Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

vor allen Dingen dies religiöser Sinn, daß
man sich gegen die Sklaverei stemme, und,
so man es verhindern kann, die Religion nicht
bis zum bloßen Troste der Gefangenen herab¬
sinken lasse. Dem Tyrannen sieht es wohl an,
religiöse Ergebung zu predigen, und die, de¬
nen er auf Erden kein Pläzgen verstatten will,
an den Himmel zu verweisen; wir andern
müssen weniger eilen, diese von ihm empfohlne
Ansicht der Religion uns anzueignen, und,
falls wir können, verhindern, daß man die
Erde zur Hölle mache, um eine desto größere
Sehnsucht nach dem Himmel zu erregen.

Der natürliche, nur im wahren Falle der
Noth aufzugebende Trieb des Menschen ist der,
den Himmel schon auf dieser Erde zu finden,
und ewig dauerndes zu verstößen in sein irdi¬
sches Tagewerk; das unvergängliche im zeitli¬
chen selbst zu pflanzen, und zu erziehen, --
nicht bloß auf eine unbegreifliche Weise, und
allein durch die, sterblichen Augen undurch¬
dringbare Kluft mit dem ewigen zusammen¬
hängend, sondern auf eine dem sterblichen
Auge selbst sichtbare Weise.

vor allen Dingen dies religioͤſer Sinn, daß
man ſich gegen die Sklaverei ſtemme, und,
ſo man es verhindern kann, die Religion nicht
bis zum bloßen Troſte der Gefangenen herab¬
ſinken laſſe. Dem Tyrannen ſieht es wohl an,
religioͤſe Ergebung zu predigen, und die, de¬
nen er auf Erden kein Plaͤzgen verſtatten will,
an den Himmel zu verweiſen; wir andern
muͤſſen weniger eilen, dieſe von ihm empfohlne
Anſicht der Religion uns anzueignen, und,
falls wir koͤnnen, verhindern, daß man die
Erde zur Hoͤlle mache, um eine deſto groͤßere
Sehnſucht nach dem Himmel zu erregen.

Der natuͤrliche, nur im wahren Falle der
Noth aufzugebende Trieb des Menſchen iſt der,
den Himmel ſchon auf dieſer Erde zu finden,
und ewig dauerndes zu verſtoͤßen in ſein irdi¬
ſches Tagewerk; das unvergaͤngliche im zeitli¬
chen ſelbſt zu pflanzen, und zu erziehen, —
nicht bloß auf eine unbegreifliche Weiſe, und
allein durch die, ſterblichen Augen undurch¬
dringbare Kluft mit dem ewigen zuſammen¬
haͤngend, ſondern auf eine dem ſterblichen
Auge ſelbſt ſichtbare Weiſe.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0253" n="247"/>
vor allen Dingen dies religio&#x0364;&#x017F;er Sinn, daß<lb/>
man &#x017F;ich gegen die Sklaverei &#x017F;temme, und,<lb/>
&#x017F;o man es verhindern kann, die Religion nicht<lb/>
bis zum bloßen Tro&#x017F;te der Gefangenen herab¬<lb/>
&#x017F;inken la&#x017F;&#x017F;e. Dem Tyrannen &#x017F;ieht es wohl an,<lb/>
religio&#x0364;&#x017F;e Ergebung zu predigen, und die, de¬<lb/>
nen er auf Erden kein Pla&#x0364;zgen ver&#x017F;tatten will,<lb/>
an den Himmel zu verwei&#x017F;en; wir andern<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en weniger eilen, die&#x017F;e von ihm empfohlne<lb/>
An&#x017F;icht der Religion uns anzueignen, und,<lb/>
falls wir ko&#x0364;nnen, verhindern, daß man die<lb/>
Erde zur Ho&#x0364;lle mache, um eine de&#x017F;to gro&#x0364;ßere<lb/>
Sehn&#x017F;ucht nach dem Himmel zu erregen.</p><lb/>
        <p>Der natu&#x0364;rliche, nur im wahren Falle der<lb/>
Noth aufzugebende Trieb des Men&#x017F;chen i&#x017F;t der,<lb/>
den Himmel &#x017F;chon auf die&#x017F;er Erde zu finden,<lb/>
und ewig dauerndes zu ver&#x017F;to&#x0364;ßen in &#x017F;ein irdi¬<lb/>
&#x017F;ches Tagewerk; das unverga&#x0364;ngliche im zeitli¬<lb/>
chen &#x017F;elb&#x017F;t zu pflanzen, und zu erziehen, &#x2014;<lb/>
nicht bloß auf eine unbegreifliche Wei&#x017F;e, und<lb/>
allein durch die, &#x017F;terblichen Augen undurch¬<lb/>
dringbare Kluft mit dem ewigen zu&#x017F;ammen¬<lb/>
ha&#x0364;ngend, &#x017F;ondern auf eine dem &#x017F;terblichen<lb/>
Auge &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ichtbare Wei&#x017F;e.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0253] vor allen Dingen dies religioͤſer Sinn, daß man ſich gegen die Sklaverei ſtemme, und, ſo man es verhindern kann, die Religion nicht bis zum bloßen Troſte der Gefangenen herab¬ ſinken laſſe. Dem Tyrannen ſieht es wohl an, religioͤſe Ergebung zu predigen, und die, de¬ nen er auf Erden kein Plaͤzgen verſtatten will, an den Himmel zu verweiſen; wir andern muͤſſen weniger eilen, dieſe von ihm empfohlne Anſicht der Religion uns anzueignen, und, falls wir koͤnnen, verhindern, daß man die Erde zur Hoͤlle mache, um eine deſto groͤßere Sehnſucht nach dem Himmel zu erregen. Der natuͤrliche, nur im wahren Falle der Noth aufzugebende Trieb des Menſchen iſt der, den Himmel ſchon auf dieſer Erde zu finden, und ewig dauerndes zu verſtoͤßen in ſein irdi¬ ſches Tagewerk; das unvergaͤngliche im zeitli¬ chen ſelbſt zu pflanzen, und zu erziehen, — nicht bloß auf eine unbegreifliche Weiſe, und allein durch die, ſterblichen Augen undurch¬ dringbare Kluft mit dem ewigen zuſammen¬ haͤngend, ſondern auf eine dem ſterblichen Auge ſelbſt ſichtbare Weiſe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/253
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/253>, abgerufen am 22.11.2024.