Finen, Eberhard: Der Seine Seele stillende David/ Und die Rechte Stelle einer stillen Zufriedenheit. Braunschweig, 1720.
Sie durffte keine Pracht den Adel
anzuzeigen, Ihr Angesicht hielt schon was Adelichs in sich; Ihr Sitzen und ihr
Gehn, ihr Reden und ihr Schweigen, Ihr Lassen und ihr Thun war immer Adelich.
Und ists ein hoher Ruhm, der an die Sternen rühret, Wenn man den Dürfftigen
unzählig Guts erweist, So hat sie sich hierin so trefflich aufgeführet, Daß ihre
Gütigkeit die Armuth ewig preist. Doch mögen andere von ihrer Tugend sagen;
Jetzund bejammr' ich nur, daß sie gestorben ist. Ihr Hinfall kräncket mich: Auch
in den wen'gen Tagen Erfähret schon mem Hertz, wie sehr es sie vermißt. Es ist
der Kinder Pflicht, die Eltern hoch zu schätzen, Und bey derselben Tod in Flohr
und Trauer gehn: Die diß Ratur-Gesetz nach wilder Art verletzen, Sind harten
Felsen gleich, die unbeweglich stehn. Zwar hat die seel'ge Frau mich nicht als
Kind gebohren; Doch nahm sie mich, als Kind, in meiner Kindheit an: Sie hat
mich, als ein Kind, zu ihrem Kind erkohren, Und hat bey mir, als Kind, recht
mütterlich gethan.
Sie durffte keine Pracht den Adel
anzuzeigen, Ihr Angesicht hielt schon was Adelichs in sich; Ihr Sitzen und ihr
Gehn, ihr Reden und ihr Schweigen, Ihr Lassen und ihr Thun war immer Adelich.
Und ists ein hoher Ruhm, der an die Sternen rühret, Wenn man den Dürfftigen
unzählig Guts erweist, So hat sie sich hierin so trefflich aufgeführet, Daß ihre
Gütigkeit die Armuth ewig preist. Doch mögen andere von ihrer Tugend sagen;
Jetzund bejammr’ ich nur, daß sie gestorben ist. Ihr Hinfall kräncket mich: Auch
in den wen’gen Tagen Erfähret schon mem Hertz, wie sehr es sie vermißt. Es ist
der Kinder Pflicht, die Eltern hoch zu schätzen, Und bey derselben Tod in Flohr
und Trauer gehn: Die diß Ratur-Gesetz nach wilder Art verletzen, Sind harten
Felsen gleich, die unbeweglich stehn. Zwar hat die seel’ge Frau mich nicht als
Kind gebohren; Doch nahm sie mich, als Kind, in meiner Kindheit an: Sie hat
mich, als ein Kind, zu ihrem Kind erkohren, Und hat bey mir, als Kind, recht
mütterlich gethan.
<TEI> <text> <body> <div> <l><pb facs="#f0048" n="42"/> Sie durffte keine Pracht den Adel anzuzeigen, Ihr Angesicht hielt schon was Adelichs in sich; Ihr Sitzen und ihr Gehn, ihr Reden und ihr Schweigen, Ihr Lassen und ihr Thun war immer Adelich. Und ists ein hoher Ruhm, der an die Sternen rühret, Wenn man den Dürfftigen unzählig Guts erweist, So hat sie sich hierin so trefflich aufgeführet, Daß ihre Gütigkeit die Armuth ewig preist. Doch mögen andere von ihrer Tugend sagen; Jetzund bejammr’ ich nur, daß sie gestorben ist. Ihr Hinfall kräncket mich: Auch in den wen’gen Tagen Erfähret schon mem Hertz, wie sehr es sie vermißt. Es ist der Kinder Pflicht, die Eltern hoch zu schätzen, Und bey derselben Tod in Flohr und Trauer gehn: Die diß Ratur-Gesetz nach wilder Art verletzen, Sind harten Felsen gleich, die unbeweglich stehn. Zwar hat die seel’ge Frau mich nicht als Kind gebohren; Doch nahm sie mich, als Kind, in meiner Kindheit an: Sie hat mich, als ein Kind, zu ihrem Kind erkohren, Und hat bey mir, als Kind, recht mütterlich gethan. </l> </div> </body> </text> </TEI> [42/0048]
Sie durffte keine Pracht den Adel anzuzeigen, Ihr Angesicht hielt schon was Adelichs in sich; Ihr Sitzen und ihr Gehn, ihr Reden und ihr Schweigen, Ihr Lassen und ihr Thun war immer Adelich. Und ists ein hoher Ruhm, der an die Sternen rühret, Wenn man den Dürfftigen unzählig Guts erweist, So hat sie sich hierin so trefflich aufgeführet, Daß ihre Gütigkeit die Armuth ewig preist. Doch mögen andere von ihrer Tugend sagen; Jetzund bejammr’ ich nur, daß sie gestorben ist. Ihr Hinfall kräncket mich: Auch in den wen’gen Tagen Erfähret schon mem Hertz, wie sehr es sie vermißt. Es ist der Kinder Pflicht, die Eltern hoch zu schätzen, Und bey derselben Tod in Flohr und Trauer gehn: Die diß Ratur-Gesetz nach wilder Art verletzen, Sind harten Felsen gleich, die unbeweglich stehn. Zwar hat die seel’ge Frau mich nicht als Kind gebohren; Doch nahm sie mich, als Kind, in meiner Kindheit an: Sie hat mich, als ein Kind, zu ihrem Kind erkohren, Und hat bey mir, als Kind, recht mütterlich gethan.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI.
(2013-02-15T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss. Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription.
(2013-02-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |