des Vorganges entsteht erst, wenn es, wie bei den ent¬ wickelten Producten der bildnerischen Thätigkeit, schwieriger wird, an einem complicirten Resultat den Nachweis zu führen, daß es im Grunde auf demselben Vorgang beruht, der in jenen ersten Anfängen sichtbaren Darstellens so offen zu Tage liegt. Man hilft sich dann mit einem Worte wie Nachahmung, welches doch aufhört, einen vernünftigen Sinn zu haben, sobald man dem Vorgange ernstlich nach¬ denkt, der sich vollziehen muß, damit jenes complicirte Resultat entstehen könne.
Muß man sich nun auch sagen, daß das, was die Hand zu thun vermag, indem sie die Arbeit des Auges darstellend, bildend aufnimmt, unendlich mühsam, unbe¬ holfen, stümperhaft erscheint im Vergleich zu der mühelosen und doch so wunderbaren Thätigkeit des Auges, die in jedem Augenblick eine ganze Welt von Bildern vor das Bewußtsein zaubert, so muß man sich doch zugleich ein¬ gestehen, daß man mit dem schüchternsten kindlichsten Ver¬ such bildlicher Darstellung am Anfang einer Thätigkeit steht, durch die es ganz allein möglich ist, aus den Wahr¬ nehmungsbildern des Auges Vorstellungen in dem Sinne zu entwickeln, daß dieselben zu realisirten, in sinnlich nach¬ weisbarer Form vorhandenen Bestandtheilen des Bewußt¬ seins werden. Zugleich begreift man, daß man vor un¬ endlichen, nicht vor endlichen Processen steht, wenn man sich denjenigen Inhalt unseres Geisteslebens vergegenwär¬ tigt, welcher unmittelbar aus dem Vorhandensein des Ge¬ sichtssinnes entspringt; man erkennt, daß, so wie die An¬
des Vorganges entſteht erſt, wenn es, wie bei den ent¬ wickelten Producten der bildneriſchen Thätigkeit, ſchwieriger wird, an einem complicirten Reſultat den Nachweis zu führen, daß es im Grunde auf demſelben Vorgang beruht, der in jenen erſten Anfängen ſichtbaren Darſtellens ſo offen zu Tage liegt. Man hilft ſich dann mit einem Worte wie Nachahmung, welches doch aufhört, einen vernünftigen Sinn zu haben, ſobald man dem Vorgange ernſtlich nach¬ denkt, der ſich vollziehen muß, damit jenes complicirte Reſultat entſtehen könne.
Muß man ſich nun auch ſagen, daß das, was die Hand zu thun vermag, indem ſie die Arbeit des Auges darſtellend, bildend aufnimmt, unendlich mühſam, unbe¬ holfen, ſtümperhaft erſcheint im Vergleich zu der müheloſen und doch ſo wunderbaren Thätigkeit des Auges, die in jedem Augenblick eine ganze Welt von Bildern vor das Bewußtſein zaubert, ſo muß man ſich doch zugleich ein¬ geſtehen, daß man mit dem ſchüchternſten kindlichſten Ver¬ ſuch bildlicher Darſtellung am Anfang einer Thätigkeit ſteht, durch die es ganz allein möglich iſt, aus den Wahr¬ nehmungsbildern des Auges Vorſtellungen in dem Sinne zu entwickeln, daß dieſelben zu realiſirten, in ſinnlich nach¬ weisbarer Form vorhandenen Beſtandtheilen des Bewußt¬ ſeins werden. Zugleich begreift man, daß man vor un¬ endlichen, nicht vor endlichen Proceſſen ſteht, wenn man ſich denjenigen Inhalt unſeres Geiſteslebens vergegenwär¬ tigt, welcher unmittelbar aus dem Vorhandenſein des Ge¬ ſichtsſinnes entſpringt; man erkennt, daß, ſo wie die An¬
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des Vorganges entſteht erſt, wenn es, wie bei den ent¬
wickelten Producten der bildneriſchen Thätigkeit, ſchwieriger
wird, an einem complicirten Reſultat den Nachweis zu
führen, daß es im Grunde auf demſelben Vorgang beruht,
der in jenen erſten Anfängen ſichtbaren Darſtellens ſo offen
zu Tage liegt. Man hilft ſich dann mit einem Worte wie
Nachahmung, welches doch aufhört, einen vernünftigen
Sinn zu haben, ſobald man dem Vorgange ernſtlich nach¬
denkt, der ſich vollziehen muß, damit jenes complicirte
Reſultat entſtehen könne.
Muß man ſich nun auch ſagen, daß das, was die
Hand zu thun vermag, indem ſie die Arbeit des Auges
darſtellend, bildend aufnimmt, unendlich mühſam, unbe¬
holfen, ſtümperhaft erſcheint im Vergleich zu der müheloſen
und doch ſo wunderbaren Thätigkeit des Auges, die in
jedem Augenblick eine ganze Welt von Bildern vor das
Bewußtſein zaubert, ſo muß man ſich doch zugleich ein¬
geſtehen, daß man mit dem ſchüchternſten kindlichſten Ver¬
ſuch bildlicher Darſtellung am Anfang einer Thätigkeit
ſteht, durch die es ganz allein möglich iſt, aus den Wahr¬
nehmungsbildern des Auges Vorſtellungen in dem Sinne
zu entwickeln, daß dieſelben zu realiſirten, in ſinnlich nach¬
weisbarer Form vorhandenen Beſtandtheilen des Bewußt¬
ſeins werden. Zugleich begreift man, daß man vor un¬
endlichen, nicht vor endlichen Proceſſen ſteht, wenn man
ſich denjenigen Inhalt unſeres Geiſteslebens vergegenwär¬
tigt, welcher unmittelbar aus dem Vorhandenſein des Ge¬
ſichtsſinnes entſpringt; man erkennt, daß, ſo wie die An¬
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/101>, abgerufen am 16.07.2024.
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