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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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Rede kann sogar eine Schonung und Milde¬
rung enthalten, indem man eigentlich sagen
wollte, sie könnte so viele Freiheit gar nicht er¬
tragen, und nur eine hohe Strenge könne ver¬
hindern, daß sie sich nicht unter einander selber
aufrieben. Wenn aber die Worte also genom¬
men werden, wie sie gesagt sind, so sind sie
wahr unter der Voraussetzung, daß eine solche
Nation des ursprünglichen Lebens, und des
Triebes nach solchem, durchaus unfähig sey.
Eine solche Nation, falls eine solche, in der
auch nicht wenige edlere eine Ausnahme von
der allgemeinen Regel machten, möglich seyn
sollte, bedürfte in der That gar keiner Freiheit,
denn diese ist nur für die höhere über den Staat
hinaus liegenden Zweke; sie bedarf bloß der
Bezähmung, und Abrichtung, damit die Ein¬
zelnen friedlich neben einander bestehen, und
damit das Ganze zu einem tüchtigen Mittel für
willkührlich zu setzende außer ihr liegende
Zweke zubereitet werde. Wir können unent¬
schieden lassen, ob man irgend einer Nation
dies mit Wahrheit sagen könne; so viel ist klar,
daß ein ursprüngliches Volk der Freiheit be¬

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Rede kann ſogar eine Schonung und Milde¬
rung enthalten, indem man eigentlich ſagen
wollte, ſie koͤnnte ſo viele Freiheit gar nicht er¬
tragen, und nur eine hohe Strenge koͤnne ver¬
hindern, daß ſie ſich nicht unter einander ſelber
aufrieben. Wenn aber die Worte alſo genom¬
men werden, wie ſie geſagt ſind, ſo ſind ſie
wahr unter der Vorausſetzung, daß eine ſolche
Nation des urſpruͤnglichen Lebens, und des
Triebes nach ſolchem, durchaus unfaͤhig ſey.
Eine ſolche Nation, falls eine ſolche, in der
auch nicht wenige edlere eine Ausnahme von
der allgemeinen Regel machten, moͤglich ſeyn
ſollte, beduͤrfte in der That gar keiner Freiheit,
denn dieſe iſt nur fuͤr die hoͤhere uͤber den Staat
hinaus liegenden Zweke; ſie bedarf bloß der
Bezaͤhmung, und Abrichtung, damit die Ein¬
zelnen friedlich neben einander beſtehen, und
damit das Ganze zu einem tuͤchtigen Mittel fuͤr
willkuͤhrlich zu ſetzende außer ihr liegende
Zweke zubereitet werde. Wir koͤnnen unent¬
ſchieden laſſen, ob man irgend einer Nation
dies mit Wahrheit ſagen koͤnne; ſo viel iſt klar,
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[259/0265] Rede kann ſogar eine Schonung und Milde¬ rung enthalten, indem man eigentlich ſagen wollte, ſie koͤnnte ſo viele Freiheit gar nicht er¬ tragen, und nur eine hohe Strenge koͤnne ver¬ hindern, daß ſie ſich nicht unter einander ſelber aufrieben. Wenn aber die Worte alſo genom¬ men werden, wie ſie geſagt ſind, ſo ſind ſie wahr unter der Vorausſetzung, daß eine ſolche Nation des urſpruͤnglichen Lebens, und des Triebes nach ſolchem, durchaus unfaͤhig ſey. Eine ſolche Nation, falls eine ſolche, in der auch nicht wenige edlere eine Ausnahme von der allgemeinen Regel machten, moͤglich ſeyn ſollte, beduͤrfte in der That gar keiner Freiheit, denn dieſe iſt nur fuͤr die hoͤhere uͤber den Staat hinaus liegenden Zweke; ſie bedarf bloß der Bezaͤhmung, und Abrichtung, damit die Ein¬ zelnen friedlich neben einander beſtehen, und damit das Ganze zu einem tuͤchtigen Mittel fuͤr willkuͤhrlich zu ſetzende außer ihr liegende Zweke zubereitet werde. Wir koͤnnen unent¬ ſchieden laſſen, ob man irgend einer Nation dies mit Wahrheit ſagen koͤnne; ſo viel iſt klar, daß ein urſpruͤngliches Volk der Freiheit be¬ R 2

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/265>, abgerufen am 22.11.2024.