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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] Nachrichten, nicht aus eigener Erfah-
rung überkommen oder würcklich in der
That befunden haben, sondern entweder
discursive gehöret oder etwan ihnen zum
Theil in Büchern vorkommen sind, sol-
cher maassen meistens in Muthmassun-
gen bestehen mögen, oder etwan Relata
sind, so ihnen von einigen Auffschneidern,
eines Trinck-Gelds halber, vorgeschwa-
tzet, und, da es ihnen nicht bekant, sol-
[Spaltenumbruch] ches von ihnen geglaubet worden; So
habe vor nöthig erachtet, mit wenigem
dasjenige zu bemercken, was denen An-
fängern des Weydewercks zur Nachricht
dienen möchte und der Natur gemäß zeit-
hero befunden worden, soviel nemlich,
menschlicher Vernunfft nach, man biß-
hero von denen wilden Thieren abmer-
cken können.

Von Natur und Eigenschafft derer wilden Thiere.
[Spaltenumbruch]

Es hat der grosse Gott, gleich zu An-
fange bey der Schöpffung als ein All-
weiser Stiffter pro conservatione Na-
turae
zugleich allen lebendigen Creatu-
ren eine zeugende Krafft dergestalt ein-
gepflantzet, daß sie vermittelst ihres Saa-
mens, aus innerlichem Antrieb der Na-
tur ferner ihres gleichen, ein jegliches
nach seiner Art zeugen solten. Sobald
nun der innerliche von der Feuchtigkeit
des Gehirns, Marr und Safft der Kno-
chen, der Substantz, Uhrsprung, Nah-
rung und Wesen nach, eigentlich erzo-
gene Saame reiff und weiter zu ver-
mehren gantz zeitig worden; stösset sol-
chen die Natur, der Gesundheit zum be-
sten, vermittelst der Phantasie und des
Gemüths, durch den Rückgrad, Ductus
und Nerven, wenn derselbe in die Ge-
burths-Glieder geführet wird, durch
hierauf erfolgte Hitze, Begierde, Lust,
Bewegung besagter Geburths-Glieder,
und die Impression des Gemüths her-
aus und generiret gleichsam den aller-
besten Safft, oder herausgezogenen Ex-
tract
zu einem wesentlichen Saamen,
welcher durch hitzigen Trieb der Natur
vermittelst der Röhre ausgesprützet wird.
Dahero geschiehet, daß durch allzu offte
der Natur zuwieder überflüßige Be-
wegung, insgemein die Glieder matt
und zitternd, der Leib mager und kränck-
lich, die Kräffte entzogen und verzehret
werden. Wann denn die Spiritus Ce-
rebri
oder Gehirn-Geister irritiret und
eingenommen, werden die Thiere öffters
gantz unsinnig und wird also ihr Leben
verkürtzet, wie man an denen Haasen,
Sperlingen und andern zur allzu gros-
sen Geilheit geneigten Thieren gantz deut-
lich und klar vermercken kan. Hinge-
gen empfähet das Weibliche Geschlecht
in voller zeitiger Blüt mit grösserer Be-
gierde und innerlich hierzu aptirter Hi-
tze, so durch die Impression eines vorha-
[Spaltenumbruch] benden Objecti vermittelst ihres Saa-
mens coaguliret, dahero hierdurch eine
gleichförmige Substantial-Essenz und
durch die Wärme concentrirete Frucht,
nicht allein am Leibe und Gliedern, Far-
ben und Haaren, sondern auch am Ge-
müth und dem Wesen nach empfangen
wird, welche die Natur, sobald solche
vollkommen reiff u. zeitig worden, ausstös-
set und zur Welt bringet, auch ferner bey
zarter Jugend durch die Milch ernehret.
Nun haben manche Thiere eine weit hi-
tzigere Complexion als die andern; Theils
sind grausam grimmig; Theils sind
rachgierich, zornig oder räuberisch;
Andere hingegen sind sanfftmüthig, still
und freundlich; Wiederumb sind einige
tollkühn, boßhafft und verwegen, an-
dere hingegen furchtsam, flüchtig und
scheu. Solches verursachet offters zum
Theil sowohl die Influenz des Lunae,
und die Constellation oder das Clima des
Orts, wo ihre Conception geschehen, als
der vielfältige Unterschied des Nutri-
ments
und Erdbodens, dahero derglei-
chen mehrere cholerische Feuchtigkeit der
Früchte von salnitrischer oder sulphuri-
scher Eigenschafft folglich nebst andern
Umbständen die Gemüths-Neigung,
Grösse, Farben, und andere Kennzeichen
mehr herrühren. Es versiehet sich auch
öffters ein tragendes Thier, sowohl in
ipso Actu conceptionis, als kurtz nach
demselben, wie des Labans Schaafe an
den bunden Stäben, oder wann solches
bey würcklicher Empfängniß von einem
weisen Hund oder Wieselchen plötzlich
erschrecket wird, imprimiret sich solches die
Matrix, variiret zugleich die Farbe ihrer
Frucht, und concipiret ein Merckmahl.
Wie man denn durch die Gemählde bey
Beschälung der Stutten oder Vermeh-
rung der Caninchen solchen Effect der
Imagination würcklich wahrgenommen.
Wiewohl auch nicht zu läugnen, daß öff-

