Fichte, Johann Gottlieb: Über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie. Weimar, 1794.Bekomme ich nicht die begehrte Grösse als Produkt, Es bleibt demnach, selbst bei der höchsten Einheit forscht
Bekomme ich nicht die begehrte Gröſse als Produkt, Es bleibt demnach, ſelbſt bei der höchſten Einheit forſcht
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0064" n="56"/> Bekomme ich nicht die begehrte Gröſse als Produkt,<lb/> ſondern irgend eine andre, ſo habe ich ſicher irgendwo<lb/><choice><sic>ſalſch</sic><corr>falſch</corr></choice> gerechnet; bekomm ich ſie, ſo iſt wahrſcheinlich,<lb/> daſs ich richtig gerechnet habe, aber auch bloſs wahr-<lb/> ſcheinlich; denn ich könnte in der Diviſion und Mul-<lb/> tiplikation den gleichen Fehler gemacht haben, etwa<lb/> in beiden geſagt haben 5 X 9 = 36. und ſo bewieſe die<lb/> Uebereinſtimmung nichts. — So die Wiſſenſchafts-<lb/> lehre; ſie iſt nicht bloſs die Regel, ſondern ſie iſt zu-<lb/> gleich die Rechnung. Wer an der Richtigkeit unſers<lb/> Produkts zweifelt, zweifelt nicht eben an dem ewig<lb/> gültigen Geſetze, daſs man den einen Faktor ſo vielmal<lb/> ſetzen müſſe, als der andre Einheiten habe; es liegt ihm<lb/> vielleicht eben ſo ſehr am Herzen als uns, und er zwei-<lb/> felt bloſs daran, ob wir es wirklich beobachtet haben.</p><lb/> <p>Es bleibt demnach, ſelbſt bei der höchſten Einheit<lb/> des Syſtems, welches die negative Bedingung ſeiner<lb/> Richtigkeit iſt, noch immer etwas übrig, das nie ſtreng<lb/> erwieſen, ſondern nur als wahrſcheinlich angenommen<lb/> werden kann, nehmlich, daſs dieſe Einheit ſelbſt nicht<lb/> von ungefähr durch unrichtige Folgerung entſtanden<lb/> ſei. Man kann mehrere Mittel anwenden, um dieſe<lb/> Wahrſcheinlichkeit zu erhöhen; man kann die Reihe<lb/> der Sätze zu mehreren Malen, wenn ſie unſerm Ge-<lb/> dächtniſs nicht mehr gegenwärtig ſind, durchdenken;<lb/> man kann den umgekehrten Weg machen, und vom<lb/> Reſultate zum Grundſatze zurück gehen; man kann<lb/> über ſeine Reflexion ſelber wieder reflektiren u. ſ. f.<lb/> die Wahrſcheinlichkeit wird immer gröſser, aber nie<lb/> wird Gewiſsheit, was bloſse Wahrſcheinlichkeit war.<lb/> Wenn man ſich dabei nur bewuſst iſt, redlich ge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">forſcht</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0064]
Bekomme ich nicht die begehrte Gröſse als Produkt,
ſondern irgend eine andre, ſo habe ich ſicher irgendwo
falſch gerechnet; bekomm ich ſie, ſo iſt wahrſcheinlich,
daſs ich richtig gerechnet habe, aber auch bloſs wahr-
ſcheinlich; denn ich könnte in der Diviſion und Mul-
tiplikation den gleichen Fehler gemacht haben, etwa
in beiden geſagt haben 5 X 9 = 36. und ſo bewieſe die
Uebereinſtimmung nichts. — So die Wiſſenſchafts-
lehre; ſie iſt nicht bloſs die Regel, ſondern ſie iſt zu-
gleich die Rechnung. Wer an der Richtigkeit unſers
Produkts zweifelt, zweifelt nicht eben an dem ewig
gültigen Geſetze, daſs man den einen Faktor ſo vielmal
ſetzen müſſe, als der andre Einheiten habe; es liegt ihm
vielleicht eben ſo ſehr am Herzen als uns, und er zwei-
felt bloſs daran, ob wir es wirklich beobachtet haben.
Es bleibt demnach, ſelbſt bei der höchſten Einheit
des Syſtems, welches die negative Bedingung ſeiner
Richtigkeit iſt, noch immer etwas übrig, das nie ſtreng
erwieſen, ſondern nur als wahrſcheinlich angenommen
werden kann, nehmlich, daſs dieſe Einheit ſelbſt nicht
von ungefähr durch unrichtige Folgerung entſtanden
ſei. Man kann mehrere Mittel anwenden, um dieſe
Wahrſcheinlichkeit zu erhöhen; man kann die Reihe
der Sätze zu mehreren Malen, wenn ſie unſerm Ge-
dächtniſs nicht mehr gegenwärtig ſind, durchdenken;
man kann den umgekehrten Weg machen, und vom
Reſultate zum Grundſatze zurück gehen; man kann
über ſeine Reflexion ſelber wieder reflektiren u. ſ. f.
die Wahrſcheinlichkeit wird immer gröſser, aber nie
wird Gewiſsheit, was bloſse Wahrſcheinlichkeit war.
Wenn man ſich dabei nur bewuſst iſt, redlich ge-
forſcht
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