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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802.

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Lager schlummerte, dann trat es wieder
lebendig vor ihr hin. Kein Bild mehr! --
Nein! nein! voll Liebe, voll Sehnsucht wie
sie, mit hoher Kraft und himmlischer An-
muth. Jetzt wolte sie in seine Arme sinken
und -- erwachte.

"Wo bist du? -- rief sie -- wirst du
dich ewig mir entziehen? -- Kann ich nur
im Traume glücklich seyn? -- O so laß
mich nie aufhören zu träumen! -- Nun
sank sie zurück und schloß die Augen wie-
der mit ahndungsvollem Lächeln.

Aber sie bedurfte der Träume nicht
mehr. Selim kniete schon, im höchsten Ent-
zücken, an ihrer Seite, und deckte ihre
Hände mit brennenden Küssen.

"Zoraide! rief er -- O, blicke mich an,
es ist kein Traum. Jch liebe dich! liebe
dich unaussprechlich! -- Ach Zoraide! Zo-
raide! was habe ich gelitten! -- O blicke
mich an, damit ich dieses alles vergesse!" --

Lager ſchlummerte, dann trat es wieder
lebendig vor ihr hin. Kein Bild mehr! —
Nein! nein! voll Liebe, voll Sehnſucht wie
ſie, mit hoher Kraft und himmliſcher An-
muth. Jetzt wolte ſie in ſeine Arme ſinken
und — erwachte.

»Wo biſt du? — rief ſie — wirſt du
dich ewig mir entziehen? — Kann ich nur
im Traume gluͤcklich ſeyn? — O ſo laß
mich nie aufhoͤren zu traͤumen! — Nun
ſank ſie zuruͤck und ſchloß die Augen wie-
der mit ahndungsvollem Laͤcheln.

Aber ſie bedurfte der Traͤume nicht
mehr. Selim kniete ſchon, im hoͤchſten Ent-
zuͤcken, an ihrer Seite, und deckte ihre
Haͤnde mit brennenden Kuͤſſen.

»Zoraïde! rief er — O, blicke mich an,
es iſt kein Traum. Jch liebe dich! liebe
dich unausſprechlich! — Ach Zoraïde! Zo-
raïde! was habe ich gelitten! — O blicke
mich an, damit ich dieſes alles vergeſſe!« —

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[27/0031] Lager ſchlummerte, dann trat es wieder lebendig vor ihr hin. Kein Bild mehr! — Nein! nein! voll Liebe, voll Sehnſucht wie ſie, mit hoher Kraft und himmliſcher An- muth. Jetzt wolte ſie in ſeine Arme ſinken und — erwachte. »Wo biſt du? — rief ſie — wirſt du dich ewig mir entziehen? — Kann ich nur im Traume gluͤcklich ſeyn? — O ſo laß mich nie aufhoͤren zu traͤumen! — Nun ſank ſie zuruͤck und ſchloß die Augen wie- der mit ahndungsvollem Laͤcheln. Aber ſie bedurfte der Traͤume nicht mehr. Selim kniete ſchon, im hoͤchſten Ent- zuͤcken, an ihrer Seite, und deckte ihre Haͤnde mit brennenden Kuͤſſen. »Zoraïde! rief er — O, blicke mich an, es iſt kein Traum. Jch liebe dich! liebe dich unausſprechlich! — Ach Zoraïde! Zo- raïde! was habe ich gelitten! — O blicke mich an, damit ich dieſes alles vergeſſe!« —

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Zitationshilfe: [Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/31>, abgerufen am 03.12.2024.