Bewegung stehen, in der man ein unablässiges Fortschreiten der Menschen nach intellectueller, sittlicher, ästhetischer Voll¬ kommenheit voraussetzen zu dürfen meint; nicht das ist aber ihr ganzes und auch nicht ihr eigenstes Verdienst; vielmehr enthalten sie etwas, was sich nicht in jenen Zu¬ sammenhang unterbringen, nicht aus ihm erklären läßt. Wenn der Künstler, alles Streben nach jenen gemeinsamen Zielen menschlicher Entwickelung hinter sich lassend, in seiner bildnerischen Thätigkeit zu jener Verlebendigung des Bewußtseins gelangt, die sich im Kunstwerk offenbart, so ist das etwas, was keinerlei Bedeutung für den Gang jener Entwickelung besitzt und worin doch der menschliche Geist seine höchsten Augenblicke erlebt. Richten wir unser Augenmerk auf diesen Inhalt menschlicher Thätigkeit, so wird uns das Leben im allgemeinen nicht mehr nur unter dem Bilde einer Gesammtarbeit erscheinen, im Verhältniß zu der die Leistung des Einzelnen nur als ein kleiner Beitrag erscheint; vielmehr erkennen wir, wie sich der menschliche Geist da, wo er seine höchste Leistungsfähigkeit erreicht, aus den Niederungen des Strebens nach gemein¬ samen Zielen erhebt und etwas hervorbringt, was nicht mehr bloß einen relativen Werth aus seiner Bedeutung für ein Allgemeines abzuleiten hat, sondern dessen absoluter Werth darin besteht, daß in ihm das menschliche Bewußt¬ sein zu den höchsten Graden seiner Entwickelungsfähigkeit gelangt ist. Müssen wir so darauf verzichten, aus dem Inhalt der Kunst, wie er sich uns dargestellt hat, einen Werth für jene gemeinsamen Angelegenheiten der Mensch¬
Bewegung ſtehen, in der man ein unabläſſiges Fortſchreiten der Menſchen nach intellectueller, ſittlicher, äſthetiſcher Voll¬ kommenheit vorausſetzen zu dürfen meint; nicht das iſt aber ihr ganzes und auch nicht ihr eigenſtes Verdienſt; vielmehr enthalten ſie etwas, was ſich nicht in jenen Zu¬ ſammenhang unterbringen, nicht aus ihm erklären läßt. Wenn der Künſtler, alles Streben nach jenen gemeinſamen Zielen menſchlicher Entwickelung hinter ſich laſſend, in ſeiner bildneriſchen Thätigkeit zu jener Verlebendigung des Bewußtſeins gelangt, die ſich im Kunſtwerk offenbart, ſo iſt das etwas, was keinerlei Bedeutung für den Gang jener Entwickelung beſitzt und worin doch der menſchliche Geiſt ſeine höchſten Augenblicke erlebt. Richten wir unſer Augenmerk auf dieſen Inhalt menſchlicher Thätigkeit, ſo wird uns das Leben im allgemeinen nicht mehr nur unter dem Bilde einer Geſammtarbeit erſcheinen, im Verhältniß zu der die Leiſtung des Einzelnen nur als ein kleiner Beitrag erſcheint; vielmehr erkennen wir, wie ſich der menſchliche Geiſt da, wo er ſeine höchſte Leiſtungsfähigkeit erreicht, aus den Niederungen des Strebens nach gemein¬ ſamen Zielen erhebt und etwas hervorbringt, was nicht mehr bloß einen relativen Werth aus ſeiner Bedeutung für ein Allgemeines abzuleiten hat, ſondern deſſen abſoluter Werth darin beſteht, daß in ihm das menſchliche Bewußt¬ ſein zu den höchſten Graden ſeiner Entwickelungsfähigkeit gelangt iſt. Müſſen wir ſo darauf verzichten, aus dem Inhalt der Kunſt, wie er ſich uns dargeſtellt hat, einen Werth für jene gemeinſamen Angelegenheiten der Menſch¬
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Bewegung ſtehen, in der man ein unabläſſiges Fortſchreiten
der Menſchen nach intellectueller, ſittlicher, äſthetiſcher Voll¬
kommenheit vorausſetzen zu dürfen meint; nicht das iſt
aber ihr ganzes und auch nicht ihr eigenſtes Verdienſt;
vielmehr enthalten ſie etwas, was ſich nicht in jenen Zu¬
ſammenhang unterbringen, nicht aus ihm erklären läßt.
Wenn der Künſtler, alles Streben nach jenen gemeinſamen
Zielen menſchlicher Entwickelung hinter ſich laſſend, in
ſeiner bildneriſchen Thätigkeit zu jener Verlebendigung des
Bewußtſeins gelangt, die ſich im Kunſtwerk offenbart, ſo
iſt das etwas, was keinerlei Bedeutung für den Gang
jener Entwickelung beſitzt und worin doch der menſchliche
Geiſt ſeine höchſten Augenblicke erlebt. Richten wir unſer
Augenmerk auf dieſen Inhalt menſchlicher Thätigkeit, ſo
wird uns das Leben im allgemeinen nicht mehr nur unter
dem Bilde einer Geſammtarbeit erſcheinen, im Verhältniß
zu der die Leiſtung des Einzelnen nur als ein kleiner
Beitrag erſcheint; vielmehr erkennen wir, wie ſich der
menſchliche Geiſt da, wo er ſeine höchſte Leiſtungsfähigkeit
erreicht, aus den Niederungen des Strebens nach gemein¬
ſamen Zielen erhebt und etwas hervorbringt, was nicht
mehr bloß einen relativen Werth aus ſeiner Bedeutung
für ein Allgemeines abzuleiten hat, ſondern deſſen abſoluter
Werth darin beſteht, daß in ihm das menſchliche Bewußt¬
ſein zu den höchſten Graden ſeiner Entwickelungsfähigkeit
gelangt iſt. Müſſen wir ſo darauf verzichten, aus dem
Inhalt der Kunſt, wie er ſich uns dargeſtellt hat, einen
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/187>, abgerufen am 16.02.2025.
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