[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802.
Füßen stehe. Sie wolle sogar rathen, der Herr Oberpriester möge sich anfangs etwas zurückziehen, bis Jhro Majestät hinlänglich vorbereitet seyn würden. Dem heiligen Manne dieses einzureden hielt nun freylich etwas schwer. Gleich- wohl schien es am besten zu seyn, seinen Eifer für das Wohl der Kirche jetzt zu mäßigen, um ihr nachher desto kräftiger dienen zu können. Es ward demnach alles zur Zufriedenheit der Oberhofmeisterinn ab- geredet, und sie kam noch früh genug in die Residenz, um dem Lever der Prinzessin beiwohnen zu können. Aber diese hatte noch bis Mitternacht in ihrem Lieblingsschriftsteller gelesen, und war heute, für uneingeweihte Ohren schlech- terdings nicht verständlich. Sie sprach von der betäubenden Vorstecklilie der Erde, -- so nannte der berühmte Zebra den
Fuͤßen ſtehe. Sie wolle ſogar rathen, der Herr Oberprieſter moͤge ſich anfangs etwas zuruͤckziehen, bis Jhro Majeſtaͤt hinlaͤnglich vorbereitet ſeyn wuͤrden. Dem heiligen Manne dieſes einzureden hielt nun freylich etwas ſchwer. Gleich- wohl ſchien es am beſten zu ſeyn, ſeinen Eifer fuͤr das Wohl der Kirche jetzt zu maͤßigen, um ihr nachher deſto kraͤftiger dienen zu koͤnnen. Es ward demnach alles zur Zufriedenheit der Oberhofmeiſterinn ab- geredet, und ſie kam noch fruͤh genug in die Reſidenz, um dem Lever der Prinzeſſin beiwohnen zu koͤnnen. Aber dieſe hatte noch bis Mitternacht in ihrem Lieblingsſchriftſteller geleſen, und war heute, fuͤr uneingeweihte Ohren ſchlech- terdings nicht verſtaͤndlich. Sie ſprach von der betaͤubenden Vorſtecklilie der Erde, — ſo nannte der beruͤhmte Zebra den
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Fuͤßen ſtehe. Sie wolle ſogar rathen, der
Herr Oberprieſter moͤge ſich anfangs etwas
zuruͤckziehen, bis Jhro Majeſtaͤt hinlaͤnglich
vorbereitet ſeyn wuͤrden.
Dem heiligen Manne dieſes einzureden
hielt nun freylich etwas ſchwer. Gleich-
wohl ſchien es am beſten zu ſeyn, ſeinen
Eifer fuͤr das Wohl der Kirche jetzt zu
maͤßigen, um ihr nachher deſto kraͤftiger
dienen zu koͤnnen. Es ward demnach alles
zur Zufriedenheit der Oberhofmeiſterinn ab-
geredet, und ſie kam noch fruͤh genug in
die Reſidenz, um dem Lever der Prinzeſſin
beiwohnen zu koͤnnen.
Aber dieſe hatte noch bis Mitternacht
in ihrem Lieblingsſchriftſteller geleſen, und
war heute, fuͤr uneingeweihte Ohren ſchlech-
terdings nicht verſtaͤndlich. Sie ſprach von
der betaͤubenden Vorſtecklilie der
Erde, — ſo nannte der beruͤhmte Zebra
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Zitationshilfe: | [Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/116>, abgerufen am 16.02.2025. |