erinnern. Haben sie aber etwa ihre dermalige Weisheit nur aus dem Erfolge gezogen, aus welchem seitdem alles Volk mit ihnen eben dieselbe gezogen hat, warum sagen jezt eben sie, was alle andern nun eben sowohl wissen? Oder haben sie vielleicht gar damals aus Ge¬ winnsucht geschmeichelt, oder aus Furcht ge¬ schwiegen, vor dem Stande, und den Personen, über die jezt, nachdem sie die Gewalt verlohren haben, ungemäßigt ihre Strafrede hereinbricht; o so vergessen sie künftig nicht unter den Quel¬ len unsrer Uebel neben dem Adel, und den un¬ tauglichen Ministern und Feldherren, auch noch die politischen Schriftsteller anzuführen, die erst nach gegebnem Erfolge wissen, was da hätte geschehen sollen, so wie der Pöbel auch; und die den Gewalthabern schmeicheln, die Gefallenen aber schadenfroh verhöhnen!
Oder rügen sie etwa die Irrthümer der Vergangenheit, die freilich durch alle ihre Rüge nicht vernichtet werden kann, nur darum, damit man sie in der Zukunft nicht wieder be¬ gehe; und ist es bloß ihr Eifer, eine gründliche Verbesserung der menschlichen Verhältnisse zu
erinnern. Haben ſie aber etwa ihre dermalige Weisheit nur aus dem Erfolge gezogen, aus welchem ſeitdem alles Volk mit ihnen eben dieſelbe gezogen hat, warum ſagen jezt eben ſie, was alle andern nun eben ſowohl wiſſen? Oder haben ſie vielleicht gar damals aus Ge¬ winnſucht geſchmeichelt, oder aus Furcht ge¬ ſchwiegen, vor dem Stande, und den Perſonen, uͤber die jezt, nachdem ſie die Gewalt verlohren haben, ungemaͤßigt ihre Strafrede hereinbricht; o ſo vergeſſen ſie kuͤnftig nicht unter den Quel¬ len unſrer Uebel neben dem Adel, und den un¬ tauglichen Miniſtern und Feldherren, auch noch die politiſchen Schriftſteller anzufuͤhren, die erſt nach gegebnem Erfolge wiſſen, was da haͤtte geſchehen ſollen, ſo wie der Poͤbel auch; und die den Gewalthabern ſchmeicheln, die Gefallenen aber ſchadenfroh verhoͤhnen!
Oder ruͤgen ſie etwa die Irrthuͤmer der Vergangenheit, die freilich durch alle ihre Ruͤge nicht vernichtet werden kann, nur darum, damit man ſie in der Zukunft nicht wieder be¬ gehe; und iſt es bloß ihr Eifer, eine gruͤndliche Verbeſſerung der menſchlichen Verhaͤltniſſe zu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0445"n="439"/>
erinnern. Haben ſie aber etwa ihre dermalige<lb/>
Weisheit nur aus dem Erfolge gezogen, aus<lb/>
welchem ſeitdem alles Volk mit ihnen eben<lb/>
dieſelbe gezogen hat, warum ſagen jezt eben<lb/>ſie, was alle andern nun eben ſowohl wiſſen?<lb/>
Oder haben ſie vielleicht gar damals aus Ge¬<lb/>
winnſucht geſchmeichelt, oder aus Furcht ge¬<lb/>ſchwiegen, vor dem Stande, und den Perſonen,<lb/>
uͤber die jezt, nachdem ſie die Gewalt verlohren<lb/>
haben, ungemaͤßigt ihre Strafrede hereinbricht;<lb/>
o ſo vergeſſen ſie kuͤnftig nicht unter den Quel¬<lb/>
len unſrer Uebel neben dem Adel, und den un¬<lb/>
tauglichen Miniſtern und Feldherren, auch noch<lb/>
die politiſchen Schriftſteller anzufuͤhren, die erſt<lb/>
nach gegebnem Erfolge wiſſen, was da haͤtte<lb/>
geſchehen ſollen, ſo wie der Poͤbel auch; und die<lb/>
den Gewalthabern ſchmeicheln, die Gefallenen<lb/>
aber ſchadenfroh verhoͤhnen!</p><lb/><p>Oder ruͤgen ſie etwa die Irrthuͤmer der<lb/>
Vergangenheit, die freilich durch alle ihre<lb/>
Ruͤge nicht vernichtet werden kann, nur darum,<lb/>
damit man ſie in der Zukunft nicht wieder be¬<lb/>
gehe; und iſt es bloß ihr Eifer, eine gruͤndliche<lb/>
Verbeſſerung der menſchlichen Verhaͤltniſſe zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[439/0445]
erinnern. Haben ſie aber etwa ihre dermalige
Weisheit nur aus dem Erfolge gezogen, aus
welchem ſeitdem alles Volk mit ihnen eben
dieſelbe gezogen hat, warum ſagen jezt eben
ſie, was alle andern nun eben ſowohl wiſſen?
Oder haben ſie vielleicht gar damals aus Ge¬
winnſucht geſchmeichelt, oder aus Furcht ge¬
ſchwiegen, vor dem Stande, und den Perſonen,
uͤber die jezt, nachdem ſie die Gewalt verlohren
haben, ungemaͤßigt ihre Strafrede hereinbricht;
o ſo vergeſſen ſie kuͤnftig nicht unter den Quel¬
len unſrer Uebel neben dem Adel, und den un¬
tauglichen Miniſtern und Feldherren, auch noch
die politiſchen Schriftſteller anzufuͤhren, die erſt
nach gegebnem Erfolge wiſſen, was da haͤtte
geſchehen ſollen, ſo wie der Poͤbel auch; und die
den Gewalthabern ſchmeicheln, die Gefallenen
aber ſchadenfroh verhoͤhnen!
Oder ruͤgen ſie etwa die Irrthuͤmer der
Vergangenheit, die freilich durch alle ihre
Ruͤge nicht vernichtet werden kann, nur darum,
damit man ſie in der Zukunft nicht wieder be¬
gehe; und iſt es bloß ihr Eifer, eine gruͤndliche
Verbeſſerung der menſchlichen Verhaͤltniſſe zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/445>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.