Finen, Eberhard: Der Seine Seele stillende David/ Und die Rechte Stelle einer stillen Zufriedenheit. Braunschweig, 1720.
Drum werd ich so
viel mehr zur Kindes-Pflicht getrieben, Da der Wohlseel'gen Huld mir viel zu
preisen giebt: Die Mutter kan ihr Kind unmöglich höher lieben, Als mich von
Kindheit an ihr holder Geist geliebt. Ich sahe sie mit Ernst sich für mein Heyl
bemühen, Die Proben ihrer Gunst vermehrte jeder Tag. Sie wandte willig an, mich
löblich zu erziehen, Was sonst der Eltern Fleiß an Kinder wenden mag. In solcher
zarten Huld und treuen Mutter-Liebe Rahm sie die Ewigkeit in ihren froben
Schooß: Die Reigung, die sie stets mich zu umfassen triebe, Die schloß sich eher
nicht, als sie die Augen schloß. Ach! aber, daß sie schon die Augen hat
geschlossen! Ach! daß die theure Frau nicht länger leben soll! Ach! hätt' ich
ihre Huld noch fernerweit genossen, So stünd es gantz gewiß üm meine Wohlfahrt
wohl. O Lebens-Unbestand! O wandelbares Glücke! Wie strahlest du uns offt mit
holden Augen an! Und gibst im Augenblick die allersaursten Blicke! Wie gar
geschwind ists doch üm deine Gunst gethan! Für Rosen reichst du uns offt
traurige Cypressen, Für Zucker speis'st du Gall, und Wermuth für Jesmin: Wer
jetzo süsses kunt' aus deiner Schalen essen,
Drum werd ich so
viel mehr zur Kindes-Pflicht getrieben, Da der Wohlseel’gen Huld mir viel zu
preisen giebt: Die Mutter kan ihr Kind unmöglich höher lieben, Als mich von
Kindheit an ihr holder Geist geliebt. Ich sahe sie mit Ernst sich für mein Heyl
bemühen, Die Proben ihrer Gunst vermehrte jeder Tag. Sie wandte willig an, mich
löblich zu erziehen, Was sonst der Eltern Fleiß an Kinder wenden mag. In solcher
zarten Huld und treuen Mutter-Liebe Rahm sie die Ewigkeit in ihren froben
Schooß: Die Reigung, die sie stets mich zu umfassen triebe, Die schloß sich eher
nicht, als sie die Augen schloß. Ach! aber, daß sie schon die Augen hat
geschlossen! Ach! daß die theure Frau nicht länger leben soll! Ach! hätt’ ich
ihre Huld noch fernerweit genossen, So stünd es gantz gewiß üm meine Wohlfahrt
wohl. O Lebens-Unbestand! O wandelbares Glücke! Wie strahlest du uns offt mit
holden Augen an! Und gibst im Augenblick die allersaursten Blicke! Wie gar
geschwind ists doch üm deine Gunst gethan! Für Rosen reichst du uns offt
traurige Cypressen, Für Zucker speis’st du Gall, und Wermuth für Jesmin: Wer
jetzo süsses kunt’ aus deiner Schalen essen,
<TEI> <text> <body> <div> <l><pb facs="#f0049" n="43"/> Drum werd ich so viel mehr zur Kindes-Pflicht getrieben, Da der Wohlseel’gen Huld mir viel zu preisen giebt: Die Mutter kan ihr Kind unmöglich höher lieben, Als mich von Kindheit an ihr holder Geist geliebt. Ich sahe sie mit Ernst sich für mein Heyl bemühen, Die Proben ihrer Gunst vermehrte jeder Tag. Sie wandte willig an, mich löblich zu erziehen, Was sonst der Eltern Fleiß an Kinder wenden mag. In solcher zarten Huld und treuen Mutter-Liebe Rahm sie die Ewigkeit in ihren froben Schooß: Die Reigung, die sie stets mich zu umfassen triebe, Die schloß sich eher nicht, als sie die Augen schloß. Ach! aber, daß sie schon die Augen hat geschlossen! Ach! daß die theure Frau nicht länger leben soll! Ach! hätt’ ich ihre Huld noch fernerweit genossen, So stünd es gantz gewiß üm meine Wohlfahrt wohl. O Lebens-Unbestand! O wandelbares Glücke! Wie strahlest du uns offt mit holden Augen an! Und gibst im Augenblick die allersaursten Blicke! Wie gar geschwind ists doch üm deine Gunst gethan! Für Rosen reichst du uns offt traurige Cypressen, Für Zucker speis’st du Gall, und Wermuth für Jesmin: Wer jetzo süsses kunt’ aus deiner Schalen essen, </l> </div> </body> </text> </TEI> [43/0049]
Drum werd ich so viel mehr zur Kindes-Pflicht getrieben, Da der Wohlseel’gen Huld mir viel zu preisen giebt: Die Mutter kan ihr Kind unmöglich höher lieben, Als mich von Kindheit an ihr holder Geist geliebt. Ich sahe sie mit Ernst sich für mein Heyl bemühen, Die Proben ihrer Gunst vermehrte jeder Tag. Sie wandte willig an, mich löblich zu erziehen, Was sonst der Eltern Fleiß an Kinder wenden mag. In solcher zarten Huld und treuen Mutter-Liebe Rahm sie die Ewigkeit in ihren froben Schooß: Die Reigung, die sie stets mich zu umfassen triebe, Die schloß sich eher nicht, als sie die Augen schloß. Ach! aber, daß sie schon die Augen hat geschlossen! Ach! daß die theure Frau nicht länger leben soll! Ach! hätt’ ich ihre Huld noch fernerweit genossen, So stünd es gantz gewiß üm meine Wohlfahrt wohl. O Lebens-Unbestand! O wandelbares Glücke! Wie strahlest du uns offt mit holden Augen an! Und gibst im Augenblick die allersaursten Blicke! Wie gar geschwind ists doch üm deine Gunst gethan! Für Rosen reichst du uns offt traurige Cypressen, Für Zucker speis’st du Gall, und Wermuth für Jesmin: Wer jetzo süsses kunt’ aus deiner Schalen essen,
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