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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802.

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konnte nur allmählig in dem reinen Herzen
sich bilden. Auch machten sie, die unschul-
digen an dem Gemälde verschwendeten
Liebkosungen schon unbeschreiblich glücklich.

Aber ach! die Sonne kam näher, die
Nächte wurden lauer, Zoraide hatte das
sechszehnte Jahr erreicht, und ihr Schlum-
mer ward oft unterbrochen. -- Jhr dünkte,
es solle sie etwas umfassen, mit Kraft, mit
Heftigkeit umfassen. -- Sie müsse es dann
fest, fest an ihr Herz drücken, als gäbe
sie sich auf ewig dahin, als solle nur der
Tod sie scheiden. -- Ja so mußte sie es in
ihre Arme schließen. Aber ach Gott! was
solte sie umfassen? -- Das Bild? -- es
ließ sich nicht denken. -- Nun irrte sie mit
trähnenvollem Auge in den Gebüschen um-
her. Jhr Glück war dahin, und das Bild
stand verlassen.

Aber wenn sie nun auf dem einsamen

konnte nur allmaͤhlig in dem reinen Herzen
ſich bilden. Auch machten ſie, die unſchul-
digen an dem Gemaͤlde verſchwendeten
Liebkoſungen ſchon unbeſchreiblich gluͤcklich.

Aber ach! die Sonne kam naͤher, die
Naͤchte wurden lauer, Zoraide hatte das
ſechszehnte Jahr erreicht, und ihr Schlum-
mer ward oft unterbrochen. — Jhr duͤnkte,
es ſolle ſie etwas umfaſſen, mit Kraft, mit
Heftigkeit umfaſſen. — Sie muͤſſe es dann
feſt, feſt an ihr Herz druͤcken, als gaͤbe
ſie ſich auf ewig dahin, als ſolle nur der
Tod ſie ſcheiden. — Ja ſo mußte ſie es in
ihre Arme ſchließen. Aber ach Gott! was
ſolte ſie umfaſſen? — Das Bild? — es
ließ ſich nicht denken. — Nun irrte ſie mit
traͤhnenvollem Auge in den Gebuͤſchen um-
her. Jhr Gluͤck war dahin, und das Bild
ſtand verlaſſen.

Aber wenn ſie nun auf dem einſamen

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[26/0030] konnte nur allmaͤhlig in dem reinen Herzen ſich bilden. Auch machten ſie, die unſchul- digen an dem Gemaͤlde verſchwendeten Liebkoſungen ſchon unbeſchreiblich gluͤcklich. Aber ach! die Sonne kam naͤher, die Naͤchte wurden lauer, Zoraide hatte das ſechszehnte Jahr erreicht, und ihr Schlum- mer ward oft unterbrochen. — Jhr duͤnkte, es ſolle ſie etwas umfaſſen, mit Kraft, mit Heftigkeit umfaſſen. — Sie muͤſſe es dann feſt, feſt an ihr Herz druͤcken, als gaͤbe ſie ſich auf ewig dahin, als ſolle nur der Tod ſie ſcheiden. — Ja ſo mußte ſie es in ihre Arme ſchließen. Aber ach Gott! was ſolte ſie umfaſſen? — Das Bild? — es ließ ſich nicht denken. — Nun irrte ſie mit traͤhnenvollem Auge in den Gebuͤſchen um- her. Jhr Gluͤck war dahin, und das Bild ſtand verlaſſen. Aber wenn ſie nun auf dem einſamen

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Zitationshilfe: [Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/30>, abgerufen am 21.11.2024.