dern sie erwacht, und entzündet sich, und ruht allein in dem ewigen. Nicht einmal sich selbst vermag der Mensch zu lieben, es sey denn, daß er sich als ewiges erfasse: außerdem vermag er sich sogar nicht zu achten, noch zu billigen. Noch weniger vermag er etwas außer sich zu lieben, außer also, daß er es aufnehme in die Ewigkeit seines Glaubens und seines Gemüths, und es anknüpfe an diese. Wer nicht zuför¬ derst sich als ewig erblikt, der hat überhaupt keine Liebe, und kann auch nicht lieben ein Vaterland, dergleichen es für ihn nicht giebt. Wer zwar vielleicht sein unsichtbares Leben, nicht aber eben also sein sichtbares Leben, als ewig erblikt, der mag wohl einen Himmel ha¬ ben, und in diesem sein Vaterland, aber hie¬ nieden hat er kein Vaterland, denn auch die¬ ses wird nur unter dem Bilde der Ewigkeit, und zwar der sichtbaren, und versinnlichten Ewigkeit erblikt, und er vermag daher auch nicht sein Vaterland zu lieben. Ist einem sol¬ chen keins überliefert worden, so ist er zu be¬ klagen; wem Eins überliefert worden ist, und in wessen Gemüthe Himmel und Erde, unsicht¬ bares, und sichtbares sich durchdringen, und
dern ſie erwacht, und entzuͤndet ſich, und ruht allein in dem ewigen. Nicht einmal ſich ſelbſt vermag der Menſch zu lieben, es ſey denn, daß er ſich als ewiges erfaſſe: außerdem vermag er ſich ſogar nicht zu achten, noch zu billigen. Noch weniger vermag er etwas außer ſich zu lieben, außer alſo, daß er es aufnehme in die Ewigkeit ſeines Glaubens und ſeines Gemuͤths, und es anknuͤpfe an dieſe. Wer nicht zufoͤr¬ derſt ſich als ewig erblikt, der hat uͤberhaupt keine Liebe, und kann auch nicht lieben ein Vaterland, dergleichen es fuͤr ihn nicht giebt. Wer zwar vielleicht ſein unſichtbares Leben, nicht aber eben alſo ſein ſichtbares Leben, als ewig erblikt, der mag wohl einen Himmel ha¬ ben, und in dieſem ſein Vaterland, aber hie¬ nieden hat er kein Vaterland, denn auch die¬ ſes wird nur unter dem Bilde der Ewigkeit, und zwar der ſichtbaren, und verſinnlichten Ewigkeit erblikt, und er vermag daher auch nicht ſein Vaterland zu lieben. Iſt einem ſol¬ chen keins uͤberliefert worden, ſo iſt er zu be¬ klagen; wem Eins uͤberliefert worden iſt, und in weſſen Gemuͤthe Himmel und Erde, unſicht¬ bares, und ſichtbares ſich durchdringen, und
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dern ſie erwacht, und entzuͤndet ſich, und ruht
allein in dem ewigen. Nicht einmal ſich ſelbſt
vermag der Menſch zu lieben, es ſey denn, daß
er ſich als ewiges erfaſſe: außerdem vermag
er ſich ſogar nicht zu achten, noch zu billigen.
Noch weniger vermag er etwas außer ſich zu
lieben, außer alſo, daß er es aufnehme in die
Ewigkeit ſeines Glaubens und ſeines Gemuͤths,
und es anknuͤpfe an dieſe. Wer nicht zufoͤr¬
derſt ſich als ewig erblikt, der hat uͤberhaupt
keine Liebe, und kann auch nicht lieben ein
Vaterland, dergleichen es fuͤr ihn nicht giebt.
Wer zwar vielleicht ſein unſichtbares Leben,
nicht aber eben alſo ſein ſichtbares Leben, als
ewig erblikt, der mag wohl einen Himmel ha¬
ben, und in dieſem ſein Vaterland, aber hie¬
nieden hat er kein Vaterland, denn auch die¬
ſes wird nur unter dem Bilde der Ewigkeit,
und zwar der ſichtbaren, und verſinnlichten
Ewigkeit erblikt, und er vermag daher auch
nicht ſein Vaterland zu lieben. Iſt einem ſol¬
chen keins uͤberliefert worden, ſo iſt er zu be¬
klagen; wem Eins uͤberliefert worden iſt, und
in weſſen Gemuͤthe Himmel und Erde, unſicht¬
bares, und ſichtbares ſich durchdringen, und
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/261>, abgerufen am 22.11.2024.
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