der Mensch da ist, ganz und vollendet, und es kann ihr nichts hinzugefügt werden; denn diese liegt hinaus über die fortwachsende Er¬ scheinung des sinnlichen Lebens, und ist unabhän¬ gig von ihm. Nur die Erkenntniß ist es, woran sich dieses sinnliche Leben knüpft, und welche mit demselben entsteht, und fortwächst. Diese entwikelt sich nur langsam, und allmählig, im Fortlaufe der Zeit. Wie soll nun, so lange, bis ein geordnetes Ganzes von Begriffen des Rechten und Guten entstehe, an welches das treibende Wohlgefallen sich knüpfen könne, jene angebohrne Liebe über die Zeiten der Unwissen¬ heit hinwegkommen, sich entwikeln, und üben? Die vernünftige Natur hat ohne alles unser Zuthun der Schwierigkeit abgeholfen. Das dem Kinde in seinem Innern abgehende Be¬ wußtseyn stellt sich ihm äußerlich und verkör¬ pert dar an dem Urtheile der erwachsenen Welt. Bis in ihm selbst ein verständiger Richter sich entwikle, wird es durch einen Naturtrieb an diese verwiesen, und so ihm ein Gewissen außer ihm gegeben, bis in ihm selber sich eins erzeuge. Diese bis jetzt wenig bekannte Wahr¬ heit soll die neue Erziehung anerkennen, und
der Menſch da iſt, ganz und vollendet, und es kann ihr nichts hinzugefuͤgt werden; denn dieſe liegt hinaus uͤber die fortwachſende Er¬ ſcheinung des ſinnlichen Lebens, und iſt unabhaͤn¬ gig von ihm. Nur die Erkenntniß iſt es, woran ſich dieſes ſinnliche Leben knuͤpft, und welche mit demſelben entſteht, und fortwaͤchſt. Dieſe entwikelt ſich nur langſam, und allmaͤhlig, im Fortlaufe der Zeit. Wie ſoll nun, ſo lange, bis ein geordnetes Ganzes von Begriffen des Rechten und Guten entſtehe, an welches das treibende Wohlgefallen ſich knuͤpfen koͤnne, jene angebohrne Liebe uͤber die Zeiten der Unwiſſen¬ heit hinwegkommen, ſich entwikeln, und uͤben? Die vernuͤnftige Natur hat ohne alles unſer Zuthun der Schwierigkeit abgeholfen. Das dem Kinde in ſeinem Innern abgehende Be¬ wußtſeyn ſtellt ſich ihm aͤußerlich und verkoͤr¬ pert dar an dem Urtheile der erwachſenen Welt. Bis in ihm ſelbſt ein verſtaͤndiger Richter ſich entwikle, wird es durch einen Naturtrieb an dieſe verwieſen, und ſo ihm ein Gewiſſen außer ihm gegeben, bis in ihm ſelber ſich eins erzeuge. Dieſe bis jetzt wenig bekannte Wahr¬ heit ſoll die neue Erziehung anerkennen, und
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der Menſch da iſt, ganz und vollendet, und
es kann ihr nichts hinzugefuͤgt werden; denn
dieſe liegt hinaus uͤber die fortwachſende Er¬
ſcheinung des ſinnlichen Lebens, und iſt unabhaͤn¬
gig von ihm. Nur die Erkenntniß iſt es, woran
ſich dieſes ſinnliche Leben knuͤpft, und welche
mit demſelben entſteht, und fortwaͤchſt. Dieſe
entwikelt ſich nur langſam, und allmaͤhlig, im
Fortlaufe der Zeit. Wie ſoll nun, ſo lange,
bis ein geordnetes Ganzes von Begriffen des
Rechten und Guten entſtehe, an welches das
treibende Wohlgefallen ſich knuͤpfen koͤnne, jene
angebohrne Liebe uͤber die Zeiten der Unwiſſen¬
heit hinwegkommen, ſich entwikeln, und uͤben?
Die vernuͤnftige Natur hat ohne alles unſer
Zuthun der Schwierigkeit abgeholfen. Das
dem Kinde in ſeinem Innern abgehende Be¬
wußtſeyn ſtellt ſich ihm aͤußerlich und verkoͤr¬
pert dar an dem Urtheile der erwachſenen Welt.
Bis in ihm ſelbſt ein verſtaͤndiger Richter ſich
entwikle, wird es durch einen Naturtrieb an
dieſe verwieſen, und ſo ihm ein Gewiſſen
außer ihm gegeben, bis in ihm ſelber ſich eins
erzeuge. Dieſe bis jetzt wenig bekannte Wahr¬
heit ſoll die neue Erziehung anerkennen, und
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/334>, abgerufen am 25.11.2024.
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