ters
L

Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] Nachrichten, nicht aus eigener Erfah-
rung uͤberkommen oder wuͤrcklich in der
That befunden haben, ſondern entweder
diſcurſive gehoͤret oder etwan ihnen zum
Theil in Buͤchern vorkommen ſind, ſol-
cher maaſſen meiſtens in Muthmaſſun-
gen beſtehen moͤgen, oder etwan Relata
ſind, ſo ihnen von einigen Auffſchneidern,
eines Trinck-Gelds halber, vorgeſchwa-
tzet, und, da es ihnen nicht bekant, ſol-
[Spaltenumbruch] ches von ihnen geglaubet worden; So
habe vor noͤthig erachtet, mit wenigem
dasjenige zu bemercken, was denen An-
faͤngern des Weydewercks zur Nachricht
dienen moͤchte und der Natur gemaͤß zeit-
hero befunden worden, ſoviel nemlich,
menſchlicher Vernunfft nach, man biß-
hero von denen wilden Thieren abmer-
cken koͤnnen.

Von Natur und Eigenſchafft derer wilden Thiere.
[Spaltenumbruch]

Es hat der groſſe Gott, gleich zu An-
fange bey der Schoͤpffung als ein All-
weiſer Stiffter pro conſervatione Na-
turæ
zugleich allen lebendigen Creatu-
ren eine zeugende Krafft dergeſtalt ein-
gepflantzet, daß ſie vermittelſt ihres Saa-
mens, aus innerlichem Antrieb der Na-
tur ferner ihres gleichen, ein jegliches
nach ſeiner Art zeugen ſolten. Sobald
nun der innerliche von der Feuchtigkeit
des Gehirns, Marr und Safft der Kno-
chen, der Subſtantz, Uhrſprung, Nah-
rung und Weſen nach, eigentlich erzo-
gene Saame reiff und weiter zu ver-
mehren gantz zeitig worden; ſtoͤſſet ſol-
chen die Natur, der Geſundheit zum be-
ſten, vermittelſt der Phantaſie und des
Gemuͤths, durch den Ruͤckgrad, Ductus
und Nerven, wenn derſelbe in die Ge-
burths-Glieder gefuͤhret wird, durch
hierauf erfolgte Hitze, Begierde, Luſt,
Bewegung beſagter Geburths-Glieder,
und die Impresſion des Gemuͤths her-
aus und generiret gleichſam den aller-
beſten Safft, oder herausgezogenen Ex-
tract
zu einem weſentlichen Saamen,
welcher durch hitzigen Trieb der Natur
vermittelſt der Roͤhꝛe ausgeſpruͤtzet wird.
Dahero geſchiehet, daß durch allzu offte
der Natur zuwieder uͤberfluͤßige Be-
wegung, insgemein die Glieder matt
und zitternd, der Leib mager und kraͤnck-
lich, die Kraͤffte entzogen und verzehret
werden. Wann denn die Spiritus Ce-
rebri
oder Gehirn-Geiſter irritiret und
