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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802.

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sprach in Abenzas Armen des Glücks der
Liebe theilhaftig zu werden. So schlenderte
er beinahe eine Stunde hin. Die Sonne
brach mit aller Stärke hervor. Kanzedir
war schon längst auf einer Ebene fortge-
gangen. Von der Hitze gedrückt sah er
sich nach einem schattigten Baum um. Al-
lein näher war ihm ein geschmackvolles
Gartenhaus des Sultans. Er fand es
offen und trat also ohne Anstand hinein.

Der erste Gegenstand, der ihm aufstieß,
war ein Marmorbild Abenzas. Nie hatte
der Meißel eines Künstlers so lebhaft, so
natürlich und mit solcher künstlichen Wahr-
heit sein Urbild darzustellen gewußt, als
dieses. Da war nicht der mindeste Zug
vergessen. Die Statue zeigte Abenza wie
sie wirklich in Kanzedirs Geiste lebte. Sein
Auge weidete sich an dem himmlischen Reitz,
den der Künstler Abenzas Wesen abgesehen.
Ganz in süße Betrachtung versenkt, schien

ſprach in Abenzas Armen des Gluͤcks der
Liebe theilhaftig zu werden. So ſchlenderte
er beinahe eine Stunde hin. Die Sonne
brach mit aller Staͤrke hervor. Kanzedir
war ſchon laͤngſt auf einer Ebene fortge-
gangen. Von der Hitze gedruͤckt ſah er
ſich nach einem ſchattigten Baum um. Al-
lein naͤher war ihm ein geſchmackvolles
Gartenhaus des Sultans. Er fand es
offen und trat alſo ohne Anſtand hinein.

Der erſte Gegenſtand, der ihm aufſtieß,
war ein Marmorbild Abenzas. Nie hatte
der Meißel eines Kuͤnſtlers ſo lebhaft, ſo
natuͤrlich und mit ſolcher kuͤnſtlichen Wahr-
heit ſein Urbild darzuſtellen gewußt, als
dieſes. Da war nicht der mindeſte Zug
vergeſſen. Die Statue zeigte Abenza wie
ſie wirklich in Kanzedirs Geiſte lebte. Sein
Auge weidete ſich an dem himmliſchen Reitz,
den der Kuͤnſtler Abenzas Weſen abgeſehen.
Ganz in ſuͤße Betrachtung verſenkt, ſchien

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[266/0270] ſprach in Abenzas Armen des Gluͤcks der Liebe theilhaftig zu werden. So ſchlenderte er beinahe eine Stunde hin. Die Sonne brach mit aller Staͤrke hervor. Kanzedir war ſchon laͤngſt auf einer Ebene fortge- gangen. Von der Hitze gedruͤckt ſah er ſich nach einem ſchattigten Baum um. Al- lein naͤher war ihm ein geſchmackvolles Gartenhaus des Sultans. Er fand es offen und trat alſo ohne Anſtand hinein. Der erſte Gegenſtand, der ihm aufſtieß, war ein Marmorbild Abenzas. Nie hatte der Meißel eines Kuͤnſtlers ſo lebhaft, ſo natuͤrlich und mit ſolcher kuͤnſtlichen Wahr- heit ſein Urbild darzuſtellen gewußt, als dieſes. Da war nicht der mindeſte Zug vergeſſen. Die Statue zeigte Abenza wie ſie wirklich in Kanzedirs Geiſte lebte. Sein Auge weidete ſich an dem himmliſchen Reitz, den der Kuͤnſtler Abenzas Weſen abgeſehen. Ganz in ſuͤße Betrachtung verſenkt, ſchien

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Zitationshilfe: [Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/270>, abgerufen am 24.11.2024.