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Finen, Eberhard: Kläglicher Sterbe-Wunsch Pauli als Ein Wunsch eines Hohen in der Welt. Braunschweig, 1706.

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I. Auf des Wunsches Ursach.
II. Auf desselben Vortrag.

Was das erste betrifft / so gibt Paulus solches zu erkennen in der Anzeige seines Elendes. Er bricht ja in diesen Seufftzer heraus: Ich elender Mensch. So bald sich Paulus einen Menschen nennet / nennet er eine elende Creatur / nicht zwar nach der ersten Heil. Absicht des allgütigen GOttes / denn dieselbe war gantz anders / und gieng dahin / daß der Mensch solte das Alleredelste / das Allerglückseeligste unter allen Geschöpffen auf Erden seyn; sondern nach dem Zustande des Menschen nach dem kläglichen Sünden-Fall. Da ist freylich / das Leben des Menschen wie ein Circul: Es fängt sich an mit Elend und endet sich mit Schmertzen; Je länger der Umfang unsers Lebens gleich einem Kreiß gezogen wird / je mehr Elend es in sich fasset. Der Anfang dieses Circuls ist: Du bist Erde / das Ende: Du must wieder zur Erden werden / und der gantze Zug bestehet in zusammen gefügter Sorge / Furcht und Hoffnung. Paulus hatte zwar vor andern Menschen viel Voraus / er schreibt sich von GOttes 1. Cor. XV, 10.Gnaden: Von GOttes Gnaden bin ich / was ich bin / und seine Gnade ist an mir nicht vergeblich gewesen. Er war ein grosser Apostel / ein auserwähltes Rüstzeug oder 2. Cor. XI. & XII.Werckzeug GOttes / und konte sich mit Warheit rühmen / daß er vor andern Aposteln einen grossen Vorzug hätte. Bey dem allen aber blieb er ein Mensch / und muste sagen: Homo sum, humani a me nihil alienum puto; Ich bin ein Mensch / und darff mich dessen / was Menschlich ist / nicht entziehen. Ja / wenn des Nicephori Nachricht Glauben verdienet / so fand sich bey Paulo / was die constitution des Leibes und die Leyden an dem Leibe betrifft / mehr Menschliches / als bey vielen andern Menschen; Er war einer sehr schwächlichen Natur / und das äusserliche Ansehen gar gering Gal. IV, 13. Conf. 2. Cor. I, 8. & 2. Cor. XII, 7. 2. Cor. XI, 10./ und dabey muste er so viel travaillen so viel Reisen übernehmen. Hierzu kamen Kranckheiten / Ketten und Banden / Frost / Hitze / Ruthen / Schläge / Leib und Lebens Gefahr. Daß also Paulus in dieser Absicht sich wol vor einen [fremdsprachliches Material], vor einen recht Elenden / bejammernswürdigen