eingenommen, werden die Thiere oͤffters
gantz unſinnig und wird alſo ihr Leben
verkuͤrtzet, wie man an denen Haaſen,
Sperlingen und andern zur allzu groſ-
ſen Geilheit geneigten Thieren gantz deut-
lich und klar vermercken kan. Hinge-
gen empfaͤhet das Weibliche Geſchlecht
in voller zeitiger Bluͤt mit groͤſſerer Be-
gierde und innerlich hierzu aptirter Hi-
tze, ſo durch die Impresſion eines vorha-
[Spaltenumbruch] benden Objecti vermittelſt ihres Saa-
mens coaguliret, dahero hierdurch eine
gleichfoͤrmige Subſtantial-Eſſenz und
durch die Waͤrme concentrirete Frucht,
nicht allein am Leibe und Gliedern, Far-
ben und Haaren, ſondern auch am Ge-
muͤth und dem Weſen nach empfangen
wird, welche die Natur, ſobald ſolche
vollkom̃en reiff u. zeitig worden, ausſtoͤſ-
ſet und zur Welt bringet, auch ferner bey
zarter Jugend durch die Milch ernehret.
Nun haben manche Thiere eine weit hi-
tzigere Complexion als die andern; Theils
ſind grauſam grimmig; Theils ſind
rachgierich, zornig oder raͤuberiſch;
Andere hingegen ſind ſanfftmuͤthig, ſtill
und freundlich; Wiederumb ſind einige
tollkuͤhn, boßhafft und verwegen, an-
dere hingegen furchtſam, fluͤchtig und
ſcheu. Solches verurſachet offters zum
Theil ſowohl die Influenz des Lunæ,
und die Conſtellation oder das Clima des
Orts, wo ihre Conception geſchehen, als
der vielfaͤltige Unterſchied des Nutri-
ments
und Erdbodens, dahero derglei-
chen mehrere choleriſche Feuchtigkeit der
Fruͤchte von ſalnitriſcher oder ſulphuri-
ſcher Eigenſchafft folglich nebſt andern
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Groͤſſe, Farben, und andere Kennzeichen
mehr herruͤhren. Es verſiehet ſich auch
oͤffters ein tragendes Thier, ſowohl in
ipſo Actu conceptionis, als kurtz nach
demſelben, wie des Labans Schaafe an
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bey wuͤrcklicher Empfaͤngniß von einem
weiſen Hund oder Wieſelchen ploͤtzlich
erſchrecket wird, imprimiret ſich ſolches die
Matrix, variiret zugleich die Farbe ihrer
Frucht, und concipiret ein Merckmahl.
Wie man denn durch die Gemaͤhlde bey
Beſchaͤlung der Stutten oder Vermeh-
rung der Caninchen ſolchen Effect der
Imagination wuͤrcklich wahrgenommen.
Wiewohl auch nicht zu laͤugnen, daß oͤff-

