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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802.

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der Verwandtschaft ihr große Theilnahme
und mütterliche Sorgfalt geboten.

Schon lange hatte keiner aus dem
Kreise ihrer Höflinge, dessen kleinste Zierde
Grazien Genien, Amoretten und Zephire
waren, an ihr einen düstern Blick bemerkt,
der ihre sanften, schönen Züge entstellte,
oder einen innern Kummer, der ihre süßen
und bezaubernden Worte verstimmte. Alles
mußte daher in Bestürzung gerathen, als
einst an einem lieblichen Morgen, den ein
heiterer Himmel verherrlichte, sich die schöne
Gebieterin des schönsten Aufenthalts nie-
dergeschlagen und in Kummer versenkt, bei
ihrem zahlreichen Gefolge einfand, das ihr
auf einem frisch begrünten Rasen entgegen-
sah, und frohen Sinnes zu ihrem Em-
pfange bezaubernde Gesänge anstimmte. Al-
les erschrack und verstummte, keiner wagte
es der Gebieterin näher zu treten, jeder

der Verwandtſchaft ihr große Theilnahme
und muͤtterliche Sorgfalt geboten.

Schon lange hatte keiner aus dem
Kreiſe ihrer Hoͤflinge, deſſen kleinſte Zierde
Grazien Genien, Amoretten und Zephire
waren, an ihr einen duͤſtern Blick bemerkt,
der ihre ſanften, ſchoͤnen Zuͤge entſtellte,
oder einen innern Kummer, der ihre ſuͤßen
und bezaubernden Worte verſtimmte. Alles
mußte daher in Beſtuͤrzung gerathen, als
einſt an einem lieblichen Morgen, den ein
heiterer Himmel verherrlichte, ſich die ſchoͤne
Gebieterin des ſchoͤnſten Aufenthalts nie-
dergeſchlagen und in Kummer verſenkt, bei
ihrem zahlreichen Gefolge einfand, das ihr
auf einem friſch begruͤnten Raſen entgegen-
ſah, und frohen Sinnes zu ihrem Em-
pfange bezaubernde Geſaͤnge anſtimmte. Al-
les erſchrack und verſtummte, keiner wagte
es der Gebieterin naͤher zu treten, jeder

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[214/0218] der Verwandtſchaft ihr große Theilnahme und muͤtterliche Sorgfalt geboten. Schon lange hatte keiner aus dem Kreiſe ihrer Hoͤflinge, deſſen kleinſte Zierde Grazien Genien, Amoretten und Zephire waren, an ihr einen duͤſtern Blick bemerkt, der ihre ſanften, ſchoͤnen Zuͤge entſtellte, oder einen innern Kummer, der ihre ſuͤßen und bezaubernden Worte verſtimmte. Alles mußte daher in Beſtuͤrzung gerathen, als einſt an einem lieblichen Morgen, den ein heiterer Himmel verherrlichte, ſich die ſchoͤne Gebieterin des ſchoͤnſten Aufenthalts nie- dergeſchlagen und in Kummer verſenkt, bei ihrem zahlreichen Gefolge einfand, das ihr auf einem friſch begruͤnten Raſen entgegen- ſah, und frohen Sinnes zu ihrem Em- pfange bezaubernde Geſaͤnge anſtimmte. Al- les erſchrack und verſtummte, keiner wagte es der Gebieterin naͤher zu treten, jeder

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Zitationshilfe: [Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/218>, abgerufen am 21.11.2024.