I. Auf des Wunsches Ursach.
II. Auf desselben Vortrag.

Was das erste betrifft / so gibt Paulus solches zu erkennen in der Anzeige seines Elendes. Er bricht ja in diesen Seufftzer heraus: Ich elender Mensch. So bald sich Paulus einen Menschen nennet / nennet er eine elende Creatur / nicht zwar nach der ersten Heil. Absicht des allgütigen GOttes / denn dieselbe war gantz anders / und gieng dahin / daß der Mensch solte das Alleredelste / das Allerglückseeligste unter allen Geschöpffen auf Erden seyn; sondern nach dem Zustande des Menschen nach dem kläglichen Sünden-Fall. Da ist freylich / das Leben des Menschen wie ein Circul: Es fängt sich an mit Elend und endet sich mit Schmertzen; Je länger der Umfang unsers Lebens gleich einem Kreiß gezogen wird / je mehr Elend es in sich fasset. Der Anfang dieses Circuls ist: Du bist Erde / das Ende: Du must wieder zur Erden werden / und der gantze Zug bestehet in zusammen gefügter Sorge / Furcht und Hoffnung. Paulus hatte zwar vor andern Menschen viel Voraus / er schreibt sich von GOttes 1. Cor. XV, 10.Gnaden: Von GOttes Gnaden bin ich / was ich bin / und seine Gnade ist an mir nicht vergeblich gewesen. Er war ein grosser Apostel / ein auserwähltes Rüstzeug oder 2. Cor. XI. & XII.Werckzeug GOttes / und konte sich mit Warheit rühmen / daß er vor andern Aposteln einen grossen Vorzug hätte. Bey dem allen aber blieb er ein Mensch / und muste sagen: Homo sum, humani à me nihil alienum puto; Ich bin ein Mensch / und darff mich dessen / was Menschlich ist / nicht entziehen. Ja / wenn des Nicephori Nachricht Glauben verdienet / so fand sich bey Paulo / was die constitution des Leibes und die Leyden an dem Leibe betrifft / mehr Menschliches / als bey vielen andern Menschen; Er war einer sehr schwächlichen Natur / und das äusserliche Ansehen gar gering Gal. IV, 13. Conf. 2. Cor. I, 8. & 2. Cor. XII, 7. 2. Cor. XI, 10./ und dabey muste er so viel travaillen so viel Reisen übernehmen. Hierzu kamen Kranckheiten / Ketten und Banden / Frost / Hitze / Ruthen / Schläge / Leib und Lebens Gefahr. Daß also Paulus in dieser Absicht sich wol vor einen [fremdsprachliches Material], vor einen recht Elenden / bejammernswürdigen

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[8/0012] I. Auf des Wunsches Ursach. II. Auf desselben Vortrag. Was das erste betrifft / so gibt Paulus solches zu erkennen in der Anzeige seines Elendes. Er bricht ja in diesen Seufftzer heraus: Ich elender Mensch. So bald sich Paulus einen Menschen nennet / nennet er eine elende Creatur / nicht zwar nach der ersten Heil. Absicht des allgütigen GOttes / denn dieselbe war gantz anders / und gieng dahin / daß der Mensch solte das Alleredelste / das Allerglückseeligste unter allen Geschöpffen auf Erden seyn; sondern nach dem Zustande des Menschen nach dem kläglichen Sünden-Fall. Da ist freylich / das Leben des Menschen wie ein Circul: Es fängt sich an mit Elend und endet sich mit Schmertzen; Je länger der Umfang unsers Lebens gleich einem Kreiß gezogen wird / je mehr Elend es in sich fasset. Der Anfang dieses Circuls ist: Du bist Erde / das Ende: Du must wieder zur Erden werden / und der gantze Zug bestehet in zusammen gefügter Sorge / Furcht und Hoffnung. Paulus hatte zwar vor andern Menschen viel Voraus / er schreibt sich von GOttes Gnaden: Von GOttes Gnaden bin ich / was ich bin / und seine Gnade ist an mir nicht vergeblich gewesen. Er war ein grosser Apostel / ein auserwähltes Rüstzeug oder Werckzeug GOttes / und konte sich mit Warheit rühmen / daß er vor andern Aposteln einen grossen Vorzug hätte. Bey dem allen aber blieb er ein Mensch / und muste sagen: Homo sum, humani à me nihil alienum puto; Ich bin ein Mensch / und darff mich dessen / was Menschlich ist / nicht entziehen. Ja / wenn des Nicephori Nachricht Glauben verdienet / so fand sich bey Paulo / was die constitution des Leibes und die Leyden an dem Leibe betrifft / mehr Menschliches / als bey vielen andern Menschen; Er war einer sehr schwächlichen Natur / und das äusserliche Ansehen gar gering / und dabey muste er so viel travaillen so viel Reisen übernehmen. Hierzu kamen Kranckheiten / Ketten und Banden / Frost / Hitze / Ruthen / Schläge / Leib und Lebens Gefahr. Daß also Paulus in dieser Absicht sich wol vor einen _ , vor einen recht Elenden / bejammernswürdigen 1. Cor. XV, 10. 2. Cor. XI. & XII. Gal. IV, 13. Conf. 2. Cor. I, 8. & 2. Cor. XII, 7. 2. Cor. XI, 10.

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Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Kläglicher Sterbe-Wunsch Pauli als Ein Wunsch eines Hohen in der Welt. Braunschweig, 1706, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_sterbewunsch_1707/12>, abgerufen am 21.11.2024.