hört, und die sittliche, weit mehr als man bis jetzt zu glauben scheint, bedingt. Diese Bil¬ dung würde einen andern, bis jetzt auch in der Regel dem blinden Ohngefähr Preis gegebenen Theil der Erziehung abgeben, den man die wirthschaftliche Erziehung nennen könnte, und der keinesweges aus der dürftigen, und be¬ schränkten Ansicht, über welche einige unter Benennung der Oekonomie spotten, sondern aus dem höhern sittlichen Standpunkte ange¬ sehen werden muß. Unsere Zeit stellt es oft als einen über alle Gegenrede erhabenen Grund¬ satz auf, daß man eben schmeicheln, kriechen, sich zu allem gebrauchen lassen müsse, wenn man leben wolle, und daß es auf keine andere Weise angehe. Sie besinnt sich nicht, daß, wenn man sie auch mit dem heroischen, aber durchaus wahren Gegenspruche verschonen wollte, daß wenn es so ist, sie eben nicht leben, sondern sterben solle, noch die Bemerkung übrig bleibt, daß sie hätte lernen sollen, mit Eh¬ ren leben zu können. Man erkundige sich nur näher nach den Personen, die durch ehrloses Betragen sich auszeichnen; immer wird man finden, daß sie nicht arbeiten gelernt haben,
hoͤrt, und die ſittliche, weit mehr als man bis jetzt zu glauben ſcheint, bedingt. Dieſe Bil¬ dung wuͤrde einen andern, bis jetzt auch in der Regel dem blinden Ohngefaͤhr Preis gegebenen Theil der Erziehung abgeben, den man die wirthſchaftliche Erziehung nennen koͤnnte, und der keinesweges aus der duͤrftigen, und be¬ ſchraͤnkten Anſicht, uͤber welche einige unter Benennung der Oekonomie ſpotten, ſondern aus dem hoͤhern ſittlichen Standpunkte ange¬ ſehen werden muß. Unſere Zeit ſtellt es oft als einen uͤber alle Gegenrede erhabenen Grund¬ ſatz auf, daß man eben ſchmeicheln, kriechen, ſich zu allem gebrauchen laſſen muͤſſe, wenn man leben wolle, und daß es auf keine andere Weiſe angehe. Sie beſinnt ſich nicht, daß, wenn man ſie auch mit dem heroiſchen, aber durchaus wahren Gegenſpruche verſchonen wollte, daß wenn es ſo iſt, ſie eben nicht leben, ſondern ſterben ſolle, noch die Bemerkung uͤbrig bleibt, daß ſie haͤtte lernen ſollen, mit Eh¬ ren leben zu koͤnnen. Man erkundige ſich nur naͤher nach den Perſonen, die durch ehrloſes Betragen ſich auszeichnen; immer wird man finden, daß ſie nicht arbeiten gelernt haben,
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hoͤrt, und die ſittliche, weit mehr als man bis
jetzt zu glauben ſcheint, bedingt. Dieſe Bil¬
dung wuͤrde einen andern, bis jetzt auch in der
Regel dem blinden Ohngefaͤhr Preis gegebenen
Theil der Erziehung abgeben, den man die
wirthſchaftliche Erziehung nennen koͤnnte, und
der keinesweges aus der duͤrftigen, und be¬
ſchraͤnkten Anſicht, uͤber welche einige unter
Benennung der Oekonomie ſpotten, ſondern
aus dem hoͤhern ſittlichen Standpunkte ange¬
ſehen werden muß. Unſere Zeit ſtellt es oft
als einen uͤber alle Gegenrede erhabenen Grund¬
ſatz auf, daß man eben ſchmeicheln, kriechen,
ſich zu allem gebrauchen laſſen muͤſſe, wenn
man leben wolle, und daß es auf keine andere
Weiſe angehe. Sie beſinnt ſich nicht, daß,
wenn man ſie auch mit dem heroiſchen, aber
durchaus wahren Gegenſpruche verſchonen
wollte, daß wenn es ſo iſt, ſie eben nicht leben,
ſondern ſterben ſolle, noch die Bemerkung uͤbrig
bleibt, daß ſie haͤtte lernen ſollen, mit Eh¬
ren leben zu koͤnnen. Man erkundige ſich nur
naͤher nach den Perſonen, die durch ehrloſes
Betragen ſich auszeichnen; immer wird man
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/341>, abgerufen am 22.11.2024.
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