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L
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[81/0167] Von denen wilden Thieren. Nachrichten, nicht aus eigener Erfah- rung uͤberkommen oder wuͤrcklich in der That befunden haben, ſondern entweder diſcurſive gehoͤret oder etwan ihnen zum Theil in Buͤchern vorkommen ſind, ſol- cher maaſſen meiſtens in Muthmaſſun- gen beſtehen moͤgen, oder etwan Relata ſind, ſo ihnen von einigen Auffſchneidern, eines Trinck-Gelds halber, vorgeſchwa- tzet, und, da es ihnen nicht bekant, ſol- ches von ihnen geglaubet worden; So habe vor noͤthig erachtet, mit wenigem dasjenige zu bemercken, was denen An- faͤngern des Weydewercks zur Nachricht dienen moͤchte und der Natur gemaͤß zeit- hero befunden worden, ſoviel nemlich, menſchlicher Vernunfft nach, man biß- hero von denen wilden Thieren abmer- cken koͤnnen. Von Natur und Eigenſchafft derer wilden Thiere. Es hat der groſſe Gott, gleich zu An- fange bey der Schoͤpffung als ein All- weiſer Stiffter pro conſervatione Na- turæ zugleich allen lebendigen Creatu- ren eine zeugende Krafft dergeſtalt ein- gepflantzet, daß ſie vermittelſt ihres Saa- mens, aus innerlichem Antrieb der Na- tur ferner ihres gleichen, ein jegliches nach ſeiner Art zeugen ſolten. Sobald nun der innerliche von der Feuchtigkeit des Gehirns, Marr und Safft der Kno- chen, der Subſtantz, Uhrſprung, Nah- rung und Weſen nach, eigentlich erzo- gene Saame reiff und weiter zu ver- mehren gantz zeitig worden; ſtoͤſſet ſol- chen die Natur, der Geſundheit zum be- ſten, vermittelſt der Phantaſie und des Gemuͤths, durch den Ruͤckgrad, Ductus und Nerven, wenn derſelbe in die Ge- burths-Glieder gefuͤhret wird, durch hierauf erfolgte Hitze, Begierde, Luſt, Bewegung beſagter Geburths-Glieder, und die Impresſion des Gemuͤths her- aus und generiret gleichſam den aller- beſten Safft, oder herausgezogenen Ex- tract zu einem weſentlichen Saamen, welcher durch hitzigen Trieb der Natur vermittelſt der Roͤhꝛe ausgeſpruͤtzet wird. Dahero geſchiehet, daß durch allzu offte der Natur zuwieder uͤberfluͤßige Be- wegung, insgemein die Glieder matt und zitternd, der Leib mager und kraͤnck- lich, die Kraͤffte entzogen und verzehret werden. Wann denn die Spiritus Ce- rebri oder Gehirn-Geiſter irritiret und eingenommen, werden die Thiere oͤffters gantz unſinnig und wird alſo ihr Leben verkuͤrtzet, wie man an denen Haaſen, Sperlingen und andern zur allzu groſ- ſen Geilheit geneigten Thieren gantz deut- lich und klar vermercken kan. Hinge- gen empfaͤhet das Weibliche Geſchlecht in voller zeitiger Bluͤt mit groͤſſerer Be- gierde und innerlich hierzu aptirter Hi- tze, ſo durch die Impresſion eines vorha- benden Objecti vermittelſt ihres Saa- mens coaguliret, dahero hierdurch eine gleichfoͤrmige Subſtantial-Eſſenz und durch die Waͤrme concentrirete Frucht, nicht allein am Leibe und Gliedern, Far- ben und Haaren, ſondern auch am Ge- muͤth und dem Weſen nach empfangen wird, welche die Natur, ſobald ſolche vollkom̃en reiff u. zeitig worden, ausſtoͤſ- ſet und zur Welt bringet, auch ferner bey zarter Jugend durch die Milch ernehret. Nun haben manche Thiere eine weit hi- tzigere Complexion als die andern; Theils ſind grauſam grimmig; Theils ſind rachgierich, zornig oder raͤuberiſch; Andere hingegen ſind ſanfftmuͤthig, ſtill und freundlich; Wiederumb ſind einige tollkuͤhn, boßhafft und verwegen, an- dere hingegen furchtſam, fluͤchtig und ſcheu. Solches verurſachet offters zum Theil ſowohl die Influenz des Lunæ, und die Conſtellation oder das Clima des Orts, wo ihre Conception geſchehen, als der vielfaͤltige Unterſchied des Nutri- ments und Erdbodens, dahero derglei- chen mehrere choleriſche Feuchtigkeit der Fruͤchte von ſalnitriſcher oder ſulphuri- ſcher Eigenſchafft folglich nebſt andern Umbſtaͤnden die Gemuͤths-Neigung, Groͤſſe, Farben, und andere Kennzeichen mehr herruͤhren. Es verſiehet ſich auch oͤffters ein tragendes Thier, ſowohl in ipſo Actu conceptionis, als kurtz nach demſelben, wie des Labans Schaafe an den bunden Staͤben, oder wann ſolches bey wuͤrcklicher Empfaͤngniß von einem weiſen Hund oder Wieſelchen ploͤtzlich erſchrecket wird, imprimiret ſich ſolches die Matrix, variiret zugleich die Farbe ihrer Frucht, und concipiret ein Merckmahl. Wie man denn durch die Gemaͤhlde bey Beſchaͤlung der Stutten oder Vermeh- rung der Caninchen ſolchen Effect der Imagination wuͤrcklich wahrgenommen. Wiewohl auch nicht zu laͤugnen, daß oͤff- ters L

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/167>, abgerufen am 24.11.2024.