endlich auch einmahl vernehmlich heraus, und wer noch Ohren hat zu hören, der höre, was diejenige Philosophie, die mit gutem Fuge sich die deutsche nennt, eigentlich wolle, und worin sie jeder ausländischen, und todgläubigen Phi¬ losophie mit ernster, und unerbittlicher Strenge sich entgegensetze; und zwar trete dieses heraus keinesweges darum, damit auch das todte es verstehe, was unmöglich ist, sondern damit es diesem schwerer werde, ihr die Worte zu ver¬ drehen, und sich das Ansehn zu geben, als ob es selbst eben auch ohngefähr dasselbe wolle und im Grunde meine. Diese deutsche Philosophie erhebt sich wirklich und durch die That ihres Denkens, keinesweges prahlt sie es bloß, zu¬ folge einer dunklen Ahndung, daß es so seyn müsse, ohne es jedoch bewerkstelligen zu kön¬ nen, -- sie erhebt sich zu dem unwandelbaren "Mehr denn alle Unendlichkeit," und findet allem in diesem das wahrhafte Seyn. Zeit, und Ewigkeit, und Unendlichkeit erblikt sie in ihrer Entstehung aus dem Erscheinen und Sichtbar¬ werden jenes Einen, das an sich schlechthin un¬ sichtbar ist, und nur in dieser seiner Unsichtbarkeit erfaßt, richtig erfaßt wird. Schon die Unend¬ lichkeit ist, nach dieser Philosophie, nichts an sich, und es kommt ihr durchaus kein wahrhaf¬
endlich auch einmahl vernehmlich heraus, und wer noch Ohren hat zu hoͤren, der hoͤre, was diejenige Philoſophie, die mit gutem Fuge ſich die deutſche nennt, eigentlich wolle, und worin ſie jeder auslaͤndiſchen, und todglaͤubigen Phi¬ loſophie mit ernſter, und unerbittlicher Strenge ſich entgegenſetze; und zwar trete dieſes heraus keinesweges darum, damit auch das todte es verſtehe, was unmoͤglich iſt, ſondern damit es dieſem ſchwerer werde, ihr die Worte zu ver¬ drehen, und ſich das Anſehn zu geben, als ob es ſelbſt eben auch ohngefaͤhr daſſelbe wolle und im Grunde meine. Dieſe deutſche Philoſophie erhebt ſich wirklich und durch die That ihres Denkens, keinesweges prahlt ſie es bloß, zu¬ folge einer dunklen Ahndung, daß es ſo ſeyn muͤſſe, ohne es jedoch bewerkſtelligen zu koͤn¬ nen, — ſie erhebt ſich zu dem unwandelbaren „Mehr denn alle Unendlichkeit,“ und findet allem in dieſem das wahrhafte Seyn. Zeit, und Ewigkeit, und Unendlichkeit erblikt ſie in ihrer Entſtehung aus dem Erſcheinen und Sichtbar¬ werden jenes Einen, das an ſich ſchlechthin un¬ ſichtbar iſt, und nur in dieſer ſeiner Unſichtbarkeit erfaßt, richtig erfaßt wird. Schon die Unend¬ lichkeit iſt, nach dieſer Philoſophie, nichts an ſich, und es kommt ihr durchaus kein wahrhaf¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0245"n="239"/>
endlich auch einmahl vernehmlich heraus, und<lb/>
wer noch Ohren hat zu hoͤren, der hoͤre, was<lb/>
diejenige Philoſophie, die mit gutem Fuge ſich<lb/>
die deutſche nennt, eigentlich wolle, und worin<lb/>ſie jeder auslaͤndiſchen, und todglaͤubigen Phi¬<lb/>
loſophie mit ernſter, und unerbittlicher Strenge<lb/>ſich entgegenſetze; und zwar trete dieſes heraus<lb/>
keinesweges darum, damit auch das todte es<lb/>
verſtehe, was unmoͤglich iſt, ſondern damit es<lb/>
dieſem ſchwerer werde, ihr die Worte zu ver¬<lb/>
drehen, und ſich das Anſehn zu geben, als ob es<lb/>ſelbſt eben auch ohngefaͤhr daſſelbe wolle und<lb/>
im Grunde meine. Dieſe deutſche Philoſophie<lb/>
erhebt ſich wirklich und durch die That ihres<lb/>
Denkens, keinesweges prahlt ſie es bloß, zu¬<lb/>
folge einer dunklen Ahndung, daß es ſo ſeyn<lb/>
muͤſſe, ohne es jedoch bewerkſtelligen zu koͤn¬<lb/>
nen, —ſie erhebt ſich zu dem unwandelbaren<lb/>„Mehr denn alle Unendlichkeit,“ und findet<lb/>
allem in dieſem das wahrhafte Seyn. Zeit, und<lb/>
Ewigkeit, und Unendlichkeit erblikt ſie in ihrer<lb/>
Entſtehung aus dem Erſcheinen und Sichtbar¬<lb/>
werden jenes Einen, das an ſich ſchlechthin un¬<lb/>ſichtbar iſt, und nur in dieſer ſeiner Unſichtbarkeit<lb/>
erfaßt, richtig erfaßt wird. Schon die Unend¬<lb/>
lichkeit iſt, nach dieſer Philoſophie, nichts an<lb/>ſich, und es kommt ihr durchaus kein wahrhaf¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[239/0245]
endlich auch einmahl vernehmlich heraus, und
wer noch Ohren hat zu hoͤren, der hoͤre, was
diejenige Philoſophie, die mit gutem Fuge ſich
die deutſche nennt, eigentlich wolle, und worin
ſie jeder auslaͤndiſchen, und todglaͤubigen Phi¬
loſophie mit ernſter, und unerbittlicher Strenge
ſich entgegenſetze; und zwar trete dieſes heraus
keinesweges darum, damit auch das todte es
verſtehe, was unmoͤglich iſt, ſondern damit es
dieſem ſchwerer werde, ihr die Worte zu ver¬
drehen, und ſich das Anſehn zu geben, als ob es
ſelbſt eben auch ohngefaͤhr daſſelbe wolle und
im Grunde meine. Dieſe deutſche Philoſophie
erhebt ſich wirklich und durch die That ihres
Denkens, keinesweges prahlt ſie es bloß, zu¬
folge einer dunklen Ahndung, daß es ſo ſeyn
muͤſſe, ohne es jedoch bewerkſtelligen zu koͤn¬
nen, — ſie erhebt ſich zu dem unwandelbaren
„Mehr denn alle Unendlichkeit,“ und findet
allem in dieſem das wahrhafte Seyn. Zeit, und
Ewigkeit, und Unendlichkeit erblikt ſie in ihrer
Entſtehung aus dem Erſcheinen und Sichtbar¬
werden jenes Einen, das an ſich ſchlechthin un¬
ſichtbar iſt, und nur in dieſer ſeiner Unſichtbarkeit
erfaßt, richtig erfaßt wird. Schon die Unend¬
lichkeit iſt, nach dieſer Philoſophie, nichts an
ſich, und es kommt ihr durchaus kein wahrhaf¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/245>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.