Der eigentliche Unterſcheidungs¬<lb/>
grund liegt darin, ob man an ein abſolut erſtes<lb/>
und urſpruͤngliches im Menſchen ſelber, an<lb/>
Freiheit, an unendliche Verbeſſerlichkeit, an<lb/>
ewiges Fortſchreiten unſers Geſchlechts glaube,<lb/>
oder ob man an alles dieſes nicht glaube, ja<lb/>
wohl deutlich einzuſehen, und zu begreifen ver¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[236/0242]
Wahn iſt, beibehaͤlt. Es erhellet hier deutlich
der Nachtheil der Klarheit bei innerer Schlech¬
tigkeit. So lange dieſe Schlechtigkeit dunkel
bleibt, wird ſie durch die fortdauernde Anfor¬
derung an Freiheit immerfort beunruhigt, ge¬
ſtachelt, und getrieben, und bietet den Verſu¬
chen ſie zu verbeſſern, einen Angriffspunkt dar.
Die Klarheit aber vollendet ſie, und rundet ſie
in ſich ſelbſt ab; ſie fuͤgt ihr die freudige Erge¬
bung, die Ruhe eines guten Gewiſſens, das
Wohlgefallen an ſich ſelber hinzu; es geſchieht
ihnen, wie ſie glauben, ſie ſind von nun an in
der That unverbeſſerlich, und hoͤchſtens, um bei
den Beſſeren den unbarmherzigen Abſcheu gegen
das Schlechte, oder die Ergebung in den Willen
Gottes rege zu erhalten, und außerdem zu
keinem Dinge in der Welt nuͤtze.
Und ſo trete denn endlich in ſeiner vollen¬
deten Klarheit heraus, was wir in unſrer bis¬
herigen Schilderung unter Deutſchen verſtan¬
den haben. Der eigentliche Unterſcheidungs¬
grund liegt darin, ob man an ein abſolut erſtes
und urſpruͤngliches im Menſchen ſelber, an
Freiheit, an unendliche Verbeſſerlichkeit, an
ewiges Fortſchreiten unſers Geſchlechts glaube,
oder ob man an alles dieſes nicht glaube, ja
wohl deutlich einzuſehen, und zu begreifen ver¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/242>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.